Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Dem Vater Schmach! -- -- doch dort, mit Silberhaaren,
Wer ist der schwache Greis in Kriegertracht?
Du Alter, läßt du Weib und Kinder fahren?
Kehrst du vom Grabe um, und wankst zur Schlacht?
"Ich habe Weib und Kinder Gott befohlen!
"Mein Haupt ist weiß, es zittert meine Hand;
"Doch kämpf' ich mit den heil'gen Kampf der Polen;
"Wohl mir! ich folge meinem Vaterland!"
"Und möge nicht mein Vaterland verschmähen
"Des schwachen Greises ärmlichen Tribut:
"Dies treue Herz, das bald wird stille stehen,
"Und, der es noch erwärmt, den Tropfen Blut."
So opfre ihn! komm, komm zu jenem Hügel,
Den unsre Schaaren decken, eilen wir!
Der weiße Adler lüftet seine Flügel,
Bald wird sein Auge flammen für und für!
Lebt wohl, Geschwister! mög' euch Gott bewahren!
Mir nach! wer Pole bis zum letzten Hauch!
Hurrah! ihr vaterländ'schen Heldenschaaren!
Leb' wohl, du mein geliebtes Mädchen auch!
Dem Vater Schmach! — — doch dort, mit Silberhaaren,
Wer iſt der ſchwache Greis in Kriegertracht?
Du Alter, laͤßt du Weib und Kinder fahren?
Kehrſt du vom Grabe um, und wankſt zur Schlacht?
„Ich habe Weib und Kinder Gott befohlen!
„Mein Haupt iſt weiß, es zittert meine Hand;
„Doch kaͤmpf' ich mit den heil'gen Kampf der Polen;
„Wohl mir! ich folge meinem Vaterland!“
„Und moͤge nicht mein Vaterland verſchmaͤhen
„Des ſchwachen Greiſes aͤrmlichen Tribut:
„Dies treue Herz, das bald wird ſtille ſtehen,
„Und, der es noch erwaͤrmt, den Tropfen Blut.“
So opfre ihn! komm, komm zu jenem Huͤgel,
Den unſre Schaaren decken, eilen wir!
Der weiße Adler luͤftet ſeine Fluͤgel,
Bald wird ſein Auge flammen fuͤr und fuͤr!
Lebt wohl, Geſchwiſter! moͤg' euch Gott bewahren!
Mir nach! wer Pole bis zum letzten Hauch!
Hurrah! ihr vaterlaͤnd'ſchen Heldenſchaaren!
Leb' wohl, du mein geliebtes Maͤdchen auch!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0029" n="15"/>
            <lg n="10">
              <l>Dem Vater Schmach! &#x2014; &#x2014; doch dort, mit Silberhaaren,</l><lb/>
              <l>Wer i&#x017F;t der &#x017F;chwache Greis in Kriegertracht?</l><lb/>
              <l>Du Alter, la&#x0364;ßt du Weib und Kinder fahren?</l><lb/>
              <l>Kehr&#x017F;t du vom Grabe um, und wank&#x017F;t zur Schlacht?</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="11">
              <l>&#x201E;Ich habe Weib und Kinder Gott befohlen!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Mein Haupt i&#x017F;t weiß, es zittert meine Hand;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Doch ka&#x0364;mpf' ich mit den heil'gen Kampf der Polen;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wohl mir! ich folge meinem Vaterland!&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="12">
              <l>&#x201E;Und mo&#x0364;ge nicht mein Vaterland ver&#x017F;chma&#x0364;hen</l><lb/>
              <l>&#x201E;Des &#x017F;chwachen Grei&#x017F;es a&#x0364;rmlichen Tribut:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Dies treue Herz, das bald wird &#x017F;tille &#x017F;tehen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Und, der es noch erwa&#x0364;rmt, den Tropfen Blut.&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="13">
              <l>So opfre ihn! komm, komm zu jenem Hu&#x0364;gel,</l><lb/>
              <l>Den un&#x017F;re Schaaren decken, eilen wir!</l><lb/>
              <l>Der weiße Adler lu&#x0364;ftet &#x017F;eine Flu&#x0364;gel,</l><lb/>
              <l>Bald wird &#x017F;ein Auge flammen fu&#x0364;r und fu&#x0364;r!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="14">
              <l>Lebt wohl, Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter! mo&#x0364;g' euch Gott bewahren!</l><lb/>
              <l>Mir nach! wer Pole bis zum letzten Hauch!</l><lb/>
              <l>Hurrah! ihr vaterla&#x0364;nd'&#x017F;chen Helden&#x017F;chaaren!</l><lb/>
              <l>Leb' wohl, du mein geliebtes Ma&#x0364;dchen auch!</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0029] Dem Vater Schmach! — — doch dort, mit Silberhaaren, Wer iſt der ſchwache Greis in Kriegertracht? Du Alter, laͤßt du Weib und Kinder fahren? Kehrſt du vom Grabe um, und wankſt zur Schlacht? „Ich habe Weib und Kinder Gott befohlen! „Mein Haupt iſt weiß, es zittert meine Hand; „Doch kaͤmpf' ich mit den heil'gen Kampf der Polen; „Wohl mir! ich folge meinem Vaterland!“ „Und moͤge nicht mein Vaterland verſchmaͤhen „Des ſchwachen Greiſes aͤrmlichen Tribut: „Dies treue Herz, das bald wird ſtille ſtehen, „Und, der es noch erwaͤrmt, den Tropfen Blut.“ So opfre ihn! komm, komm zu jenem Huͤgel, Den unſre Schaaren decken, eilen wir! Der weiße Adler luͤftet ſeine Fluͤgel, Bald wird ſein Auge flammen fuͤr und fuͤr! Lebt wohl, Geſchwiſter! moͤg' euch Gott bewahren! Mir nach! wer Pole bis zum letzten Hauch! Hurrah! ihr vaterlaͤnd'ſchen Heldenſchaaren! Leb' wohl, du mein geliebtes Maͤdchen auch!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/29
Zitationshilfe: Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/29>, abgerufen am 21.11.2024.