Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.Wie sie so ihn höret rufen, Stürzt sie hin mit lautem Weinen, Und ohnmächtig liegt das Mädchen Auf der Treppe Marmorsteinen. Festgedrückt an seinen Busen, Hält Johannes sie umfangen, Mit unendlich süßer Wehmuth Küßt er ihre bleichen Wangen. Lange noch auf ihrem Antlitz Ruht sein seliges Betrachten, Und es zittert seine Stimme: "Lebewohl!" der Auferwachten. Zu Graf Angouleme nun spricht er: "Eurem Schutz sey sie befohlen; "Ehret sie, wie es der Freundin "Ziemen mag Johanns von Polen! "Meines Lebens kühne Rettung
"Dank' ich diesen zarten Händen; "Und daß ich zur lieben Heimat "Wieder kann die Schritte wenden!" Wie ſie ſo ihn hoͤret rufen, Stuͤrzt ſie hin mit lautem Weinen, Und ohnmaͤchtig liegt das Maͤdchen Auf der Treppe Marmorſteinen. Feſtgedruͤckt an ſeinen Buſen, Haͤlt Johannes ſie umfangen, Mit unendlich ſuͤßer Wehmuth Kuͤßt er ihre bleichen Wangen. Lange noch auf ihrem Antlitz Ruht ſein ſeliges Betrachten, Und es zittert ſeine Stimme: „Lebewohl!“ der Auferwachten. Zu Graf Angouleme nun ſpricht er: „Eurem Schutz ſey ſie befohlen; „Ehret ſie, wie es der Freundin „Ziemen mag Johanns von Polen! „Meines Lebens kuͤhne Rettung
„Dank' ich dieſen zarten Haͤnden; „Und daß ich zur lieben Heimat „Wieder kann die Schritte wenden!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0278" n="264"/> <lg n="15"> <l>Wie ſie ſo ihn hoͤret rufen,</l><lb/> <l>Stuͤrzt ſie hin mit lautem Weinen,</l><lb/> <l>Und ohnmaͤchtig liegt das Maͤdchen</l><lb/> <l>Auf der Treppe Marmorſteinen.</l><lb/> </lg> <lg n="16"> <l>Feſtgedruͤckt an ſeinen Buſen,</l><lb/> <l>Haͤlt Johannes ſie umfangen,</l><lb/> <l>Mit unendlich ſuͤßer Wehmuth</l><lb/> <l>Kuͤßt er ihre bleichen Wangen.</l><lb/> </lg> <lg n="17"> <l>Lange noch auf ihrem Antlitz</l><lb/> <l>Ruht ſein ſeliges Betrachten,</l><lb/> <l>Und es zittert ſeine Stimme:</l><lb/> <l>„Lebewohl!“ der Auferwachten.</l><lb/> </lg> <lg n="18"> <l>Zu Graf Angouleme nun ſpricht er:</l><lb/> <l>„Eurem Schutz ſey ſie befohlen;</l><lb/> <l>„Ehret ſie, wie es der Freundin</l><lb/> <l>„Ziemen mag Johanns von Polen!</l><lb/> </lg> <lg n="19"> <l>„Meines Lebens kuͤhne Rettung</l><lb/> <l>„Dank' ich dieſen zarten Haͤnden;</l><lb/> <l>„Und daß ich zur lieben Heimat</l><lb/> <l>„Wieder kann die Schritte wenden!“</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [264/0278]
Wie ſie ſo ihn hoͤret rufen,
Stuͤrzt ſie hin mit lautem Weinen,
Und ohnmaͤchtig liegt das Maͤdchen
Auf der Treppe Marmorſteinen.
Feſtgedruͤckt an ſeinen Buſen,
Haͤlt Johannes ſie umfangen,
Mit unendlich ſuͤßer Wehmuth
Kuͤßt er ihre bleichen Wangen.
Lange noch auf ihrem Antlitz
Ruht ſein ſeliges Betrachten,
Und es zittert ſeine Stimme:
„Lebewohl!“ der Auferwachten.
Zu Graf Angouleme nun ſpricht er:
„Eurem Schutz ſey ſie befohlen;
„Ehret ſie, wie es der Freundin
„Ziemen mag Johanns von Polen!
„Meines Lebens kuͤhne Rettung
„Dank' ich dieſen zarten Haͤnden;
„Und daß ich zur lieben Heimat
„Wieder kann die Schritte wenden!“
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Zitationshilfe: | Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/278>, abgerufen am 28.07.2024. |