Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.Hörst du die Wildgans in den Lüften schnattern? Das kündet Frost, mein Freund, und trübe Zeit! -- Schon wieder gaukelt da die böse Sippe Von Nachtgestalten der Vergangenheit; Nun mag ich flieh'n durch Gräser und Gestrüppe, Sie folgt mir stets, sie spottet stets mir nach: "Du Thor, mit deinem fabelhaften Sehnen! "Hast du's noch nicht ersäuft in deinen Thränen?" Und alle meine Wunden werden wach. Wie Buben einen Narren durch die Straßen Nicht ungeneckt hingeh'n und träumen lassen, So folgt es höhnend mir durch diese Heide, Und läßt nicht rasten mich von meinem Leide. Hoͤrſt du die Wildgans in den Luͤften ſchnattern? Das kuͤndet Froſt, mein Freund, und truͤbe Zeit! — Schon wieder gaukelt da die boͤſe Sippe Von Nachtgeſtalten der Vergangenheit; Nun mag ich flieh'n durch Graͤſer und Geſtruͤppe, Sie folgt mir ſtets, ſie ſpottet ſtets mir nach: „Du Thor, mit deinem fabelhaften Sehnen! „Haſt du's noch nicht erſaͤuft in deinen Thraͤnen?“ Und alle meine Wunden werden wach. Wie Buben einen Narren durch die Straßen Nicht ungeneckt hingeh'n und traͤumen laſſen, So folgt es hoͤhnend mir durch dieſe Heide, Und laͤßt nicht raſten mich von meinem Leide. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0210" n="196"/> <l>Hoͤrſt du die Wildgans in den Luͤften ſchnattern?</l><lb/> <l>Das kuͤndet Froſt, mein Freund, und truͤbe Zeit! —</l><lb/> <l>Schon wieder gaukelt da die boͤſe Sippe</l><lb/> <l>Von Nachtgeſtalten der Vergangenheit;</l><lb/> <l>Nun mag ich flieh'n durch Graͤſer und Geſtruͤppe,</l><lb/> <l>Sie folgt mir ſtets, ſie ſpottet ſtets mir nach:</l><lb/> <l>„Du Thor, mit deinem fabelhaften Sehnen!</l><lb/> <l>„Haſt du's noch nicht erſaͤuft in deinen Thraͤnen?“</l><lb/> <l>Und alle meine Wunden werden wach.</l><lb/> <l>Wie Buben einen Narren durch die Straßen</l><lb/> <l>Nicht ungeneckt hingeh'n und traͤumen laſſen,</l><lb/> <l>So folgt es hoͤhnend mir durch dieſe Heide,</l><lb/> <l>Und laͤßt nicht raſten mich von meinem Leide.</l><lb/> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [196/0210]
Hoͤrſt du die Wildgans in den Luͤften ſchnattern?
Das kuͤndet Froſt, mein Freund, und truͤbe Zeit! —
Schon wieder gaukelt da die boͤſe Sippe
Von Nachtgeſtalten der Vergangenheit;
Nun mag ich flieh'n durch Graͤſer und Geſtruͤppe,
Sie folgt mir ſtets, ſie ſpottet ſtets mir nach:
„Du Thor, mit deinem fabelhaften Sehnen!
„Haſt du's noch nicht erſaͤuft in deinen Thraͤnen?“
Und alle meine Wunden werden wach.
Wie Buben einen Narren durch die Straßen
Nicht ungeneckt hingeh'n und traͤumen laſſen,
So folgt es hoͤhnend mir durch dieſe Heide,
Und laͤßt nicht raſten mich von meinem Leide.
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Zitationshilfe: | Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/210>, abgerufen am 22.07.2024. |