Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
Mitleidig rauscht ihr ihm, -- o rauschet nur! --
Den Trost: "Vergänglichkeit!" ihr welken Blätter!
O locket seine Seele auf die Spur
Des milden Todes, nennt ihm seinen Retter! --
Zur sanften Wehmuth lichtet sich das Thal,
Dort kommt der Mond zum stillen Abschiedsfeste,
Es will sein Silberschimmer noch einmal
Sich schmiegen an des Sommers karge Reste.
Wie schwach ist schon der Eiche fahles Laub!
Den leichten Mondstrahl kann es nicht mehr tragen;
Es bricht und zittert unter ihm in Staub,
Und läßt die kahlen Aeste traurig ragen. --
Da steht der Irre, bleich und stumm, den Blick,
Das bittre Lächeln auf den Mond gerichtet,
Es prallt das Mondlicht scheu von ihm zurück,
Und scheu der Wind an ihm vorüberflüchtet.
Starrt so des Wahnsinns Auge wild hinauf
Zum stillen, klaren, ewiggleichen Frieden,
Mit dem die Sterne wandeln ihren Lauf:
Ein Anblick ist's der traurigsten hienieden. --
Mitleidig rauſcht ihr ihm, — o rauſchet nur! —
Den Troſt: „Vergaͤnglichkeit!“ ihr welken Blaͤtter!
O locket ſeine Seele auf die Spur
Des milden Todes, nennt ihm ſeinen Retter! —
Zur ſanften Wehmuth lichtet ſich das Thal,
Dort kommt der Mond zum ſtillen Abſchiedsfeſte,
Es will ſein Silberſchimmer noch einmal
Sich ſchmiegen an des Sommers karge Reſte.
Wie ſchwach iſt ſchon der Eiche fahles Laub!
Den leichten Mondſtrahl kann es nicht mehr tragen;
Es bricht und zittert unter ihm in Staub,
Und laͤßt die kahlen Aeſte traurig ragen. —
Da ſteht der Irre, bleich und ſtumm, den Blick,
Das bittre Laͤcheln auf den Mond gerichtet,
Es prallt das Mondlicht ſcheu von ihm zuruͤck,
Und ſcheu der Wind an ihm voruͤberfluͤchtet.
Starrt ſo des Wahnſinns Auge wild hinauf
Zum ſtillen, klaren, ewiggleichen Frieden,
Mit dem die Sterne wandeln ihren Lauf:
Ein Anblick iſt's der traurigſten hienieden. —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0195" n="181"/>
              <lg n="5">
                <l>Mitleidig rau&#x017F;cht ihr ihm, &#x2014; o rau&#x017F;chet nur! &#x2014;</l><lb/>
                <l>Den Tro&#x017F;t: &#x201E;Verga&#x0364;nglichkeit!&#x201C; ihr welken Bla&#x0364;tter!</l><lb/>
                <l>O locket &#x017F;eine Seele auf die Spur</l><lb/>
                <l>Des milden Todes, nennt ihm &#x017F;einen Retter! &#x2014;</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="6">
                <l>Zur &#x017F;anften Wehmuth lichtet &#x017F;ich das Thal,</l><lb/>
                <l>Dort kommt der Mond zum &#x017F;tillen Ab&#x017F;chiedsfe&#x017F;te,</l><lb/>
                <l>Es will &#x017F;ein Silber&#x017F;chimmer noch einmal</l><lb/>
                <l>Sich &#x017F;chmiegen an des Sommers karge Re&#x017F;te.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="7">
                <l>Wie &#x017F;chwach i&#x017F;t &#x017F;chon der Eiche fahles Laub!</l><lb/>
                <l>Den leichten Mond&#x017F;trahl kann es nicht mehr tragen;</l><lb/>
                <l>Es bricht und zittert unter ihm in Staub,</l><lb/>
                <l>Und la&#x0364;ßt die kahlen Ae&#x017F;te traurig ragen. &#x2014;</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="8">
                <l>Da &#x017F;teht der Irre, bleich und &#x017F;tumm, den Blick,</l><lb/>
                <l>Das bittre La&#x0364;cheln auf den Mond gerichtet,</l><lb/>
                <l>Es prallt das Mondlicht &#x017F;cheu von ihm zuru&#x0364;ck,</l><lb/>
                <l>Und &#x017F;cheu der Wind an ihm voru&#x0364;berflu&#x0364;chtet.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="9">
                <l>Starrt &#x017F;o des Wahn&#x017F;inns Auge wild hinauf</l><lb/>
                <l>Zum &#x017F;tillen, klaren, ewiggleichen Frieden,</l><lb/>
                <l>Mit dem die Sterne wandeln ihren Lauf:</l><lb/>
                <l>Ein Anblick i&#x017F;t's der traurig&#x017F;ten hienieden. &#x2014;</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0195] Mitleidig rauſcht ihr ihm, — o rauſchet nur! — Den Troſt: „Vergaͤnglichkeit!“ ihr welken Blaͤtter! O locket ſeine Seele auf die Spur Des milden Todes, nennt ihm ſeinen Retter! — Zur ſanften Wehmuth lichtet ſich das Thal, Dort kommt der Mond zum ſtillen Abſchiedsfeſte, Es will ſein Silberſchimmer noch einmal Sich ſchmiegen an des Sommers karge Reſte. Wie ſchwach iſt ſchon der Eiche fahles Laub! Den leichten Mondſtrahl kann es nicht mehr tragen; Es bricht und zittert unter ihm in Staub, Und laͤßt die kahlen Aeſte traurig ragen. — Da ſteht der Irre, bleich und ſtumm, den Blick, Das bittre Laͤcheln auf den Mond gerichtet, Es prallt das Mondlicht ſcheu von ihm zuruͤck, Und ſcheu der Wind an ihm voruͤberfluͤchtet. Starrt ſo des Wahnſinns Auge wild hinauf Zum ſtillen, klaren, ewiggleichen Frieden, Mit dem die Sterne wandeln ihren Lauf: Ein Anblick iſt's der traurigſten hienieden. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/195
Zitationshilfe: Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/195>, abgerufen am 23.11.2024.