Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.An die Melancholie. Du geleitest mich durch's Leben, Sinnende Melancholie! Mag mein Stern sich strahlend heben, Mag er sinken -- weichest nie! Führst mich oft in Felsenklüfte, Wo der Adler einsam haust, Tannen ragen in die Lüfte, Und der Waldstrom donnernd braust. Meiner Todten dann gedenk' ich, Wild hervor die Thräne bricht, Und an deinen Busen senk' ich Mein umnachtet Angesicht. An die Melancholie. Du geleiteſt mich durch's Leben, Sinnende Melancholie! Mag mein Stern ſich ſtrahlend heben, Mag er ſinken — weicheſt nie! Fuͤhrſt mich oft in Felſenkluͤfte, Wo der Adler einſam haust, Tannen ragen in die Luͤfte, Und der Waldſtrom donnernd braust. Meiner Todten dann gedenk' ich, Wild hervor die Thraͤne bricht, Und an deinen Buſen ſenk' ich Mein umnachtet Angeſicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0120" n="106"/> </div> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">An die Melancholie.</hi><lb/> </head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">D</hi>u geleiteſt mich durch's Leben,</l><lb/> <l>Sinnende Melancholie!</l><lb/> <l>Mag mein Stern ſich ſtrahlend heben,</l><lb/> <l>Mag er ſinken — weicheſt nie!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Fuͤhrſt mich oft in Felſenkluͤfte,</l><lb/> <l>Wo der Adler einſam haust,</l><lb/> <l>Tannen ragen in die Luͤfte,</l><lb/> <l>Und der Waldſtrom donnernd braust.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Meiner Todten dann gedenk' ich,</l><lb/> <l>Wild hervor die Thraͤne bricht,</l><lb/> <l>Und an deinen Buſen ſenk' ich</l><lb/> <l>Mein umnachtet Angeſicht.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0120]
An die Melancholie.
Du geleiteſt mich durch's Leben,
Sinnende Melancholie!
Mag mein Stern ſich ſtrahlend heben,
Mag er ſinken — weicheſt nie!
Fuͤhrſt mich oft in Felſenkluͤfte,
Wo der Adler einſam haust,
Tannen ragen in die Luͤfte,
Und der Waldſtrom donnernd braust.
Meiner Todten dann gedenk' ich,
Wild hervor die Thraͤne bricht,
Und an deinen Buſen ſenk' ich
Mein umnachtet Angeſicht.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/120 |
Zitationshilfe: | Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/120>, abgerufen am 16.02.2025. |