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Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721.

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[Beginn Spaltensatz] Zeit noch Mühe, achten weder Schlaf noch Geld. Bis endlich ein ziemlich Theil unter ihnen, nachdem sie die beste Zeit ihres Lebens bey solcher Arbeit hingebracht, Verstand, Gesundheit und den Beutel dermassen erschöpfet und geleeret, daß sie darüber in Schwermuth, die dem Aberwitz nicht viel ungleich, oder in andere gantz unheilbare Kranckheiten, und an den Bettelstab gerathen.

Dem ungeachtet, und ob es schon den Alchymisten schlecht gelungen, unterlassen doch noch täglich ihrer viele nicht sich unter das Fähnlein der Alchymia zu verfügen. Dann die Hoffnung, damit man ihnen schmeichelt, man wolle ihnen das Mittel Gold zu machen verschaffen, nimmt ihnen den Verstand solcher massen ein, daß sie nicht tüchtig sind an etwas ernstliches und anderes zu dencken, als nur auf das, was ihr so grosses Werck angeht: sie stehen in den Gedancken, es könne kein Mensche auf der Welt vernünftiger urtheilen, als wie die Alchymisten: verständige Leute, denen ihre Meinung nicht anstehen wollen, halten sie für Thoren: sie aber selbst legen sich den Titel der rechten und vortrefflichsten Philosophen und Weisen zu. Wann sie reden, so sprechen sie stets eine Sylbe nach der andern aus. Wollen sie sich deutlich über etwas heraus lassen, so geschiehet solches durch solche dunckle Redensarten und hohe Worte, daß sie selbst nicht verstehen, was sie wollen. Schreiben sie etwas, so soll mans nicht verstehen. Arbeiten sie, so geschiehet es mit der grösten Heimlichkeit, indem sie allen denenjenigen Dingen, die sie dazu gebrauchen, gantz sonderliche und unverständliche Namen zu geben pflegen. Das Gold muß immerfort bey ihnen Sol, die Sonne heissen das Silber, Luna, oder Mond, das Zinn Jupiter, das Bley Saturnus, der Salmiac solarisches und mercurialisches Saltz der Weisen, der Salpeter Cerberus, oder höllisches Saltz, der Salpeterspiritus das Blut des Salamanders, das Antimonium der Wolff oder die Wurtzel der Metallen oder der Proteus, und so fortan. Alle ihre Arbeiten sind philosophisch, ja selbst die Ziegel, davon sie ihre Oefen bauen, sind solcher Qualitäten theilhaftig. Im übrigen vermeinen diese lieben Herren, sie wären gar viel besser als andere Leute, und bey ihnen lägen die kostbaresten Schätze der Natur verwahret. Alles wissen sie zu ihrem Vortheil auszulegen, auch nach ihren Gedancken, und lassen sich das heilige Volck, die auserwehlten schelten. Ihrer Meinung nach ist König Salomon den Alchymisten wol nicht feind gewesen, dieweil zu seiner Zeit das Gold so gar gemeine war. Der Geist GOttes, der auf dem Wasser schwebete, wie dessen in der Schrifft erwähnet wird, muß der Spiritus universalis seyn, daraus das Gold wird. Ich möchte wohl dergleichen artliche und wenig gescheidere penseen, die sie haben, mehr beybringen, muß aber dabey fürchten, der Leser möchte nur verdrießlich drüber werden.

Die eintzige Absicht und Zweck, darnach die Alchymisten trachten, ist wie gedacht, der Samen des Goldes und wie derselbige zu überkommen. Viele unter ihnen rühmen sich, daß sie es so weit gebracht, und daß sie ihn wahrhaftig auch besässen: und das heist bey ihnen Pulvis projectionis. Welchem Pulver sie die Kraft, alle und iede Metalle in Gold zu [Spaltenumbruch] verwandeln, zuschreiben. Allein es fehlet immer an der Probe, und die sie bey allerhand Gelegenheit anstellen wollen, sind anders nichts als Taschenspieler-Streiche gewesen, dadurch sie den Leuten die Augen geblendet, und manchen zu Unkosten und unnöthiger Arbeit verleitet.

Es ist ja leichtlich zu ermessen, daß in den Metallen kein Samen nicht sey anzutreffen, dieweil es mit ihrem Wachsthum nicht so, wie bey den Gewachsen pfleget herzugehn. Es geschiehet solches vielmehr durch eine Gerinnung, vermittelst eines und des andern gesaltzenen Wassers und schweflichter Erden in den Gruben, welches die darinne arbeiten, nur zu wohl verstehen lernen.

Die Alchymisten sprechen, der Samen des Goldes sey ein Mercurius, den sie aus den Metallen gezogen: allein, es ist noch die Frage, ob dann ein Mercurius möge aus den Metallen gezogen werden; und hernach nicht wohl erweißlich, daß derselbige, wann anderst einer daraus zu bekommen, des Goldes Samen sey.

Sie sagen weiter, der Samen des Goldes ist überall, und in dem Spiritu universali überflüßig: da nun der Thau, die Manna, der Honig, und viel andere dergleichen Dinge mehr, gantz voll solches Geistes wäre, dahero könte man den Goldsamen daraus ziehen. Das gestehet man ihnen wohl gantz gerne zu, daß der Spiritus universalis zur Hervorbringung des Goldes helffen müsse, gleichwie er auch die übrigen vermischten Dinge hilfft zu wege bringen: solches aber geschiehet vermittelst des acidi und sauern, welches er enthält, und nicht vermittelst eines Samens, man müste dann erwähntem acido den Namen eines Samens beylegen wollen; und da hätte man eben so wenig Recht zu glauben, daß der Spiritus universalis so gar voll Goldsamen sticken solte, so wenig man zu glauben Ursach hat, daß er den Samen von dem allergröbesten Metalle, oder von dem allerunnützlichsten Gewächse, oder von dem allerverächtlichsten Thiere führen solte.

Obgleich alle die alten Autores das Gold, als eine gantz sonderliche Hertzstärckung gehalten und verordnet haben: so können wir dannoch an demselbigen keine solche Kraft bemercken. Die Erfahrung bezeuget vielmehr, wie daß es in eben dem Gewichte und als wie man es hat eingenommen, durch den Stuhl wiederum weggehe, dieweil es viel zu harte ist und von der schwachen Säure in dem Leibe unmöglich kan durchgangen und verdauet werden. Denenjenigen aber ist es gut, die zuviel Quecksilber haben in den Leib bekommen; dann da amalgamiret und vermischet es sich mit ihm, und figiret ihn dergestalt, daß er nicht mehr thun kan, wie vorhin: hernach gehet dieses Gemenge, entweder mit dem Urine, oder mit dem Stuhlgang fort. So dienet es auch den Bley- und Zinngiessern, auch für die Glaser, wider ihre Colica, welche sie sich durch den Bleydampf zugezogen haben.

Der Mercurius hänget sich dermassen leichtlich an das Gold, daß wann iemand, der mit dem Quecksilber zum saliviren ist bewogen worden, einige Stücken Gold in den Mund nimmt, sie gemeiniglich in kurtzer Zeit gantz weiß werden, ohnerachtet sie niemand angerühret. Dieses Quecksilber [Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Zeit noch Mühe, achten weder Schlaf noch Geld. Bis endlich ein ziemlich Theil unter ihnen, nachdem sie die beste Zeit ihres Lebens bey solcher Arbeit hingebracht, Verstand, Gesundheit und den Beutel dermassen erschöpfet und geleeret, daß sie darüber in Schwermuth, die dem Aberwitz nicht viel ungleich, oder in andere gantz unheilbare Kranckheiten, und an den Bettelstab gerathen.

Dem ungeachtet, und ob es schon den Alchymisten schlecht gelungen, unterlassen doch noch täglich ihrer viele nicht sich unter das Fähnlein der Alchymia zu verfügen. Dann die Hoffnung, damit man ihnen schmeichelt, man wolle ihnen das Mittel Gold zu machen verschaffen, nimmt ihnen den Verstand solcher massen ein, daß sie nicht tüchtig sind an etwas ernstliches und anderes zu dencken, als nur auf das, was ihr so grosses Werck angeht: sie stehen in den Gedancken, es könne kein Mensche auf der Welt vernünftiger urtheilen, als wie die Alchymisten: verständige Leute, denen ihre Meinung nicht anstehen wollen, halten sie für Thoren: sie aber selbst legen sich den Titel der rechten und vortrefflichsten Philosophen und Weisen zu. Wann sie reden, so sprechen sie stets eine Sylbe nach der andern aus. Wollen sie sich deutlich über etwas heraus lassen, so geschiehet solches durch solche dunckle Redensarten und hohe Worte, daß sie selbst nicht verstehen, was sie wollen. Schreiben sie etwas, so soll mans nicht verstehen. Arbeiten sie, so geschiehet es mit der grösten Heimlichkeit, indem sie allen denenjenigen Dingen, die sie dazu gebrauchen, gantz sonderliche und unverständliche Namen zu geben pflegen. Das Gold muß immerfort bey ihnen Sol, die Sonne heissen das Silber, Luna, oder Mond, das Zinn Jupiter, das Bley Saturnus, der Salmiac solarisches und mercurialisches Saltz der Weisen, der Salpeter Cerberus, oder höllisches Saltz, der Salpeterspiritus das Blut des Salamanders, das Antimonium der Wolff oder die Wurtzel der Metallen oder der Proteus, und so fortan. Alle ihre Arbeiten sind philosophisch, ja selbst die Ziegel, davon sie ihre Oefen bauen, sind solcher Qualitäten theilhaftig. Im übrigen vermeinen diese lieben Herren, sie wären gar viel besser als andere Leute, und bey ihnen lägen die kostbaresten Schätze der Natur verwahret. Alles wissen sie zu ihrem Vortheil auszulegen, auch nach ihren Gedancken, und lassen sich das heilige Volck, die auserwehlten schelten. Ihrer Meinung nach ist König Salomon den Alchymisten wol nicht feind gewesen, dieweil zu seiner Zeit das Gold so gar gemeine war. Der Geist GOttes, der auf dem Wasser schwebete, wie dessen in der Schrifft erwähnet wird, muß der Spiritus universalis seyn, daraus das Gold wird. Ich möchte wohl dergleichen artliche und wenig gescheidere penséen, die sie haben, mehr beybringen, muß aber dabey fürchten, der Leser möchte nur verdrießlich drüber werden.

Die eintzige Absicht und Zweck, darnach die Alchymisten trachten, ist wie gedacht, der Samen des Goldes und wie derselbige zu überkommen. Viele unter ihnen rühmen sich, daß sie es so weit gebracht, und daß sie ihn wahrhaftig auch besässen: und das heist bey ihnen Pulvis projectionis. Welchem Pulver sie die Kraft, alle und iede Metalle in Gold zu [Spaltenumbruch] verwandeln, zuschreiben. Allein es fehlet immer an der Probe, und die sie bey allerhand Gelegenheit anstellen wollen, sind anders nichts als Taschenspieler-Streiche gewesen, dadurch sie den Leuten die Augen geblendet, und manchen zu Unkosten und unnöthiger Arbeit verleitet.

Es ist ja leichtlich zu ermessen, daß in den Metallen kein Samen nicht sey anzutreffen, dieweil es mit ihrem Wachsthum nicht so, wie bey den Gewachsen pfleget herzugehn. Es geschiehet solches vielmehr durch eine Gerinnung, vermittelst eines und des andern gesaltzenen Wassers und schweflichter Erden in den Gruben, welches die darinne arbeiten, nur zu wohl verstehen lernen.

Die Alchymisten sprechen, der Samen des Goldes sey ein Mercurius, den sie aus den Metallen gezogen: allein, es ist noch die Frage, ob dann ein Mercurius möge aus den Metallen gezogen werden; und hernach nicht wohl erweißlich, daß derselbige, wann anderst einer daraus zu bekommen, des Goldes Samen sey.

Sie sagen weiter, der Samen des Goldes ist überall, und in dem Spiritu universali überflüßig: da nun der Thau, die Manna, der Honig, und viel andere dergleichen Dinge mehr, gantz voll solches Geistes wäre, dahero könte man den Goldsamen daraus ziehen. Das gestehet man ihnen wohl gantz gerne zu, daß der Spiritus universalis zur Hervorbringung des Goldes helffen müsse, gleichwie er auch die übrigen vermischten Dinge hilfft zu wege bringen: solches aber geschiehet vermittelst des acidi und sauern, welches er enthält, und nicht vermittelst eines Samens, man müste dann erwähntem acido den Namen eines Samens beylegen wollen; und da hätte man eben so wenig Recht zu glauben, daß der Spiritus universalis so gar voll Goldsamen sticken solte, so wenig man zu glauben Ursach hat, daß er den Samen von dem allergröbesten Metalle, oder von dem allerunnützlichsten Gewächse, oder von dem allerverächtlichsten Thiere führen solte.

Obgleich alle die alten Autores das Gold, als eine gantz sonderliche Hertzstärckung gehalten und verordnet haben: so können wir dannoch an demselbigen keine solche Kraft bemercken. Die Erfahrung bezeuget vielmehr, wie daß es in eben dem Gewichte und als wie man es hat eingenommen, durch den Stuhl wiederum weggehe, dieweil es viel zu harte ist und von der schwachen Säure in dem Leibe unmöglich kan durchgangen und verdauet werden. Denenjenigen aber ist es gut, die zuviel Quecksilber haben in den Leib bekommen; dann da amalgamiret und vermischet es sich mit ihm, und figiret ihn dergestalt, daß er nicht mehr thun kan, wie vorhin: hernach gehet dieses Gemenge, entweder mit dem Urine, oder mit dem Stuhlgang fort. So dienet es auch den Bley- und Zinngiessern, auch für die Glaser, wider ihre Colica, welche sie sich durch den Bleydampf zugezogen haben.

Der Mercurius hänget sich dermassen leichtlich an das Gold, daß wann iemand, der mit dem Quecksilber zum saliviren ist bewogen worden, einige Stücken Gold in den Mund nimmt, sie gemeiniglich in kurtzer Zeit gantz weiß werden, ohnerachtet sie niemand angerühret. Dieses Quecksilber [Ende Spaltensatz]

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Arbeiten sie, so geschiehet es mit der grösten Heimlichkeit, indem sie allen denenjenigen Dingen, die sie dazu gebrauchen, gantz sonderliche und unverständliche Namen zu geben pflegen. Das Gold muß immerfort bey ihnen Sol, die Sonne heissen das Silber, Luna, oder Mond, das Zinn Jupiter, das Bley Saturnus, der Salmiac solarisches und mercurialisches Saltz der Weisen, der Salpeter Cerberus, oder höllisches Saltz, der Salpeterspiritus das Blut des Salamanders, das Antimonium der Wolff oder die Wurtzel der Metallen oder der Proteus, und so fortan. Alle ihre Arbeiten sind philosophisch, ja selbst die Ziegel, davon sie ihre Oefen bauen, sind solcher Qualitäten theilhaftig. Im übrigen vermeinen diese lieben Herren, sie wären gar viel besser als andere Leute, und bey ihnen lägen die kostbaresten Schätze der Natur verwahret. Alles wissen sie zu ihrem Vortheil auszulegen, auch nach ihren Gedancken, und lassen sich das heilige Volck, die auserwehlten schelten. Ihrer Meinung nach ist König Salomon den Alchymisten wol nicht feind gewesen, dieweil zu seiner Zeit das Gold so gar gemeine war. Der Geist GOttes, der auf dem Wasser schwebete, wie dessen in der Schrifft erwähnet wird, muß der Spiritus universalis seyn, daraus das Gold wird. Ich möchte wohl dergleichen artliche und wenig gescheidere penséen, die sie haben, mehr beybringen, muß aber dabey fürchten, der Leser möchte nur verdrießlich drüber werden. Die eintzige Absicht und Zweck, darnach die Alchymisten trachten, ist wie gedacht, der Samen des Goldes und wie derselbige zu überkommen. Viele unter ihnen rühmen sich, daß sie es so weit gebracht, und daß sie ihn wahrhaftig auch besässen: und das heist bey ihnen Pulvis projectionis. Welchem Pulver sie die Kraft, alle und iede Metalle in Gold zu verwandeln, zuschreiben. Allein es fehlet immer an der Probe, und die sie bey allerhand Gelegenheit anstellen wollen, sind anders nichts als Taschenspieler-Streiche gewesen, dadurch sie den Leuten die Augen geblendet, und manchen zu Unkosten und unnöthiger Arbeit verleitet. Es ist ja leichtlich zu ermessen, daß in den Metallen kein Samen nicht sey anzutreffen, dieweil es mit ihrem Wachsthum nicht so, wie bey den Gewachsen pfleget herzugehn. Es geschiehet solches vielmehr durch eine Gerinnung, vermittelst eines und des andern gesaltzenen Wassers und schweflichter Erden in den Gruben, welches die darinne arbeiten, nur zu wohl verstehen lernen. Die Alchymisten sprechen, der Samen des Goldes sey ein Mercurius, den sie aus den Metallen gezogen: allein, es ist noch die Frage, ob dann ein Mercurius möge aus den Metallen gezogen werden; und hernach nicht wohl erweißlich, daß derselbige, wann anderst einer daraus zu bekommen, des Goldes Samen sey. Sie sagen weiter, der Samen des Goldes ist überall, und in dem Spiritu universali überflüßig: da nun der Thau, die Manna, der Honig, und viel andere dergleichen Dinge mehr, gantz voll solches Geistes wäre, dahero könte man den Goldsamen daraus ziehen. Das gestehet man ihnen wohl gantz gerne zu, daß der Spiritus universalis zur Hervorbringung des Goldes helffen müsse, gleichwie er auch die übrigen vermischten Dinge hilfft zu wege bringen: solches aber geschiehet vermittelst des acidi und sauern, welches er enthält, und nicht vermittelst eines Samens, man müste dann erwähntem acido den Namen eines Samens beylegen wollen; und da hätte man eben so wenig Recht zu glauben, daß der Spiritus universalis so gar voll Goldsamen sticken solte, so wenig man zu glauben Ursach hat, daß er den Samen von dem allergröbesten Metalle, oder von dem allerunnützlichsten Gewächse, oder von dem allerverächtlichsten Thiere führen solte. Obgleich alle die alten Autores das Gold, als eine gantz sonderliche Hertzstärckung gehalten und verordnet haben: so können wir dannoch an demselbigen keine solche Kraft bemercken. Die Erfahrung bezeuget vielmehr, wie daß es in eben dem Gewichte und als wie man es hat eingenommen, durch den Stuhl wiederum weggehe, dieweil es viel zu harte ist und von der schwachen Säure in dem Leibe unmöglich kan durchgangen und verdauet werden. Denenjenigen aber ist es gut, die zuviel Quecksilber haben in den Leib bekommen; dann da amalgamiret und vermischet es sich mit ihm, und figiret ihn dergestalt, daß er nicht mehr thun kan, wie vorhin: hernach gehet dieses Gemenge, entweder mit dem Urine, oder mit dem Stuhlgang fort. So dienet es auch den Bley- und Zinngiessern, auch für die Glaser, wider ihre Colica, welche sie sich durch den Bleydampf zugezogen haben. Der Mercurius hänget sich dermassen leichtlich an das Gold, daß wann iemand, der mit dem Quecksilber zum saliviren ist bewogen worden, einige Stücken Gold in den Mund nimmt, sie gemeiniglich in kurtzer Zeit gantz weiß werden, ohnerachtet sie niemand angerühret. Dieses Quecksilber

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Zitationshilfe: Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/88>, abgerufen am 24.11.2024.