Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] auf dem Lande herum kriechen, dazu auch starck genug und überdiß schwer sind, so können sie unmöglich in das Netz und in die Löcher fallen, es können sie die Spinnen auch nicht hinein tragen. Dahero dauchte mir, spricht er, daß keine Nahrung für sie übrig wäre, davon ich grössern Nutzen mir versprechen dürffte: und die Erfahrung betrog mich auch nicht; dann, da ich unterschiedene grosse Spinnen, von allerhand Art, welche den Winter überlebet; indem es ihrer giebet, die mehr als ein Jahr lebend bleiben; in Schachteln eingesperret, habe ich ihnen Stücken von dergleichen Würmern gegeben, und dieselbigen durch dieses Mittel lebendig erhalten.

Hernach, fährt der Herr de Reaumur fort, versuchte ich es mit allerhand Speisen, um zu sehen, ob dann dieselbigen nicht ebenfalls zu ihrer Nahrung dienen möchten, jedoch sehe ich nicht, daß sie auf selbige gefallen; vielleicht darum, weil die von Natur grimmige Spinnen durch lebendige Thiere gereitzet werden müssen.

Indessen geriethe ich auf eine andere Nahrung, welche allem Vermuthen nach eben solchen Vortheil schaffen könte, dieweil sie denen Spinnen gar wohl schmecket. Dann die kleinen Spinnen, welche nur aus ihren Schalen kriechen, ziehen sie der andern allen vor. Und ich bediente mich derselben nur darum, weil mit bedunckte, es wäre eine ziemlich grosse Gleichheit zwischen ihr und dem zart- und weichen Fleische des Geschmeisses, das die Spinnen auszusaugen pflegen. Es bestehet diese Nahrung in dem weichen Wesen, mit dem die Federn an den jungen Vögeln, ehe dann sie ausgewachsen haben, angefüllet sind: dann Zweiffels ohne wird man wol in Acht genommen haben, wann man dergleichen junge Federn ausraufft, wie daß dieselbigen an ihrem Ende blutig sind, und daß der Kiel alsdann noch gantz weich ist. Wer sich nun hat die Mühe nehmen wollen, und hat dergleichen Röhrlein gedruckt oder zerschnitten, der wird befunden haben, daß es mit solchem zarten Wesen und einer grossen Menge Aederlein erfüllet sey gewesen, daraus das Blut geflossen, wann er es zerschnitten hat. Nachdem ich nun solche Federn alten und jungen Tauben ausgerauffet, zerschnitte ich dieselben in kleine Stücklein, etwan einer halben oder einer gantzen Linie lang, und gab sie meinen Spinnen, die sich dabey gar wohl befanden. Absonderlich mochten die jungen Spinnen, welche ich in ihren Schalen aufgehalten hatte, und die nur kürtzlich ausgekrochen waren, dieselbige noch mehr als keine andre Nahrung, und sahe ich, daß unterweilen ihrer fünff und sechs auf einem solchen Stücklein sassen, und nach Belieben, wo es abgeschnitten ware, daran saugten.

Bishieher, fährt der Herr Reaumur weiter fort, gieng alles mit den Spinnen, wie es schiene, gar wol fort; und dieses ist die schlechte Nahrung dererselben, darum es nur allein zu thun. Vielleicht findet sich noch eine und die andere, die eben also gut und dienlich möchte für sie seyn, selbst unter dem Gewürme: indessen kan man sich der erstern bedienen, die eben also leicht zu finden ist, als wie die Maulbeerblätter, die man den Seidenwürmern vorzulegen pflegt. Allein, nunmehro wird sichs weisen, daß an der Rechnung viel abgeht, wann es darauf ankommt, daß man [Spaltenumbruch] soll eine solche Menge Spinnen auferziehen, die Seide gnug zu den Manufacturen kan verschaffen.

Alsbald die jungen Spinnen aus ihren Schalen herauskriechen, so scheinet es, als ob sie sich gar gut vertrügen; dann sie arbeiten um die Wette an einem Gewebe, und die einen ziehen neue Fäden über diejenigen, welche die andern allbereits verfertiget haben: allein diese Einigkeit währet nicht gar lange. Der Herr de Reaumur vertheilete in unterschiedene Schächtelgen vier bis fünff tausend Spinnen, welche er hatte auskriechen sehen. Diese Schächtelgen waren etwa so lang und breit als wie eine Karte, die man zum Spielen braucht. Weil er nun in Acht nahm, daß diese kleinen Thierlein an das Glas sich anlegten, damit die Schächtelgen bedecket waren, so machte er für jedes eine Oeffnung in das Glas, etwan einer Linie weit von einander, dadurch er ein Kartenblatt schieben kunte, das nach der Breite an das Schächtelgen bevestigt war: und durch dasselbige ward diese Oeffnung gantz genau verschlossen, daß keine Spinne heraus kriechen kunte: er strich auch auf dasselbige die Nahrung, die er für sie gut befunden: so hat er auch zur Vorsorge, eine ziemliche Anzahl Löcher in das Blatt gemacht, damit man in kurtzer Zeit sehr vielen Spinnen könte zu fressen geben. Die ersten Tage hindurch sahe man, wie sie mit allem Eyffer sich zu dieser Nahrung machten, und wie sich ihrer viel an ein Stöcklein von der Feder legten. Alleine, ihre wilde Art verriethe sich alsbald: die grössern kriegen Lust die kleinern zu verzehren, und so ofte als ich, spricht der Herr de Reaumur, nach ihnen sahe, wurde ich gewahr, daß eine kleine einer grössern war zum Raube worden: so daß mir, nach gar weniger Zeit, kaum eine oder zwey in einer Schachtel übrig waren. Die grossen Spinnen beissen sich wol auch, wenn sie zusammen kommen; alleine sie verzehren einander nicht sobald, als wie sie mit den kleinen thun; weil sie entweder nicht soviel Nahrung nöthig haben, oder aber, weil sie viel schwerer sind, und sich deshalben nicht so leicht bewegen können.

Allem Ansehen nach ist die Begierde einander aufzufressen, zum Theil in Schuld, daß man so wenig Spinnen siehet; da ihrer doch noch vielmehr solten seyn, wann man die übergrosse Anzahl Eyer, die sie legen, will betrachten.

Dannenhero schiene es, als ob zur Auferziehung dieser Spinnen nichts bessers übrig sey, als daß man sie besonders steckte. Da könte man nun z.E. solche Schachteln haben, die in ein Hauffen kleine Fächlein, als wie kleine Zellen abgetheilet wären: solte man aber einer jeden Spinne absonderlich zu fressen geben, so würde man solche Kosten darauf wenden müssen, die dem davon verhofften Profit und Nutzen wenig zu vergleichen. Endlich müste es noch wol angehen, wann man nicht auf gar weit bequemere Weise Seide von den Würmern haben könte.

Daß man die Spinnen muß nothwendig in andere Zellen sperren, verursacht eine andere Beschwerlichkeit, die den Vorzug, den sie, von wegen ihrer Fruchtbarkeit noch vor den Seidenwürmern möchten haben, nicht um ein schlechtes abermahl verringert. Dann, wolte man sich schon desselbigen bedienen, so müste einer eine grosse Menge Eyer aufbehalten können, die durchs begatten wären gut und fruchtsam worden: und dessentwegen müste man nothwendig, [Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] auf dem Lande herum kriechen, dazu auch starck genug und überdiß schwer sind, so können sie unmöglich in das Netz und in die Löcher fallen, es können sie die Spinnen auch nicht hinein tragen. Dahero dauchte mir, spricht er, daß keine Nahrung für sie übrig wäre, davon ich grössern Nutzen mir versprechen dürffte: und die Erfahrung betrog mich auch nicht; dann, da ich unterschiedene grosse Spinnen, von allerhand Art, welche den Winter überlebet; indem es ihrer giebet, die mehr als ein Jahr lebend bleiben; in Schachteln eingesperret, habe ich ihnen Stücken von dergleichen Würmern gegeben, und dieselbigen durch dieses Mittel lebendig erhalten.

Hernach, fährt der Herr de Reaumur fort, versuchte ich es mit allerhand Speisen, um zu sehen, ob dann dieselbigen nicht ebenfalls zu ihrer Nahrung dienen möchten, jedoch sehe ich nicht, daß sie auf selbige gefallen; vielleicht darum, weil die von Natur grimmige Spinnen durch lebendige Thiere gereitzet werden müssen.

Indessen geriethe ich auf eine andere Nahrung, welche allem Vermuthen nach eben solchen Vortheil schaffen könte, dieweil sie denen Spinnen gar wohl schmecket. Dann die kleinen Spinnen, welche nur aus ihren Schalen kriechen, ziehen sie der andern allen vor. Und ich bediente mich derselben nur darum, weil mit bedunckte, es wäre eine ziemlich grosse Gleichheit zwischen ihr und dem zart- und weichen Fleische des Geschmeisses, das die Spinnen auszusaugen pflegen. Es bestehet diese Nahrung in dem weichen Wesen, mit dem die Federn an den jungen Vögeln, ehe dann sie ausgewachsen haben, angefüllet sind: dann Zweiffels ohne wird man wol in Acht genommen haben, wann man dergleichen junge Federn ausraufft, wie daß dieselbigen an ihrem Ende blutig sind, und daß der Kiel alsdann noch gantz weich ist. Wer sich nun hat die Mühe nehmen wollen, und hat dergleichen Röhrlein gedruckt oder zerschnitten, der wird befunden haben, daß es mit solchem zarten Wesen und einer grossen Menge Aederlein erfüllet sey gewesen, daraus das Blut geflossen, wann er es zerschnitten hat. Nachdem ich nun solche Federn alten und jungen Tauben ausgerauffet, zerschnitte ich dieselben in kleine Stücklein, etwan einer halben oder einer gantzen Linie lang, und gab sie meinen Spinnen, die sich dabey gar wohl befanden. Absonderlich mochten die jungen Spinnen, welche ich in ihren Schalen aufgehalten hatte, und die nur kürtzlich ausgekrochen waren, dieselbige noch mehr als keine andre Nahrung, und sahe ich, daß unterweilen ihrer fünff und sechs auf einem solchen Stücklein sassen, und nach Belieben, wo es abgeschnitten ware, daran saugten.

Bishieher, fährt der Herr Reaumur weiter fort, gieng alles mit den Spinnen, wie es schiene, gar wol fort; und dieses ist die schlechte Nahrung dererselben, darum es nur allein zu thun. Vielleicht findet sich noch eine und die andere, die eben also gut und dienlich möchte für sie seyn, selbst unter dem Gewürme: indessen kan man sich der erstern bedienen, die eben also leicht zu finden ist, als wie die Maulbeerblätter, die man den Seidenwürmern vorzulegen pflegt. Allein, nunmehro wird sichs weisen, daß an der Rechnung viel abgeht, wann es darauf ankommt, daß man [Spaltenumbruch] soll eine solche Menge Spinnen auferziehen, die Seide gnug zu den Manufacturen kan verschaffen.

Alsbald die jungen Spinnen aus ihren Schalen herauskriechen, so scheinet es, als ob sie sich gar gut vertrügen; dann sie arbeiten um die Wette an einem Gewebe, und die einen ziehen neue Fäden über diejenigen, welche die andern allbereits verfertiget haben: allein diese Einigkeit währet nicht gar lange. Der Herr de Reaumur vertheilete in unterschiedene Schächtelgen vier bis fünff tausend Spinnen, welche er hatte auskriechen sehen. Diese Schächtelgen waren etwa so lang und breit als wie eine Karte, die man zum Spielen braucht. Weil er nun in Acht nahm, daß diese kleinen Thierlein an das Glas sich anlegten, damit die Schächtelgen bedecket waren, so machte er für jedes eine Oeffnung in das Glas, etwan einer Linie weit von einander, dadurch er ein Kartenblatt schieben kunte, das nach der Breite an das Schächtelgen bevestigt war: und durch dasselbige ward diese Oeffnung gantz genau verschlossen, daß keine Spinne heraus kriechen kunte: er strich auch auf dasselbige die Nahrung, die er für sie gut befunden: so hat er auch zur Vorsorge, eine ziemliche Anzahl Löcher in das Blatt gemacht, damit man in kurtzer Zeit sehr vielen Spinnen könte zu fressen geben. Die ersten Tage hindurch sahe man, wie sie mit allem Eyffer sich zu dieser Nahrung machten, und wie sich ihrer viel an ein Stöcklein von der Feder legten. Alleine, ihre wilde Art verriethe sich alsbald: die grössern kriegen Lust die kleinern zu verzehren, und so ofte als ich, spricht der Herr de Reaumur, nach ihnen sahe, wurde ich gewahr, daß eine kleine einer grössern war zum Raube worden: so daß mir, nach gar weniger Zeit, kaum eine oder zwey in einer Schachtel übrig waren. Die grossen Spinnen beissen sich wol auch, wenn sie zusammen kommen; alleine sie verzehren einander nicht sobald, als wie sie mit den kleinen thun; weil sie entweder nicht soviel Nahrung nöthig haben, oder aber, weil sie viel schwerer sind, und sich deshalben nicht so leicht bewegen können.

Allem Ansehen nach ist die Begierde einander aufzufressen, zum Theil in Schuld, daß man so wenig Spinnen siehet; da ihrer doch noch vielmehr solten seyn, wann man die übergrosse Anzahl Eyer, die sie legen, will betrachten.

Dannenhero schiene es, als ob zur Auferziehung dieser Spinnen nichts bessers übrig sey, als daß man sie besonders steckte. Da könte man nun z.E. solche Schachteln haben, die in ein Hauffen kleine Fächlein, als wie kleine Zellen abgetheilet wären: solte man aber einer jeden Spinne absonderlich zu fressen geben, so würde man solche Kosten darauf wenden müssen, die dem davon verhofften Profit und Nutzen wenig zu vergleichen. Endlich müste es noch wol angehen, wann man nicht auf gar weit bequemere Weise Seide von den Würmern haben könte.

Daß man die Spinnen muß nothwendig in andere Zellen sperren, verursacht eine andere Beschwerlichkeit, die den Vorzug, den sie, von wegen ihrer Fruchtbarkeit noch vor den Seidenwürmern möchten haben, nicht um ein schlechtes abermahl verringert. Dann, wolte man sich schon desselbigen bedienen, so müste einer eine grosse Menge Eyer aufbehalten können, die durchs begatten wären gut und fruchtsam worden: und dessentwegen müste man nothwendig, [Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div type="lexiconEntry">
          <p><pb facs="#f0063"/><cb type="start"/>
auf dem Lande herum kriechen, dazu auch starck genug und überdiß schwer sind, so können sie unmöglich in das Netz und in die Löcher fallen, es können sie die Spinnen auch nicht hinein tragen. Dahero dauchte mir, spricht er, daß keine Nahrung für sie übrig wäre, davon ich grössern Nutzen mir versprechen dürffte: und die Erfahrung betrog mich auch nicht; dann, da ich unterschiedene grosse Spinnen, von allerhand Art, welche den Winter überlebet; indem es ihrer giebet, die mehr als ein Jahr lebend bleiben; in Schachteln eingesperret, habe ich ihnen Stücken von dergleichen Würmern gegeben, und dieselbigen durch dieses Mittel lebendig erhalten.</p><lb/>
          <p>Hernach, fährt der Herr <hi rendition="#i">de Reaumur</hi> fort, versuchte ich es mit allerhand Speisen, um zu sehen, ob dann dieselbigen nicht ebenfalls zu ihrer Nahrung dienen möchten, jedoch sehe ich nicht, daß sie auf selbige gefallen; vielleicht darum, weil die von Natur grimmige Spinnen durch lebendige Thiere gereitzet werden müssen.</p><lb/>
          <p>Indessen geriethe ich auf eine andere Nahrung, welche allem Vermuthen nach eben solchen Vortheil schaffen könte, dieweil sie denen Spinnen gar wohl schmecket. Dann die kleinen Spinnen, welche nur aus ihren Schalen kriechen, ziehen sie der andern allen vor. Und ich bediente mich derselben nur darum, weil mit bedunckte, es wäre eine ziemlich grosse Gleichheit zwischen ihr und dem zart- und weichen Fleische des Geschmeisses, das die Spinnen auszusaugen pflegen. Es bestehet diese Nahrung in dem weichen Wesen, mit dem die Federn an den jungen Vögeln, ehe dann sie ausgewachsen haben, angefüllet sind: dann Zweiffels ohne wird man wol in Acht genommen haben, wann man dergleichen junge Federn ausraufft, wie daß dieselbigen an ihrem Ende blutig sind, und daß der Kiel alsdann noch gantz weich ist. Wer sich nun hat die Mühe nehmen wollen, und hat dergleichen Röhrlein gedruckt oder zerschnitten, der wird befunden haben, daß es mit solchem zarten Wesen und einer grossen Menge Aederlein erfüllet sey gewesen, daraus das Blut geflossen, wann er es zerschnitten hat. Nachdem ich nun solche Federn alten und jungen Tauben ausgerauffet, zerschnitte ich dieselben in kleine Stücklein, etwan einer halben oder einer gantzen Linie lang, und gab sie meinen Spinnen, die sich dabey gar wohl befanden. Absonderlich mochten die jungen Spinnen, welche ich in ihren Schalen aufgehalten hatte, und die nur kürtzlich ausgekrochen waren, dieselbige noch mehr als keine andre Nahrung, und sahe ich, daß unterweilen ihrer fünff und sechs auf einem solchen Stücklein sassen, und nach Belieben, wo es abgeschnitten ware, daran saugten.</p><lb/>
          <p>Bishieher, fährt der Herr <hi rendition="#i">Reaumur</hi> weiter fort, gieng alles mit den Spinnen, wie es schiene, gar wol fort; und dieses ist die schlechte Nahrung dererselben, darum es nur allein zu thun. Vielleicht findet sich noch eine und die andere, die eben also gut und dienlich möchte für sie seyn, selbst unter dem Gewürme: indessen kan man sich der erstern bedienen, die eben also leicht zu finden ist, als wie die Maulbeerblätter, die man den Seidenwürmern vorzulegen pflegt. Allein, nunmehro wird sichs weisen, daß an der Rechnung viel abgeht, wann es darauf ankommt, daß man <cb/>
soll eine solche Menge Spinnen auferziehen, die Seide gnug zu den Manufacturen kan verschaffen.</p><lb/>
          <p>Alsbald die jungen Spinnen aus ihren Schalen herauskriechen, so scheinet es, als ob sie sich gar gut vertrügen; dann sie arbeiten um die Wette an einem Gewebe, und die einen ziehen neue Fäden über diejenigen, welche die andern allbereits verfertiget haben: allein diese Einigkeit währet nicht gar lange. Der Herr <hi rendition="#i">de Reaumur</hi> vertheilete in unterschiedene Schächtelgen vier bis fünff tausend Spinnen, welche er hatte auskriechen sehen. Diese Schächtelgen waren etwa so lang und breit als wie eine Karte, die man zum Spielen braucht. Weil er nun in Acht nahm, daß diese kleinen Thierlein an das Glas sich anlegten, damit die Schächtelgen bedecket waren, so machte er für jedes eine Oeffnung in das Glas, etwan einer Linie weit von einander, dadurch er ein Kartenblatt schieben kunte, das nach der Breite an das Schächtelgen bevestigt war: und durch dasselbige ward diese Oeffnung gantz genau verschlossen, daß keine Spinne heraus kriechen kunte: er strich auch auf dasselbige die Nahrung, die er für sie gut befunden: so hat er auch zur Vorsorge, eine ziemliche Anzahl Löcher in das Blatt gemacht, damit man in kurtzer Zeit sehr vielen Spinnen könte zu fressen geben. Die ersten Tage hindurch sahe man, wie sie mit allem Eyffer sich zu dieser Nahrung machten, und wie sich ihrer viel an ein Stöcklein von der Feder legten. Alleine, ihre wilde Art verriethe sich alsbald: die grössern kriegen Lust die kleinern zu verzehren, und so ofte als ich, spricht der Herr <hi rendition="#i">de Reaumur,</hi> nach ihnen sahe, wurde ich gewahr, daß eine kleine einer grössern war zum Raube worden: so daß mir, nach gar weniger Zeit, kaum eine oder zwey in einer Schachtel übrig waren. Die grossen Spinnen beissen sich wol auch, wenn sie zusammen kommen; alleine sie verzehren einander nicht sobald, als wie sie mit den kleinen thun; weil sie entweder nicht soviel Nahrung nöthig haben, oder aber, weil sie viel schwerer sind, und sich deshalben nicht so leicht bewegen können.</p><lb/>
          <p>Allem Ansehen nach ist die Begierde einander aufzufressen, zum Theil in Schuld, daß man so wenig Spinnen siehet; da ihrer doch noch vielmehr solten seyn, wann man die übergrosse Anzahl Eyer, die sie legen, will betrachten.</p><lb/>
          <p>Dannenhero schiene es, als ob zur Auferziehung dieser Spinnen nichts bessers übrig sey, als daß man sie besonders steckte. Da könte man nun z.E. solche Schachteln haben, die in ein Hauffen kleine Fächlein, als wie kleine Zellen abgetheilet wären: solte man aber einer jeden Spinne absonderlich zu fressen geben, so würde man solche Kosten darauf wenden müssen, die dem davon verhofften Profit und Nutzen wenig zu vergleichen. Endlich müste es noch wol angehen, wann man nicht auf gar weit bequemere Weise Seide von den Würmern haben könte.</p><lb/>
          <p>Daß man die Spinnen muß nothwendig in andere Zellen sperren, verursacht eine andere Beschwerlichkeit, die den Vorzug, den sie, von wegen ihrer Fruchtbarkeit noch vor den Seidenwürmern möchten haben, nicht um ein schlechtes abermahl verringert. Dann, wolte man sich schon desselbigen bedienen, so müste einer eine grosse Menge Eyer aufbehalten können, die durchs begatten wären gut und fruchtsam worden: und dessentwegen müste man nothwendig, <cb type="end"/>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0063] auf dem Lande herum kriechen, dazu auch starck genug und überdiß schwer sind, so können sie unmöglich in das Netz und in die Löcher fallen, es können sie die Spinnen auch nicht hinein tragen. Dahero dauchte mir, spricht er, daß keine Nahrung für sie übrig wäre, davon ich grössern Nutzen mir versprechen dürffte: und die Erfahrung betrog mich auch nicht; dann, da ich unterschiedene grosse Spinnen, von allerhand Art, welche den Winter überlebet; indem es ihrer giebet, die mehr als ein Jahr lebend bleiben; in Schachteln eingesperret, habe ich ihnen Stücken von dergleichen Würmern gegeben, und dieselbigen durch dieses Mittel lebendig erhalten. Hernach, fährt der Herr de Reaumur fort, versuchte ich es mit allerhand Speisen, um zu sehen, ob dann dieselbigen nicht ebenfalls zu ihrer Nahrung dienen möchten, jedoch sehe ich nicht, daß sie auf selbige gefallen; vielleicht darum, weil die von Natur grimmige Spinnen durch lebendige Thiere gereitzet werden müssen. Indessen geriethe ich auf eine andere Nahrung, welche allem Vermuthen nach eben solchen Vortheil schaffen könte, dieweil sie denen Spinnen gar wohl schmecket. Dann die kleinen Spinnen, welche nur aus ihren Schalen kriechen, ziehen sie der andern allen vor. Und ich bediente mich derselben nur darum, weil mit bedunckte, es wäre eine ziemlich grosse Gleichheit zwischen ihr und dem zart- und weichen Fleische des Geschmeisses, das die Spinnen auszusaugen pflegen. Es bestehet diese Nahrung in dem weichen Wesen, mit dem die Federn an den jungen Vögeln, ehe dann sie ausgewachsen haben, angefüllet sind: dann Zweiffels ohne wird man wol in Acht genommen haben, wann man dergleichen junge Federn ausraufft, wie daß dieselbigen an ihrem Ende blutig sind, und daß der Kiel alsdann noch gantz weich ist. Wer sich nun hat die Mühe nehmen wollen, und hat dergleichen Röhrlein gedruckt oder zerschnitten, der wird befunden haben, daß es mit solchem zarten Wesen und einer grossen Menge Aederlein erfüllet sey gewesen, daraus das Blut geflossen, wann er es zerschnitten hat. Nachdem ich nun solche Federn alten und jungen Tauben ausgerauffet, zerschnitte ich dieselben in kleine Stücklein, etwan einer halben oder einer gantzen Linie lang, und gab sie meinen Spinnen, die sich dabey gar wohl befanden. Absonderlich mochten die jungen Spinnen, welche ich in ihren Schalen aufgehalten hatte, und die nur kürtzlich ausgekrochen waren, dieselbige noch mehr als keine andre Nahrung, und sahe ich, daß unterweilen ihrer fünff und sechs auf einem solchen Stücklein sassen, und nach Belieben, wo es abgeschnitten ware, daran saugten. Bishieher, fährt der Herr Reaumur weiter fort, gieng alles mit den Spinnen, wie es schiene, gar wol fort; und dieses ist die schlechte Nahrung dererselben, darum es nur allein zu thun. Vielleicht findet sich noch eine und die andere, die eben also gut und dienlich möchte für sie seyn, selbst unter dem Gewürme: indessen kan man sich der erstern bedienen, die eben also leicht zu finden ist, als wie die Maulbeerblätter, die man den Seidenwürmern vorzulegen pflegt. Allein, nunmehro wird sichs weisen, daß an der Rechnung viel abgeht, wann es darauf ankommt, daß man soll eine solche Menge Spinnen auferziehen, die Seide gnug zu den Manufacturen kan verschaffen. Alsbald die jungen Spinnen aus ihren Schalen herauskriechen, so scheinet es, als ob sie sich gar gut vertrügen; dann sie arbeiten um die Wette an einem Gewebe, und die einen ziehen neue Fäden über diejenigen, welche die andern allbereits verfertiget haben: allein diese Einigkeit währet nicht gar lange. Der Herr de Reaumur vertheilete in unterschiedene Schächtelgen vier bis fünff tausend Spinnen, welche er hatte auskriechen sehen. Diese Schächtelgen waren etwa so lang und breit als wie eine Karte, die man zum Spielen braucht. Weil er nun in Acht nahm, daß diese kleinen Thierlein an das Glas sich anlegten, damit die Schächtelgen bedecket waren, so machte er für jedes eine Oeffnung in das Glas, etwan einer Linie weit von einander, dadurch er ein Kartenblatt schieben kunte, das nach der Breite an das Schächtelgen bevestigt war: und durch dasselbige ward diese Oeffnung gantz genau verschlossen, daß keine Spinne heraus kriechen kunte: er strich auch auf dasselbige die Nahrung, die er für sie gut befunden: so hat er auch zur Vorsorge, eine ziemliche Anzahl Löcher in das Blatt gemacht, damit man in kurtzer Zeit sehr vielen Spinnen könte zu fressen geben. Die ersten Tage hindurch sahe man, wie sie mit allem Eyffer sich zu dieser Nahrung machten, und wie sich ihrer viel an ein Stöcklein von der Feder legten. Alleine, ihre wilde Art verriethe sich alsbald: die grössern kriegen Lust die kleinern zu verzehren, und so ofte als ich, spricht der Herr de Reaumur, nach ihnen sahe, wurde ich gewahr, daß eine kleine einer grössern war zum Raube worden: so daß mir, nach gar weniger Zeit, kaum eine oder zwey in einer Schachtel übrig waren. Die grossen Spinnen beissen sich wol auch, wenn sie zusammen kommen; alleine sie verzehren einander nicht sobald, als wie sie mit den kleinen thun; weil sie entweder nicht soviel Nahrung nöthig haben, oder aber, weil sie viel schwerer sind, und sich deshalben nicht so leicht bewegen können. Allem Ansehen nach ist die Begierde einander aufzufressen, zum Theil in Schuld, daß man so wenig Spinnen siehet; da ihrer doch noch vielmehr solten seyn, wann man die übergrosse Anzahl Eyer, die sie legen, will betrachten. Dannenhero schiene es, als ob zur Auferziehung dieser Spinnen nichts bessers übrig sey, als daß man sie besonders steckte. Da könte man nun z.E. solche Schachteln haben, die in ein Hauffen kleine Fächlein, als wie kleine Zellen abgetheilet wären: solte man aber einer jeden Spinne absonderlich zu fressen geben, so würde man solche Kosten darauf wenden müssen, die dem davon verhofften Profit und Nutzen wenig zu vergleichen. Endlich müste es noch wol angehen, wann man nicht auf gar weit bequemere Weise Seide von den Würmern haben könte. Daß man die Spinnen muß nothwendig in andere Zellen sperren, verursacht eine andere Beschwerlichkeit, die den Vorzug, den sie, von wegen ihrer Fruchtbarkeit noch vor den Seidenwürmern möchten haben, nicht um ein schlechtes abermahl verringert. Dann, wolte man sich schon desselbigen bedienen, so müste einer eine grosse Menge Eyer aufbehalten können, die durchs begatten wären gut und fruchtsam worden: und dessentwegen müste man nothwendig,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

TextGrid: Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-02-19T20:05:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-02-19T20:05:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: nein;

Abbildungen innerhalb des Textteils wurden nicht markiert. Die Stichwörter der einzelnen Einträge innerhalb des Textteils sind, abweichend von der Vorlage, nicht in Versalien gesetzt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/63
Zitationshilfe: Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/63>, abgerufen am 22.11.2024.