Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite
[Beginn Spaltensatz]

Will man Muscatwein, frantzösisch, Vin Muscat, machen, so läst man die Muscatellertrauben recht zeitig werden, drehet alsdann die Kämme an den Stöcken um, damit die Trauben keine Nahrung mehr bekommen mögen, und die Körner etwas welck werden und an der Sonne braten. Hernach lesen sie die Trauben, pressen oder keltern dieselben, und stellen den Most hin zum verjähren. Weil aber dieser Saft klebricht ist und wie ein Syrup, weil ihm die Sonne einen ziemlichen Theil seines phlegmatis und Feuchtigkeit entzogen hat, so kan er auch nicht mehr als nur zur Helffte gähren: dann, sein Saltz ist allzusehr im Oel zusammengedrückt, und kan sich nicht so frey und recht gnugsam ausbreiten, noch das Oel vollkommen dünne machen, als wie bey andern und gemeinen Weinen zu geschehen pflegt. Der Muscatwein aber kan allein in warmen Ländern zubereitet werden, z.E. in Languedoc und in Provence, woselbst die Sonne eine stärckte Wirckung hat. Der beste kommt aus Frontignan.

Er muß nicht eben gar zu klar und blanck seyn, ein wenig klebricht, einen lieblichen Muscatgeruch haben, süsse und angenehme schmecken und kräftig seyn.

Der Spanische und andere süsse Weine werden schier auf eben solche Art, als wie der Muscatwein bereitet. Sie nehmen den Saft von blancken Trauben, sobald er ist gekeltert worden, schütten ihn in Gefässe und setzen dieselben auf ein gelindes Feuer, damit die Feuchtigkeit ein wenig verdämpfe: hernach giessen sie den Most in die Fässer, darinne mag er gähren und zu Weine werden. Bey diesen Weinen gehet es eben also her, als wie bey dem Muscatenweine: der Traubensaft wird seiner Feuchtigkeit zum theil durchs Feuer beraubet, daher kan sich sein Saltz nicht sattsam und genug ausbreiten, und darum auch das Oel nicht gantz vollkommen lösen, theilen oder dünne machen: und eben darum kan der Wein auch nicht vollkommen gähren.

Durch solche Ausdünstung oder Ausdämpfung eines Theils der Feuchtigkeit vom Most, welche mit den süssen Weinen vorgenommen wird, werden die Muscatweine, die spanischen, die von Sanct Laurent, und die Canarischen, klebricht, und bekommen einen süssen Geschmack. Dann, weil die Gährung nicht vollkommen hat geschehen können, hat auch das Oel nicht recht dünne, oder gäntzlich aufgelöset werden mögen, und der Wein hat einen Mostgeschmack behalten müssen. Diese Süssigkeit und Lieblichkeit entstehet von der natürlichen und gantz genauen Vermischung des Saltzes mit dem Oel; dann die Spitzlein dieses Saltzes sind von den zackigten Theilgen des Oels gebunden und verwickelt: können dannenhero auf den Nerven der Zunge nichts mehr als nur ein sanftes, angenehmes kützeln wircken und zu wege bringen, welches wir die Süssigkeit oder die Lieblichkeit zu nennen pflegen. Wäre aber das Oel nur gantz allein, so würde dasselbige gar ohne allen Geschmack befunden werden, dieweil es nicht vermögend zur Gnüge durchzutringen, und solches angenehme Kützeln zu erregen: daher muß es nothwendig ein dergleichen Sal essentiale oder volatile [Spaltenumbruch] bey sich haben, welches ihm dienen und verhelffen muß, damit es einen dergleichen süssen, lieblichen Geschmack erwecken möge.

Mit den frantzösischen Weinen ist es nicht also bewandt. Die Feuchtigkeit, die sie von Natur in Menge haben, wird ihnen gantz und gar gelassen; das Saltz behält seine freye Bewegung und kan das Oel gebührend zertheilen und dünne machen, folglich dasselbige in Geist und Spiritus verändern. Derowegen wird der Wein durchs Gähren auch vollkommen klar, und bekommt einen angenehmen, scharffen Geschmack, dieweil sein Saltz sich hat zum Theil vom Oel entlediget, von dem es in dem Most wie eingewickelt war gehalten worden: dann sonsten nichts als nur das Saltz im Wein kan auf der Zunge diese angenehme Schärffe verursachen.

Es ist deshalben gar sehr nöthig, daß der Wein welcher recht vollkommen soll vergähren, eine genugsame Menge von der Feuchtigkeit und phlegma bey sich habe. Findet sich jedoch derselbigen, gegen das Saltz gerechnet, gar zuviel dabey, gleichwie zum öftern zu geschehen pfleget, wann die Weinlese bey regnicht- und feuchtem Wetter vorgenommen wird, so wird der Wein nicht völlig gähren können: dann das Saltz ist alsdann zu schwach, und hat die Macht und Vermögen nicht, die Theilgen des Oels gebührlich zu zertheilen und geistreicher zu machen; dahero wird der Wein auch leichtlich dick und zähe. Dem kan iedannoch wiederum zu voriger Güte verholffen werden, wann man Weinhefen und Weinstein drein thut, oder etwas dergleichen anders, so ihn aufs neue kan zum gähren bringen.

Man kan aus allen Weinen Branntwein machen. Alleine, man bekommt auch von dem einen mehr als von dem andern. Die stärcksten Weine geben keines wegs am meisten von diesem geistreichen liquor, sondern es wird einer seine Rechnung bey solchem Weine weit besser finden, welcher beginnet abzufallen, als welcher seinen guten Geschmack annoch vollkommen hat: nicht nur darum, weil er wohlfeiler ist, als wie der andere, sondern auch, dieweil der Spiritus in dem Weine, der verderben will, bey weiten nicht mehr so gebunden ist, und darum auch viel eher mag durchs Feuer aufgetrieben werden, als beym andern.

Dicke Weine und die viel Weinstein führen, geben ihren Spiritus viel beschwerlicher von sich, als andere, indem derselbe von dem Weinsteine gar zu sehr gehalten und figiret wird.

Süsse Weine würden ebenfalls sehr wenig Branntwein geben, wann man sie wolte destilliren, dieweil ihr Oel, gleichwie bereits erinnern nur zur Helffte dünne und geistig ist gemachet worden.

Der Branntwein oder Weinspiritus, frantzösisch, Eau de Vie, ist der Geist vom Weine mit vieler Feuchtigkeit vermischet. Dieser Geist oder Spiritus aber ist das Oel vom Wein, welches unter dem Gähren, von einem sauern flüchtigen Saltze dünne und gantz geistig ist gemacht. Die Theilgen dieses Saltzes bleiben, nach dieser ihrer Verrichtung, in dem dergestalt geistreich gemachten Oele gleichsam eingewickelt liegen; und eben sie [Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz]

Will man Muscatwein, frantzösisch, Vin Muscat, machen, so läst man die Muscatellertrauben recht zeitig werden, drehet alsdann die Kämme an den Stöcken um, damit die Trauben keine Nahrung mehr bekommen mögen, und die Körner etwas welck werden und an der Sonne braten. Hernach lesen sie die Trauben, pressen oder keltern dieselben, und stellen den Most hin zum verjähren. Weil aber dieser Saft klebricht ist und wie ein Syrup, weil ihm die Sonne einen ziemlichen Theil seines phlegmatis und Feuchtigkeit entzogen hat, so kan er auch nicht mehr als nur zur Helffte gähren: dann, sein Saltz ist allzusehr im Oel zusammengedrückt, und kan sich nicht so frey und recht gnugsam ausbreiten, noch das Oel vollkommen dünne machen, als wie bey andern und gemeinen Weinen zu geschehen pflegt. Der Muscatwein aber kan allein in warmen Ländern zubereitet werden, z.E. in Languedoc und in Provence, woselbst die Sonne eine stärckte Wirckung hat. Der beste kommt aus Frontignan.

Er muß nicht eben gar zu klar und blanck seyn, ein wenig klebricht, einen lieblichen Muscatgeruch haben, süsse und angenehme schmecken und kräftig seyn.

Der Spanische und andere süsse Weine werden schier auf eben solche Art, als wie der Muscatwein bereitet. Sie nehmen den Saft von blancken Trauben, sobald er ist gekeltert worden, schütten ihn in Gefässe und setzen dieselben auf ein gelindes Feuer, damit die Feuchtigkeit ein wenig verdämpfe: hernach giessen sie den Most in die Fässer, darinne mag er gähren und zu Weine werden. Bey diesen Weinen gehet es eben also her, als wie bey dem Muscatenweine: der Traubensaft wird seiner Feuchtigkeit zum theil durchs Feuer beraubet, daher kan sich sein Saltz nicht sattsam und genug ausbreiten, und darum auch das Oel nicht gantz vollkommen lösen, theilen oder dünne machen: und eben darum kan der Wein auch nicht vollkommen gähren.

Durch solche Ausdünstung oder Ausdämpfung eines Theils der Feuchtigkeit vom Most, welche mit den süssen Weinen vorgenommen wird, werden die Muscatweine, die spanischen, die von Sanct Laurent, und die Canarischen, klebricht, und bekommen einen süssen Geschmack. Dann, weil die Gährung nicht vollkommen hat geschehen können, hat auch das Oel nicht recht dünne, oder gäntzlich aufgelöset werden mögen, und der Wein hat einen Mostgeschmack behalten müssen. Diese Süssigkeit und Lieblichkeit entstehet von der natürlichen und gantz genauen Vermischung des Saltzes mit dem Oel; dann die Spitzlein dieses Saltzes sind von den zackigten Theilgen des Oels gebunden und verwickelt: können dannenhero auf den Nerven der Zunge nichts mehr als nur ein sanftes, angenehmes kützeln wircken und zu wege bringen, welches wir die Süssigkeit oder die Lieblichkeit zu nennen pflegen. Wäre aber das Oel nur gantz allein, so würde dasselbige gar ohne allen Geschmack befunden werden, dieweil es nicht vermögend zur Gnüge durchzutringen, und solches angenehme Kützeln zu erregen: daher muß es nothwendig ein dergleichen Sal essentiale oder volatile [Spaltenumbruch] bey sich haben, welches ihm dienen und verhelffen muß, damit es einen dergleichen süssen, lieblichen Geschmack erwecken möge.

Mit den frantzösischen Weinen ist es nicht also bewandt. Die Feuchtigkeit, die sie von Natur in Menge haben, wird ihnen gantz und gar gelassen; das Saltz behält seine freye Bewegung und kan das Oel gebührend zertheilen und dünne machen, folglich dasselbige in Geist und Spiritus verändern. Derowegen wird der Wein durchs Gähren auch vollkommen klar, und bekommt einen angenehmen, scharffen Geschmack, dieweil sein Saltz sich hat zum Theil vom Oel entlediget, von dem es in dem Most wie eingewickelt war gehalten worden: dann sonsten nichts als nur das Saltz im Wein kan auf der Zunge diese angenehme Schärffe verursachen.

Es ist deshalben gar sehr nöthig, daß der Wein welcher recht vollkommen soll vergähren, eine genugsame Menge von der Feuchtigkeit und phlegma bey sich habe. Findet sich jedoch derselbigen, gegen das Saltz gerechnet, gar zuviel dabey, gleichwie zum öftern zu geschehen pfleget, wann die Weinlese bey regnicht- und feuchtem Wetter vorgenommen wird, so wird der Wein nicht völlig gähren können: dann das Saltz ist alsdann zu schwach, und hat die Macht und Vermögen nicht, die Theilgen des Oels gebührlich zu zertheilen und geistreicher zu machen; dahero wird der Wein auch leichtlich dick und zähe. Dem kan iedannoch wiederum zu voriger Güte verholffen werden, wañ man Weinhefen und Weinstein drein thut, oder etwas dergleichen anders, so ihn aufs neue kan zum gähren bringen.

Man kan aus allen Weinen Branntwein machen. Alleine, man bekommt auch von dem einen mehr als von dem andern. Die stärcksten Weine geben keines wegs am meisten von diesem geistreichen liquor, sondern es wird einer seine Rechnung bey solchem Weine weit besser finden, welcher beginnet abzufallen, als welcher seinen guten Geschmack annoch vollkommen hat: nicht nur darum, weil er wohlfeiler ist, als wie der andere, sondern auch, dieweil der Spiritus in dem Weine, der verderben will, bey weiten nicht mehr so gebunden ist, und darum auch viel eher mag durchs Feuer aufgetrieben werden, als beym andern.

Dicke Weine und die viel Weinstein führen, geben ihren Spiritus viel beschwerlicher von sich, als andere, indem derselbe von dem Weinsteine gar zu sehr gehalten und figiret wird.

Süsse Weine würden ebenfalls sehr wenig Branntwein geben, wann man sie wolte destilliren, dieweil ihr Oel, gleichwie bereits erinnern nur zur Helffte dünne und geistig ist gemachet worden.

Der Branntwein oder Weinspiritus, frantzösisch, Eau de Vie, ist der Geist vom Weine mit vieler Feuchtigkeit vermischet. Dieser Geist oder Spiritus aber ist das Oel vom Wein, welches unter dem Gähren, von einem sauern flüchtigen Saltze dünne und gantz geistig ist gemacht. Die Theilgen dieses Saltzes bleiben, nach dieser ihrer Verrichtung, in dem dergestalt geistreich gemachten Oele gleichsam eingewickelt liegen; und eben sie [Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div type="lexiconEntry">
          <pb facs="#f0611"/>
          <cb type="start"/>
          <p>Will man <hi rendition="#fr">Muscatwein,</hi> frantzösisch, <hi rendition="#i">Vin Muscat,</hi> machen, so läst man die Muscatellertrauben recht zeitig werden, drehet alsdann die Kämme an den Stöcken um, damit die Trauben keine Nahrung mehr bekommen mögen, und die Körner etwas welck werden und an der Sonne braten. Hernach lesen sie die Trauben, pressen oder keltern dieselben, und stellen den Most hin zum verjähren. Weil aber dieser Saft klebricht ist und wie ein Syrup, weil ihm die Sonne einen ziemlichen Theil seines <hi rendition="#i">phlegmatis</hi> und Feuchtigkeit entzogen hat, so kan er auch nicht mehr als nur zur Helffte gähren: dann, sein Saltz ist allzusehr im Oel zusammengedrückt, und kan sich nicht so frey und recht gnugsam ausbreiten, noch das Oel vollkommen dünne machen, als wie bey andern und gemeinen Weinen zu geschehen pflegt. Der Muscatwein aber kan allein in warmen Ländern zubereitet werden, z.E. in Languedoc und in Provence, woselbst die Sonne eine stärckte Wirckung hat. Der beste kommt aus Frontignan.</p><lb/>
          <p>Er muß nicht eben gar zu klar und blanck seyn, ein wenig klebricht, einen lieblichen Muscatgeruch haben, süsse und angenehme schmecken und kräftig seyn.</p><lb/>
          <p>Der Spanische und andere süsse Weine werden schier auf eben solche Art, als wie der Muscatwein bereitet. Sie nehmen den Saft von blancken Trauben, sobald er ist gekeltert worden, schütten ihn in Gefässe und setzen dieselben auf ein gelindes Feuer, damit die Feuchtigkeit ein wenig verdämpfe: hernach giessen sie den Most in die Fässer, darinne mag er gähren und zu Weine werden. Bey diesen Weinen gehet es eben also her, als wie bey dem Muscatenweine: der Traubensaft wird seiner Feuchtigkeit zum theil durchs Feuer beraubet, daher kan sich sein Saltz nicht sattsam und genug ausbreiten, und darum auch das Oel nicht gantz vollkommen lösen, theilen oder dünne machen: und eben darum kan der Wein auch nicht vollkommen gähren.</p><lb/>
          <p>Durch solche Ausdünstung oder Ausdämpfung eines Theils der Feuchtigkeit vom Most, welche mit den süssen Weinen vorgenommen wird, werden die Muscatweine, die spanischen, die von Sanct Laurent, und die Canarischen, klebricht, und bekommen einen süssen Geschmack. Dann, weil die Gährung nicht vollkommen hat geschehen können, hat auch das Oel nicht recht dünne, oder gäntzlich aufgelöset werden mögen, und der Wein hat einen Mostgeschmack behalten müssen. Diese Süssigkeit und Lieblichkeit entstehet von der natürlichen und gantz genauen Vermischung des Saltzes mit dem Oel; dann die Spitzlein dieses Saltzes sind von den zackigten Theilgen des Oels gebunden und verwickelt: können dannenhero auf den Nerven der Zunge nichts mehr als nur ein sanftes, angenehmes kützeln wircken und zu wege bringen, welches wir die Süssigkeit oder die Lieblichkeit zu nennen pflegen. Wäre aber das Oel nur gantz allein, so würde dasselbige gar ohne allen Geschmack befunden werden, dieweil es nicht vermögend zur Gnüge durchzutringen, und solches angenehme Kützeln zu erregen: daher muß es nothwendig ein dergleichen <hi rendition="#i">Sal essentiale</hi> oder <hi rendition="#i">volatile</hi> <cb/>
bey sich haben, welches ihm dienen und verhelffen muß, damit es einen dergleichen süssen, lieblichen Geschmack erwecken möge.</p><lb/>
          <p>Mit den frantzösischen Weinen ist es nicht also bewandt. Die Feuchtigkeit, die sie von Natur in Menge haben, wird ihnen gantz und gar gelassen; das Saltz behält seine freye Bewegung und kan das Oel gebührend zertheilen und dünne machen, folglich dasselbige in Geist und <hi rendition="#i">Spiritus</hi> verändern. Derowegen wird der Wein durchs Gähren auch vollkommen klar, und bekommt einen angenehmen, scharffen Geschmack, dieweil sein Saltz sich hat zum Theil vom Oel entlediget, von dem es in dem Most wie eingewickelt war gehalten worden: dann sonsten nichts als nur das Saltz im Wein kan auf der Zunge diese angenehme Schärffe verursachen.</p><lb/>
          <p>Es ist deshalben gar sehr nöthig, daß der Wein welcher recht vollkommen soll vergähren, eine genugsame Menge von der Feuchtigkeit und <hi rendition="#i">phlegma</hi> bey sich habe. Findet sich jedoch derselbigen, gegen das Saltz gerechnet, gar zuviel dabey, gleichwie zum öftern zu geschehen pfleget, wann die Weinlese bey regnicht- und feuchtem Wetter vorgenommen wird, so wird der Wein nicht völlig gähren können: dann das Saltz ist alsdann zu schwach, und hat die Macht und Vermögen nicht, die Theilgen des Oels gebührlich zu zertheilen und geistreicher zu machen; dahero wird der Wein auch leichtlich dick und zähe. Dem kan iedannoch wiederum zu voriger Güte verholffen werden, wañ man Weinhefen und Weinstein drein thut, oder etwas dergleichen anders, so ihn aufs neue kan zum gähren bringen.</p><lb/>
          <p>Man kan aus allen Weinen Branntwein machen. Alleine, man bekommt auch von dem einen mehr als von dem andern. Die stärcksten Weine geben keines wegs am meisten von diesem geistreichen <hi rendition="#i">liquor,</hi> sondern es wird einer seine Rechnung bey solchem Weine weit besser finden, welcher beginnet abzufallen, als welcher seinen guten Geschmack annoch vollkommen hat: nicht nur darum, weil er wohlfeiler ist, als wie der andere, sondern auch, dieweil der Spiritus in dem Weine, der verderben will, bey weiten nicht mehr so gebunden ist, und darum auch viel eher mag durchs Feuer aufgetrieben werden, als beym andern.</p><lb/>
          <p>Dicke Weine und die viel Weinstein führen, geben ihren Spiritus viel beschwerlicher von sich, als andere, indem derselbe von dem Weinsteine gar zu sehr gehalten und figiret wird.</p><lb/>
          <p>Süsse Weine würden ebenfalls sehr wenig Branntwein geben, wann man sie wolte destilliren, dieweil ihr Oel, gleichwie bereits erinnern nur zur Helffte dünne und geistig ist gemachet worden.</p><lb/>
          <p>Der Branntwein oder <hi rendition="#fr">Weinspiritus,</hi> frantzösisch, <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Eau de Vie</hi></hi>, ist der Geist vom Weine mit vieler Feuchtigkeit vermischet. Dieser Geist oder Spiritus aber ist das Oel vom Wein, welches unter dem Gähren, von einem sauern flüchtigen Saltze dünne und gantz geistig ist gemacht. Die Theilgen dieses Saltzes bleiben, nach dieser ihrer Verrichtung, in dem dergestalt geistreich gemachten Oele gleichsam eingewickelt liegen; und eben sie <cb type="end"/>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0611] Will man Muscatwein, frantzösisch, Vin Muscat, machen, so läst man die Muscatellertrauben recht zeitig werden, drehet alsdann die Kämme an den Stöcken um, damit die Trauben keine Nahrung mehr bekommen mögen, und die Körner etwas welck werden und an der Sonne braten. Hernach lesen sie die Trauben, pressen oder keltern dieselben, und stellen den Most hin zum verjähren. Weil aber dieser Saft klebricht ist und wie ein Syrup, weil ihm die Sonne einen ziemlichen Theil seines phlegmatis und Feuchtigkeit entzogen hat, so kan er auch nicht mehr als nur zur Helffte gähren: dann, sein Saltz ist allzusehr im Oel zusammengedrückt, und kan sich nicht so frey und recht gnugsam ausbreiten, noch das Oel vollkommen dünne machen, als wie bey andern und gemeinen Weinen zu geschehen pflegt. Der Muscatwein aber kan allein in warmen Ländern zubereitet werden, z.E. in Languedoc und in Provence, woselbst die Sonne eine stärckte Wirckung hat. Der beste kommt aus Frontignan. Er muß nicht eben gar zu klar und blanck seyn, ein wenig klebricht, einen lieblichen Muscatgeruch haben, süsse und angenehme schmecken und kräftig seyn. Der Spanische und andere süsse Weine werden schier auf eben solche Art, als wie der Muscatwein bereitet. Sie nehmen den Saft von blancken Trauben, sobald er ist gekeltert worden, schütten ihn in Gefässe und setzen dieselben auf ein gelindes Feuer, damit die Feuchtigkeit ein wenig verdämpfe: hernach giessen sie den Most in die Fässer, darinne mag er gähren und zu Weine werden. Bey diesen Weinen gehet es eben also her, als wie bey dem Muscatenweine: der Traubensaft wird seiner Feuchtigkeit zum theil durchs Feuer beraubet, daher kan sich sein Saltz nicht sattsam und genug ausbreiten, und darum auch das Oel nicht gantz vollkommen lösen, theilen oder dünne machen: und eben darum kan der Wein auch nicht vollkommen gähren. Durch solche Ausdünstung oder Ausdämpfung eines Theils der Feuchtigkeit vom Most, welche mit den süssen Weinen vorgenommen wird, werden die Muscatweine, die spanischen, die von Sanct Laurent, und die Canarischen, klebricht, und bekommen einen süssen Geschmack. Dann, weil die Gährung nicht vollkommen hat geschehen können, hat auch das Oel nicht recht dünne, oder gäntzlich aufgelöset werden mögen, und der Wein hat einen Mostgeschmack behalten müssen. Diese Süssigkeit und Lieblichkeit entstehet von der natürlichen und gantz genauen Vermischung des Saltzes mit dem Oel; dann die Spitzlein dieses Saltzes sind von den zackigten Theilgen des Oels gebunden und verwickelt: können dannenhero auf den Nerven der Zunge nichts mehr als nur ein sanftes, angenehmes kützeln wircken und zu wege bringen, welches wir die Süssigkeit oder die Lieblichkeit zu nennen pflegen. Wäre aber das Oel nur gantz allein, so würde dasselbige gar ohne allen Geschmack befunden werden, dieweil es nicht vermögend zur Gnüge durchzutringen, und solches angenehme Kützeln zu erregen: daher muß es nothwendig ein dergleichen Sal essentiale oder volatile bey sich haben, welches ihm dienen und verhelffen muß, damit es einen dergleichen süssen, lieblichen Geschmack erwecken möge. Mit den frantzösischen Weinen ist es nicht also bewandt. Die Feuchtigkeit, die sie von Natur in Menge haben, wird ihnen gantz und gar gelassen; das Saltz behält seine freye Bewegung und kan das Oel gebührend zertheilen und dünne machen, folglich dasselbige in Geist und Spiritus verändern. Derowegen wird der Wein durchs Gähren auch vollkommen klar, und bekommt einen angenehmen, scharffen Geschmack, dieweil sein Saltz sich hat zum Theil vom Oel entlediget, von dem es in dem Most wie eingewickelt war gehalten worden: dann sonsten nichts als nur das Saltz im Wein kan auf der Zunge diese angenehme Schärffe verursachen. Es ist deshalben gar sehr nöthig, daß der Wein welcher recht vollkommen soll vergähren, eine genugsame Menge von der Feuchtigkeit und phlegma bey sich habe. Findet sich jedoch derselbigen, gegen das Saltz gerechnet, gar zuviel dabey, gleichwie zum öftern zu geschehen pfleget, wann die Weinlese bey regnicht- und feuchtem Wetter vorgenommen wird, so wird der Wein nicht völlig gähren können: dann das Saltz ist alsdann zu schwach, und hat die Macht und Vermögen nicht, die Theilgen des Oels gebührlich zu zertheilen und geistreicher zu machen; dahero wird der Wein auch leichtlich dick und zähe. Dem kan iedannoch wiederum zu voriger Güte verholffen werden, wañ man Weinhefen und Weinstein drein thut, oder etwas dergleichen anders, so ihn aufs neue kan zum gähren bringen. Man kan aus allen Weinen Branntwein machen. Alleine, man bekommt auch von dem einen mehr als von dem andern. Die stärcksten Weine geben keines wegs am meisten von diesem geistreichen liquor, sondern es wird einer seine Rechnung bey solchem Weine weit besser finden, welcher beginnet abzufallen, als welcher seinen guten Geschmack annoch vollkommen hat: nicht nur darum, weil er wohlfeiler ist, als wie der andere, sondern auch, dieweil der Spiritus in dem Weine, der verderben will, bey weiten nicht mehr so gebunden ist, und darum auch viel eher mag durchs Feuer aufgetrieben werden, als beym andern. Dicke Weine und die viel Weinstein führen, geben ihren Spiritus viel beschwerlicher von sich, als andere, indem derselbe von dem Weinsteine gar zu sehr gehalten und figiret wird. Süsse Weine würden ebenfalls sehr wenig Branntwein geben, wann man sie wolte destilliren, dieweil ihr Oel, gleichwie bereits erinnern nur zur Helffte dünne und geistig ist gemachet worden. Der Branntwein oder Weinspiritus, frantzösisch, Eau de Vie, ist der Geist vom Weine mit vieler Feuchtigkeit vermischet. Dieser Geist oder Spiritus aber ist das Oel vom Wein, welches unter dem Gähren, von einem sauern flüchtigen Saltze dünne und gantz geistig ist gemacht. Die Theilgen dieses Saltzes bleiben, nach dieser ihrer Verrichtung, in dem dergestalt geistreich gemachten Oele gleichsam eingewickelt liegen; und eben sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

TextGrid: Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-02-19T20:05:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-02-19T20:05:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: nein;

Abbildungen innerhalb des Textteils wurden nicht markiert. Die Stichwörter der einzelnen Einträge innerhalb des Textteils sind, abweichend von der Vorlage, nicht in Versalien gesetzt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/611
Zitationshilfe: Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/611>, abgerufen am 24.11.2024.