Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.mir nicht durch eine kleine Begebenheit aus mei- ner Kindheit, oder Jugend merkwürdig wäre -- wirklich nur durch kleine Begebenheiten, deren An- denken aber dem Manne, den sie angehn, schäz- barer sind, als eine Weltgeschichte. Aspermonte. Das Citronenwäldchen, in dem Sie Blankan zum erstenmal sahn, und in dem sie so oft träumten, haben Sie vermuthlich vergessen? Julius. Wie solt' ich, Aspermonte, wie solt ich das? ich habe darin noch einige unschäzbare Minuten zugebracht, und wenn ich etwas von der Gegend mitnehmen könte, so solt' es dies Wäld- chen seyn. Zulezt besucht' ich noch die Gruft meiner Väter; -- Ein wahres Bild des Standes der Fürsten, dacht' ich, als ich die silbernen Särge, und die verrotteten Fahnen sah! -- Bei ihnen ist alles so, wie in jedem andern Stande, die Flittern aus- genommen, die sie allem, was sie angeht, anhängen. Die Hand voll Staub in diesem Sarge, ehmals der große Theoderich, liebte den Schädel in jenem, einst die schöne Agnese! -- Können sie doch jezt ruhig schlafen, ohne daß eine Kammerherr im Vor- saal zu zischeln braucht: Pst. Dieser erstickende Dunst ist wie der Dunst aus der Gruft eines Bett- lers, und kein Schmeichler kan sagen, er duftet mir nicht durch eine kleine Begebenheit aus mei- ner Kindheit, oder Jugend merkwuͤrdig waͤre — wirklich nur durch kleine Begebenheiten, deren An- denken aber dem Manne, den ſie angehn, ſchaͤz- barer ſind, als eine Weltgeſchichte. Aſpermonte. Das Citronenwaͤldchen, in dem Sie Blankan zum erſtenmal ſahn, und in dem ſie ſo oft traͤumten, haben Sie vermuthlich vergeſſen? Julius. Wie ſolt’ ich, Aſpermonte, wie ſolt ich das? ich habe darin noch einige unſchaͤzbare Minuten zugebracht, und wenn ich etwas von der Gegend mitnehmen koͤnte, ſo ſolt’ es dies Waͤld- chen ſeyn. Zulezt beſucht’ ich noch die Gruft meiner Vaͤter; — Ein wahres Bild des Standes der Fuͤrſten, dacht’ ich, als ich die ſilbernen Saͤrge, und die verrotteten Fahnen ſah! — Bei ihnen iſt alles ſo, wie in jedem andern Stande, die Flittern aus- genommen, die ſie allem, was ſie angeht, anhaͤngen. Die Hand voll Staub in dieſem Sarge, ehmals der große Theoderich, liebte den Schaͤdel in jenem, einſt die ſchoͤne Agneſe! — Koͤnnen ſie doch jezt ruhig ſchlafen, ohne daß eine Kammerherr im Vor- ſaal zu ziſcheln braucht: Pſt. Dieſer erſtickende Dunſt iſt wie der Dunſt aus der Gruft eines Bett- lers, und kein Schmeichler kan ſagen, er duftet <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#JUL"> <p><pb facs="#f0084" n="80"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> mir nicht durch eine kleine Begebenheit aus mei-<lb/> ner Kindheit, oder Jugend merkwuͤrdig waͤre —<lb/> wirklich nur durch kleine Begebenheiten, deren An-<lb/> denken aber dem Manne, den ſie angehn, ſchaͤz-<lb/> barer ſind, als eine Weltgeſchichte.</p> </sp><lb/> <sp who="#ASP"> <speaker>Aſpermonte.</speaker> <p>Das Citronenwaͤldchen, in dem<lb/> Sie Blankan zum erſtenmal ſahn, und in dem ſie<lb/> ſo oft traͤumten, haben Sie vermuthlich vergeſſen?</p> </sp><lb/> <sp who="#JUL"> <speaker>Julius.</speaker> <p>Wie ſolt’ ich, Aſpermonte, wie ſolt<lb/> ich das? ich habe darin noch einige unſchaͤzbare<lb/> Minuten zugebracht, und wenn ich etwas von der<lb/> Gegend mitnehmen koͤnte, ſo ſolt’ es dies Waͤld-<lb/> chen ſeyn.</p><lb/> <p>Zulezt beſucht’ ich noch die Gruft meiner<lb/> Vaͤter; — Ein wahres Bild des Standes der<lb/> Fuͤrſten, dacht’ ich, als ich die ſilbernen Saͤrge, und<lb/> die verrotteten Fahnen ſah! — Bei ihnen iſt alles<lb/> ſo, wie in jedem andern Stande, die Flittern aus-<lb/> genommen, die ſie allem, was ſie angeht, anhaͤngen.<lb/> Die Hand voll Staub in dieſem Sarge, ehmals<lb/> der große Theoderich, liebte den Schaͤdel in jenem,<lb/> einſt die ſchoͤne Agneſe! — Koͤnnen ſie doch jezt<lb/> ruhig ſchlafen, ohne daß eine Kammerherr im Vor-<lb/> ſaal zu ziſcheln braucht: Pſt. Dieſer erſtickende<lb/> Dunſt iſt wie der Dunſt aus der Gruft eines Bett-<lb/> lers, und kein Schmeichler kan ſagen, er duftet<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0084]
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denken aber dem Manne, den ſie angehn, ſchaͤz-
barer ſind, als eine Weltgeſchichte.
Aſpermonte. Das Citronenwaͤldchen, in dem
Sie Blankan zum erſtenmal ſahn, und in dem ſie
ſo oft traͤumten, haben Sie vermuthlich vergeſſen?
Julius. Wie ſolt’ ich, Aſpermonte, wie ſolt
ich das? ich habe darin noch einige unſchaͤzbare
Minuten zugebracht, und wenn ich etwas von der
Gegend mitnehmen koͤnte, ſo ſolt’ es dies Waͤld-
chen ſeyn.
Zulezt beſucht’ ich noch die Gruft meiner
Vaͤter; — Ein wahres Bild des Standes der
Fuͤrſten, dacht’ ich, als ich die ſilbernen Saͤrge, und
die verrotteten Fahnen ſah! — Bei ihnen iſt alles
ſo, wie in jedem andern Stande, die Flittern aus-
genommen, die ſie allem, was ſie angeht, anhaͤngen.
Die Hand voll Staub in dieſem Sarge, ehmals
der große Theoderich, liebte den Schaͤdel in jenem,
einſt die ſchoͤne Agneſe! — Koͤnnen ſie doch jezt
ruhig ſchlafen, ohne daß eine Kammerherr im Vor-
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Dunſt iſt wie der Dunſt aus der Gruft eines Bett-
lers, und kein Schmeichler kan ſagen, er duftet
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Zitationshilfe: | Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/84>, abgerufen am 28.07.2024. |