Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776. Guido. Und die Geduld eines Märtyrers mögte zerreissen, wenn Du von Beleidigungen reden kanst. -- Keine Beleidigungen, nur die Wahrheit, solst du mit Mässigung anhören, wolte Gott, daß Du das köntest! Fürst. Seyd ruhig -- ich weiß es genau, in welchem Grad ihr beide schuldig seyd. -- Aber kannst Du es leugnen, Guido, daß Du heute den Degen gegen Julius Freund zogest, in einem Streit über Deinen Bruder zogest? Guido. Jch that es, Herr Vater -- aber mein Bruder, und nachher Aspermonte, hatten meine Ehre so tief, und mit |so kaltem Blute ver- wundet; -- ich wolte, Sie hätten es gehört, mit welcher Kälte sie meine Ehre -- Fürst. Schämst Du dich nicht von Ehre ge- gen Bruder und Vater zu reden? Wenn diese Thorheit auch die Weisen überschreyt, so solte sie doch wenigstens die Stimme des Bluts nicht über- täuben. Guido. Verzeihen Sie, Herr Vater, meine Ehre ist nichts, wenn Sie in Betracht des einen etwas anders ist, als in Betracht des zweyten. -- Fürst. Halt, Guido, ich hör nicht gern Leute deines Temperaments mit kochendem Blut von Grundsäzen reden -- im Affekt trefft ihr so we- nig, als andre das rechte Ziel -- und seyd denn Guido. Und die Geduld eines Maͤrtyrers moͤgte zerreiſſen, wenn Du von Beleidigungen reden kanſt. — Keine Beleidigungen, nur die Wahrheit, ſolſt du mit Maͤſſigung anhoͤren, wolte Gott, daß Du das koͤnteſt! Fuͤrſt. Seyd ruhig — ich weiß es genau, in welchem Grad ihr beide ſchuldig ſeyd. — Aber kannſt Du es leugnen, Guido, daß Du heute den Degen gegen Julius Freund zogeſt, in einem Streit uͤber Deinen Bruder zogeſt? Guido. Jch that es, Herr Vater — aber mein Bruder, und nachher Aſpermonte, hatten meine Ehre ſo tief, und mit |ſo kaltem Blute ver- wundet; — ich wolte, Sie haͤtten es gehoͤrt, mit welcher Kaͤlte ſie meine Ehre — Fuͤrſt. Schaͤmſt Du dich nicht von Ehre ge- gen Bruder und Vater zu reden? Wenn dieſe Thorheit auch die Weiſen uͤberſchreyt, ſo ſolte ſie doch wenigſtens die Stimme des Bluts nicht uͤber- taͤuben. Guido. Verzeihen Sie, Herr Vater, meine Ehre iſt nichts, wenn Sie in Betracht des einen etwas anders iſt, als in Betracht des zweyten. — Fuͤrſt. Halt, Guido, ich hoͤr nicht gern Leute deines Temperaments mit kochendem Blut von Grundſaͤzen reden — im Affekt trefft ihr ſo we- nig, als andre das rechte Ziel — und ſeyd denn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0063" n="59"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <sp who="#GUI"> <speaker>Guido.</speaker> <p>Und die Geduld eines Maͤrtyrers<lb/> moͤgte zerreiſſen, wenn Du von Beleidigungen<lb/> reden kanſt. — Keine Beleidigungen, nur die<lb/> Wahrheit, ſolſt du mit Maͤſſigung anhoͤren, wolte<lb/> Gott, daß Du das koͤnteſt!</p> </sp><lb/> <sp who="#CON"> <speaker>Fuͤrſt.</speaker> <p>Seyd ruhig — ich weiß es genau,<lb/> in welchem Grad ihr beide ſchuldig ſeyd. — Aber<lb/> kannſt Du es leugnen, Guido, daß Du heute den<lb/> Degen gegen Julius Freund zogeſt, in einem Streit<lb/> uͤber Deinen Bruder zogeſt?</p> </sp><lb/> <sp who="#GUI"> <speaker>Guido.</speaker> <p>Jch that es, Herr Vater — aber<lb/> mein Bruder, und nachher Aſpermonte, hatten<lb/> meine Ehre ſo tief, und mit |ſo kaltem Blute ver-<lb/> wundet; — ich wolte, Sie haͤtten es gehoͤrt, mit<lb/> welcher Kaͤlte ſie meine Ehre —</p> </sp><lb/> <sp who="#CON"> <speaker>Fuͤrſt.</speaker> <p>Schaͤmſt Du dich nicht von Ehre ge-<lb/> gen Bruder und Vater zu reden? Wenn dieſe<lb/> Thorheit auch die Weiſen uͤberſchreyt, ſo ſolte ſie<lb/> doch wenigſtens die Stimme des Bluts nicht uͤber-<lb/> taͤuben.</p> </sp><lb/> <sp who="#GUI"> <speaker>Guido.</speaker> <p>Verzeihen Sie, Herr Vater, meine<lb/> Ehre iſt nichts, wenn Sie in Betracht des einen<lb/> etwas anders iſt, als in Betracht des zweyten. —</p> </sp><lb/> <sp who="#CON"> <speaker>Fuͤrſt.</speaker> <p>Halt, Guido, ich hoͤr nicht gern Leute<lb/> deines Temperaments mit kochendem Blut von<lb/> Grundſaͤzen reden — im Affekt trefft ihr ſo we-<lb/> nig, als andre das rechte Ziel — und ſeyd denn<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [59/0063]
Guido. Und die Geduld eines Maͤrtyrers
moͤgte zerreiſſen, wenn Du von Beleidigungen
reden kanſt. — Keine Beleidigungen, nur die
Wahrheit, ſolſt du mit Maͤſſigung anhoͤren, wolte
Gott, daß Du das koͤnteſt!
Fuͤrſt. Seyd ruhig — ich weiß es genau,
in welchem Grad ihr beide ſchuldig ſeyd. — Aber
kannſt Du es leugnen, Guido, daß Du heute den
Degen gegen Julius Freund zogeſt, in einem Streit
uͤber Deinen Bruder zogeſt?
Guido. Jch that es, Herr Vater — aber
mein Bruder, und nachher Aſpermonte, hatten
meine Ehre ſo tief, und mit |ſo kaltem Blute ver-
wundet; — ich wolte, Sie haͤtten es gehoͤrt, mit
welcher Kaͤlte ſie meine Ehre —
Fuͤrſt. Schaͤmſt Du dich nicht von Ehre ge-
gen Bruder und Vater zu reden? Wenn dieſe
Thorheit auch die Weiſen uͤberſchreyt, ſo ſolte ſie
doch wenigſtens die Stimme des Bluts nicht uͤber-
taͤuben.
Guido. Verzeihen Sie, Herr Vater, meine
Ehre iſt nichts, wenn Sie in Betracht des einen
etwas anders iſt, als in Betracht des zweyten. —
Fuͤrſt. Halt, Guido, ich hoͤr nicht gern Leute
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Zitationshilfe: | Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/63>, abgerufen am 06.07.2024. |