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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Melbourne.

An Neusüdwales, das eigentliche Stammland von Australien,
grenzt die Colonie Victoria, welche die südöstliche Ecke dieses Con-
tinentes einnimmt. In dieser Colonie zieht deren Hauptstadt Mel-
bourne
in mehr als einer Beziehung unsere vollste Aufmerksamkeit
auf sich. Man kann Melbourne in seiner wunderbaren Entwicklung
ganz gut neben Chicago, San Francisco und andere Phänomene colo-
nialer Entwicklung stellen. Wer heute diese prächtige, mit allen modernen
Einrichtungen versehene Stadt betritt, welche (1891) nicht weniger
als 489.000 Einwohner beherbergt, wer das rege und bunte Treiben
in derselben, die zahlreichen, überall zu Tage tretenden Beweise von
Reichthum und Behagen beobachtet, wer die nach allen Richtungen
auslaufenden Eisenbahnlinien wahrnimmt, auf denen die Reisenden
nach den verschiedenen Orten des Continentes verkehren, wer die lebhafte
Schiffsbewegung im Hafen betrachtet, der vermag kaum zu erfassen,
dass all dies in einem Zeitraum geschaffen wurde, welcher kaum ein
halbes Jahrhundert erreicht. In Melbourne gibt es heute noch Per-
sonen, welche von sich sagen können, dass sie die ganze bisherige
Geschichte ihrer Stadt miterlebt haben.

In den ersten Tagen des Jahres 1802 wurde von dem britischen Schiffe
"Nelson" die schöne Bai von Port Phillip entdeckt. Man gab ihr den Namen
des damaligen Gouverneurs von Neusüdwales. Uebrigens nahm man damals zwar von
dem Landstriche an der Bai im Namen der britischen Krone Besitz, kümmerte sich
jedoch die nächsten zwanzig Jahre wenig um deren Geschick. Erst 1824 unternahmen
einige unternehmende Privatleute eine grössere Forschungsreise in diese Gegenden,
und 1826 wurde in Port Phillip eine Abtheilung Sträflinge angesiedelt. Doch gab
man diesen Versuch bald wieder auf. Fast ein Jahrzehent verstrich nun ohne
sonderliche Ereignisse. Da kam 1835 ein gewisser John Batman von Tasmania
herüber und traf mit den Häuptlingen der Eingebornen ein Abkommen wegen
Ueberlassung einer bedeutenden Strecke Landes am Yarra-Flusse, welcher heute das
Stadtgebiet von Melbourne bespült. Noch im selben Jahre landete ein gewisser
Fawkner am Yarra-Flusse und schlug hier seine Zelte auf. Dieser Fawkner kann
als der eigentliche Begründer der neuen Stadt betrachtet werden. Klein war die

Melbourne.

An Neusüdwales, das eigentliche Stammland von Australien,
grenzt die Colonie Victoria, welche die südöstliche Ecke dieses Con-
tinentes einnimmt. In dieser Colonie zieht deren Hauptstadt Mel-
bourne
in mehr als einer Beziehung unsere vollste Aufmerksamkeit
auf sich. Man kann Melbourne in seiner wunderbaren Entwicklung
ganz gut neben Chicago, San Francisco und andere Phänomene colo-
nialer Entwicklung stellen. Wer heute diese prächtige, mit allen modernen
Einrichtungen versehene Stadt betritt, welche (1891) nicht weniger
als 489.000 Einwohner beherbergt, wer das rege und bunte Treiben
in derselben, die zahlreichen, überall zu Tage tretenden Beweise von
Reichthum und Behagen beobachtet, wer die nach allen Richtungen
auslaufenden Eisenbahnlinien wahrnimmt, auf denen die Reisenden
nach den verschiedenen Orten des Continentes verkehren, wer die lebhafte
Schiffsbewegung im Hafen betrachtet, der vermag kaum zu erfassen,
dass all dies in einem Zeitraum geschaffen wurde, welcher kaum ein
halbes Jahrhundert erreicht. In Melbourne gibt es heute noch Per-
sonen, welche von sich sagen können, dass sie die ganze bisherige
Geschichte ihrer Stadt miterlebt haben.

In den ersten Tagen des Jahres 1802 wurde von dem britischen Schiffe
„Nelson“ die schöne Bai von Port Phillip entdeckt. Man gab ihr den Namen
des damaligen Gouverneurs von Neusüdwales. Uebrigens nahm man damals zwar von
dem Landstriche an der Bai im Namen der britischen Krone Besitz, kümmerte sich
jedoch die nächsten zwanzig Jahre wenig um deren Geschick. Erst 1824 unternahmen
einige unternehmende Privatleute eine grössere Forschungsreise in diese Gegenden,
und 1826 wurde in Port Phillip eine Abtheilung Sträflinge angesiedelt. Doch gab
man diesen Versuch bald wieder auf. Fast ein Jahrzehent verstrich nun ohne
sonderliche Ereignisse. Da kam 1835 ein gewisser John Batman von Tasmania
herüber und traf mit den Häuptlingen der Eingebornen ein Abkommen wegen
Ueberlassung einer bedeutenden Strecke Landes am Yarra-Flusse, welcher heute das
Stadtgebiet von Melbourne bespült. Noch im selben Jahre landete ein gewisser
Fawkner am Yarra-Flusse und schlug hier seine Zelte auf. Dieser Fawkner kann
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[[768]/0784] Melbourne. An Neusüdwales, das eigentliche Stammland von Australien, grenzt die Colonie Victoria, welche die südöstliche Ecke dieses Con- tinentes einnimmt. In dieser Colonie zieht deren Hauptstadt Mel- bourne in mehr als einer Beziehung unsere vollste Aufmerksamkeit auf sich. Man kann Melbourne in seiner wunderbaren Entwicklung ganz gut neben Chicago, San Francisco und andere Phänomene colo- nialer Entwicklung stellen. Wer heute diese prächtige, mit allen modernen Einrichtungen versehene Stadt betritt, welche (1891) nicht weniger als 489.000 Einwohner beherbergt, wer das rege und bunte Treiben in derselben, die zahlreichen, überall zu Tage tretenden Beweise von Reichthum und Behagen beobachtet, wer die nach allen Richtungen auslaufenden Eisenbahnlinien wahrnimmt, auf denen die Reisenden nach den verschiedenen Orten des Continentes verkehren, wer die lebhafte Schiffsbewegung im Hafen betrachtet, der vermag kaum zu erfassen, dass all dies in einem Zeitraum geschaffen wurde, welcher kaum ein halbes Jahrhundert erreicht. In Melbourne gibt es heute noch Per- sonen, welche von sich sagen können, dass sie die ganze bisherige Geschichte ihrer Stadt miterlebt haben. In den ersten Tagen des Jahres 1802 wurde von dem britischen Schiffe „Nelson“ die schöne Bai von Port Phillip entdeckt. Man gab ihr den Namen des damaligen Gouverneurs von Neusüdwales. Uebrigens nahm man damals zwar von dem Landstriche an der Bai im Namen der britischen Krone Besitz, kümmerte sich jedoch die nächsten zwanzig Jahre wenig um deren Geschick. Erst 1824 unternahmen einige unternehmende Privatleute eine grössere Forschungsreise in diese Gegenden, und 1826 wurde in Port Phillip eine Abtheilung Sträflinge angesiedelt. Doch gab man diesen Versuch bald wieder auf. Fast ein Jahrzehent verstrich nun ohne sonderliche Ereignisse. Da kam 1835 ein gewisser John Batman von Tasmania herüber und traf mit den Häuptlingen der Eingebornen ein Abkommen wegen Ueberlassung einer bedeutenden Strecke Landes am Yarra-Flusse, welcher heute das Stadtgebiet von Melbourne bespült. Noch im selben Jahre landete ein gewisser Fawkner am Yarra-Flusse und schlug hier seine Zelte auf. Dieser Fawkner kann als der eigentliche Begründer der neuen Stadt betrachtet werden. Klein war die

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. [768]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/784>, abgerufen am 23.11.2024.