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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der indische Ocean.

In der Tafelbai nun, wo einst die ersten holländischen Siedler er-
schienen waren, liegt heute eine ansehnliche, und zwar die grösste und
schönste Stadt des südlichen Afrika, Cape Town, die Capstadt,
anmuthig an den Abhängen des Tafelberges ansteigend und von
zahlreichen Villen und deren Gärten umgeben. Hinter der Stadt aber
erhebt sich scharf und schroff aufsteigend der gewaltige Tafelberg
(1082 m), welcher von der eigenthümlichen Abplattung seines Kam-
mes diesen Namen erhalten hat. Er schliesst das Gesammtbild in
malerischer Weise ab. Die Tafelbai war lange Zeit eine offene und
nicht wenig gefährdete Rhede, auf welcher die Schiffe mannigfachem
Ungemache ausgesetzt blieben, so dass man sich eigentlich wundern
muss, weshalb gerade dieser Punkt zur Anlage der Stadt gewählt
worden ist. Anfänglich erwog man diese Umstände nicht und
als man später deren Nachtheile erkannte, konnte man sich nicht
mehr leicht zu einer vollständigen Uebersiedlung entschliessen. Erst
im Jahre 1860 entschloss man sich zur Anlage eines künstlichen
Hafens, der nunmehr, nicht ohne grosse Schwierigkeiten während
seines Baues, in seinem wichtigsten Theile zu Ende geführt und
Schiffen bis zu 8 m Tiefgang zugänglich ist, während die im Süden
von der Tafelbai jenseits des Caps der guten Hoffnung gelegene
Simonsbai den grössten Schiffen sicheren Ankergrund bietet. Die
Hafenanlagen bestehen hauptsächlich aus einem kolossalen, in der
Richtung von Südwest nach Nordost gehenden, an seinem Ende
sanft gekrümmten Wellenbrecher. Von dem Wellenbrecher gehen
zwei Molen aus. Ausserdem hat man zwei Bassins, das Innen-Bassin
und das Alfred-Bassin errichtet, an welch letzterem sich auch ein
Trockendock (Robinson Dry Dock) und eine "Patent Slip" für Schiffe
bis zu 1000 T Gehalt befindet. Leuchtfeuer auf der Robbeninsel und
auf den Spitzen Green und Mouille, sowie ein Hafenfeuer an der
Spitze des Wellenbrechers erleichtern das Einlaufen von Schiffen bei
Nacht. Die Hafenanlagen, welche noch erweitert werden sollen, sind
mit allen modernen Hilfsmitteln für den Umschlag der Waare ausge-
stattet und werden durch elektrisches Licht beleuchtet. Geräumige
Magazine und Güterschoppen sind vorhanden und Geleise führen
nach allen Richtungen die beladenen oder zum Laden bestimmten
Waggons. Die ganze neue Hafenanlage bildet einen in sich ge-
schlossenen Complex ausserhalb der eigentlichen Stadt. Dieser Com-
plex ist durch eine Mauer abgesperrt und besitzt nur ein einziges
Thor, durch welches man nach der eigentlichen Stadt gelangt. Die
Stadt selbst macht einen sehr günstigen Eindruck und hat einen

Der indische Ocean.

In der Tafelbai nun, wo einst die ersten holländischen Siedler er-
schienen waren, liegt heute eine ansehnliche, und zwar die grösste und
schönste Stadt des südlichen Afrika, Cape Town, die Capstadt,
anmuthig an den Abhängen des Tafelberges ansteigend und von
zahlreichen Villen und deren Gärten umgeben. Hinter der Stadt aber
erhebt sich scharf und schroff aufsteigend der gewaltige Tafelberg
(1082 m), welcher von der eigenthümlichen Abplattung seines Kam-
mes diesen Namen erhalten hat. Er schliesst das Gesammtbild in
malerischer Weise ab. Die Tafelbai war lange Zeit eine offene und
nicht wenig gefährdete Rhede, auf welcher die Schiffe mannigfachem
Ungemache ausgesetzt blieben, so dass man sich eigentlich wundern
muss, weshalb gerade dieser Punkt zur Anlage der Stadt gewählt
worden ist. Anfänglich erwog man diese Umstände nicht und
als man später deren Nachtheile erkannte, konnte man sich nicht
mehr leicht zu einer vollständigen Uebersiedlung entschliessen. Erst
im Jahre 1860 entschloss man sich zur Anlage eines künstlichen
Hafens, der nunmehr, nicht ohne grosse Schwierigkeiten während
seines Baues, in seinem wichtigsten Theile zu Ende geführt und
Schiffen bis zu 8 m Tiefgang zugänglich ist, während die im Süden
von der Tafelbai jenseits des Caps der guten Hoffnung gelegene
Simonsbai den grössten Schiffen sicheren Ankergrund bietet. Die
Hafenanlagen bestehen hauptsächlich aus einem kolossalen, in der
Richtung von Südwest nach Nordost gehenden, an seinem Ende
sanft gekrümmten Wellenbrecher. Von dem Wellenbrecher gehen
zwei Molen aus. Ausserdem hat man zwei Bassins, das Innen-Bassin
und das Alfred-Bassin errichtet, an welch letzterem sich auch ein
Trockendock (Robinson Dry Dock) und eine „Patent Slip“ für Schiffe
bis zu 1000 T Gehalt befindet. Leuchtfeuer auf der Robbeninsel und
auf den Spitzen Green und Mouillé, sowie ein Hafenfeuer an der
Spitze des Wellenbrechers erleichtern das Einlaufen von Schiffen bei
Nacht. Die Hafenanlagen, welche noch erweitert werden sollen, sind
mit allen modernen Hilfsmitteln für den Umschlag der Waare ausge-
stattet und werden durch elektrisches Licht beleuchtet. Geräumige
Magazine und Güterschoppen sind vorhanden und Geleise führen
nach allen Richtungen die beladenen oder zum Laden bestimmten
Waggons. Die ganze neue Hafenanlage bildet einen in sich ge-
schlossenen Complex ausserhalb der eigentlichen Stadt. Dieser Com-
plex ist durch eine Mauer abgesperrt und besitzt nur ein einziges
Thor, durch welches man nach der eigentlichen Stadt gelangt. Die
Stadt selbst macht einen sehr günstigen Eindruck und hat einen

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[676/0692] Der indische Ocean. In der Tafelbai nun, wo einst die ersten holländischen Siedler er- schienen waren, liegt heute eine ansehnliche, und zwar die grösste und schönste Stadt des südlichen Afrika, Cape Town, die Capstadt, anmuthig an den Abhängen des Tafelberges ansteigend und von zahlreichen Villen und deren Gärten umgeben. Hinter der Stadt aber erhebt sich scharf und schroff aufsteigend der gewaltige Tafelberg (1082 m), welcher von der eigenthümlichen Abplattung seines Kam- mes diesen Namen erhalten hat. Er schliesst das Gesammtbild in malerischer Weise ab. Die Tafelbai war lange Zeit eine offene und nicht wenig gefährdete Rhede, auf welcher die Schiffe mannigfachem Ungemache ausgesetzt blieben, so dass man sich eigentlich wundern muss, weshalb gerade dieser Punkt zur Anlage der Stadt gewählt worden ist. Anfänglich erwog man diese Umstände nicht und als man später deren Nachtheile erkannte, konnte man sich nicht mehr leicht zu einer vollständigen Uebersiedlung entschliessen. Erst im Jahre 1860 entschloss man sich zur Anlage eines künstlichen Hafens, der nunmehr, nicht ohne grosse Schwierigkeiten während seines Baues, in seinem wichtigsten Theile zu Ende geführt und Schiffen bis zu 8 m Tiefgang zugänglich ist, während die im Süden von der Tafelbai jenseits des Caps der guten Hoffnung gelegene Simonsbai den grössten Schiffen sicheren Ankergrund bietet. Die Hafenanlagen bestehen hauptsächlich aus einem kolossalen, in der Richtung von Südwest nach Nordost gehenden, an seinem Ende sanft gekrümmten Wellenbrecher. Von dem Wellenbrecher gehen zwei Molen aus. Ausserdem hat man zwei Bassins, das Innen-Bassin und das Alfred-Bassin errichtet, an welch letzterem sich auch ein Trockendock (Robinson Dry Dock) und eine „Patent Slip“ für Schiffe bis zu 1000 T Gehalt befindet. Leuchtfeuer auf der Robbeninsel und auf den Spitzen Green und Mouillé, sowie ein Hafenfeuer an der Spitze des Wellenbrechers erleichtern das Einlaufen von Schiffen bei Nacht. Die Hafenanlagen, welche noch erweitert werden sollen, sind mit allen modernen Hilfsmitteln für den Umschlag der Waare ausge- stattet und werden durch elektrisches Licht beleuchtet. Geräumige Magazine und Güterschoppen sind vorhanden und Geleise führen nach allen Richtungen die beladenen oder zum Laden bestimmten Waggons. Die ganze neue Hafenanlage bildet einen in sich ge- schlossenen Complex ausserhalb der eigentlichen Stadt. Dieser Com- plex ist durch eine Mauer abgesperrt und besitzt nur ein einziges Thor, durch welches man nach der eigentlichen Stadt gelangt. Die Stadt selbst macht einen sehr günstigen Eindruck und hat einen

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/692>, abgerufen am 22.11.2024.