Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

Boston.
dort wurden 1888 ungefähr 215.000 Kistchen Orangen und 70.000 Kistchen
Citronen direct bezogen. Die Dampfer, deren man sich jetzt in diesem Zweige des
Handels fast ausschliesslich bedient, laufen auf der Herreise wohl auch spanische
Häfen, wie Valencia und Malaga, an, um mit der dortigen Frucht die Ladung zu
vervollständigen. Der Verkauf geschieht auf öffentlichen Auctionen gleich nach
Ankunft der Dampfer.

Aus Grossbritannien und den Niederlanden werden regelmässig Kartoffeln
über Hamburg und Bremen, Bohnen aus Deutschland und Oesterreich eingeführt,
wenn die Ernte der kleinen, weissen Gattung, die in der Union gebaut wird, misslingt.

Man führt ferner ein: Eier (1888 um 257.274 Dollars), Speiseöle aus Süd-
europa, Wein, Bier und Spirituosen (1888 um 677.568 Dollars). Einen Haupttheil
des Importes bilden jedoch die Producte der europäischen Textilindustrie, nament-
lich Schafwollwaaren (Fiscaljahr 1888 3·3 Millionen Dollars), Leinenwaaren (1888
1·7 Millionen Dollars) und Baumwollwaaren (1888 1·6 Millionen Dollars), dann
Chemikalien, Eisen und Stahl (Fiscaljahr 1888 5·6 Millionen Dollars),
Papier, Glas- und Porzellanwaaren.

Bei Eisen ist zu bemerken, dass das aus Europa bezogene Eisen nicht mehr
wie früher in den Neu-Englandstaaten verarbeitet wird, sondern direct nach Penn-
sylvanien geht, wo es mit dem einheimischen Eisen vermischt wird. Die Eisen-
industrie der Neu-Englandstaaten geht eben zurück, und namentlich die Nägel-
fabriken, welche ehedem das ganze Land versorgten, müssen der Concurrenz der
westlichen Staaten weichen.

Die Seefischerei war für Boston von jeher ein bedeutender Factor des
Wohlstandes.

Der Hafen ist ein Ausgangspunkt für den Walfischfang. Von den 106 Schiffen,
welche die Vereinigten Staaten darin beschäftigen, gehören 83 dem Staate Massa-
chusetts an. Die reichsten "Walfischwiesen" und das wichtigste Gebiet für den Fang
der Stockfische und Robben sind die Gewässer im Süden von Neufoundland.

An den Küsten der Neu-Englandstaaten ist jedoch seit einigen Jahren der
Betrieb der Fischerei sehr wenig ergiebig; die Fischer müssen nördliche Gewässer
aufsuchen, die Preise für alle Fischgattungen sind gestiegen. Den grössten Rück-
gang weist der Fang von Makrelen aus, dieser ergab 1885 330.033 Fässer, 1886
89.315, 1887 78.000 und 1888 gar nur 40.769 Fässer; man führt jetzt diesen
Fisch aus England und Irland zu. Die Makrelen meiden die Nähe von Massa-
chusetts und streichen an den Küsten der britischen Besitzungen. Von besonderer
Wichtigkeit für den Markt sind Häringe und Stockfische.

Der Schiffbau, einst in Boston so bedeutend, bildet ein vernachlässigtes
Gebiet der Industrie; man baut hier nur mehr kleine Küstenschooner und kleine
Dampfer für den Localverkehr. Ansehnlicher ist der Schiffbau im Staate Maine,
besonders in Portland, dessen wichtigstem Hafen. Die Concurrenz der grossen
englischen Werften, wo man Stahlschiffe baut, vernichtet den Schiffbau Amerikas.

Schiffsverkehr Bostons:

[Tabelle]

6*

Boston.
dort wurden 1888 ungefähr 215.000 Kistchen Orangen und 70.000 Kistchen
Citronen direct bezogen. Die Dampfer, deren man sich jetzt in diesem Zweige des
Handels fast ausschliesslich bedient, laufen auf der Herreise wohl auch spanische
Häfen, wie Valencia und Malaga, an, um mit der dortigen Frucht die Ladung zu
vervollständigen. Der Verkauf geschieht auf öffentlichen Auctionen gleich nach
Ankunft der Dampfer.

Aus Grossbritannien und den Niederlanden werden regelmässig Kartoffeln
über Hamburg und Bremen, Bohnen aus Deutschland und Oesterreich eingeführt,
wenn die Ernte der kleinen, weissen Gattung, die in der Union gebaut wird, misslingt.

Man führt ferner ein: Eier (1888 um 257.274 Dollars), Speiseöle aus Süd-
europa, Wein, Bier und Spirituosen (1888 um 677.568 Dollars). Einen Haupttheil
des Importes bilden jedoch die Producte der europäischen Textilindustrie, nament-
lich Schafwollwaaren (Fiscaljahr 1888 3·3 Millionen Dollars), Leinenwaaren (1888
1·7 Millionen Dollars) und Baumwollwaaren (1888 1·6 Millionen Dollars), dann
Chemikalien, Eisen und Stahl (Fiscaljahr 1888 5·6 Millionen Dollars),
Papier, Glas- und Porzellanwaaren.

Bei Eisen ist zu bemerken, dass das aus Europa bezogene Eisen nicht mehr
wie früher in den Neu-Englandstaaten verarbeitet wird, sondern direct nach Penn-
sylvanien geht, wo es mit dem einheimischen Eisen vermischt wird. Die Eisen-
industrie der Neu-Englandstaaten geht eben zurück, und namentlich die Nägel-
fabriken, welche ehedem das ganze Land versorgten, müssen der Concurrenz der
westlichen Staaten weichen.

Die Seefischerei war für Boston von jeher ein bedeutender Factor des
Wohlstandes.

Der Hafen ist ein Ausgangspunkt für den Walfischfang. Von den 106 Schiffen,
welche die Vereinigten Staaten darin beschäftigen, gehören 83 dem Staate Massa-
chusetts an. Die reichsten „Walfischwiesen“ und das wichtigste Gebiet für den Fang
der Stockfische und Robben sind die Gewässer im Süden von Neufoundland.

An den Küsten der Neu-Englandstaaten ist jedoch seit einigen Jahren der
Betrieb der Fischerei sehr wenig ergiebig; die Fischer müssen nördliche Gewässer
aufsuchen, die Preise für alle Fischgattungen sind gestiegen. Den grössten Rück-
gang weist der Fang von Makrelen aus, dieser ergab 1885 330.033 Fässer, 1886
89.315, 1887 78.000 und 1888 gar nur 40.769 Fässer; man führt jetzt diesen
Fisch aus England und Irland zu. Die Makrelen meiden die Nähe von Massa-
chusetts und streichen an den Küsten der britischen Besitzungen. Von besonderer
Wichtigkeit für den Markt sind Häringe und Stockfische.

Der Schiffbau, einst in Boston so bedeutend, bildet ein vernachlässigtes
Gebiet der Industrie; man baut hier nur mehr kleine Küstenschooner und kleine
Dampfer für den Localverkehr. Ansehnlicher ist der Schiffbau im Staate Maine,
besonders in Portland, dessen wichtigstem Hafen. Die Concurrenz der grossen
englischen Werften, wo man Stahlschiffe baut, vernichtet den Schiffbau Amerikas.

Schiffsverkehr Bostons:

[Tabelle]

6*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0059" n="43"/><fw place="top" type="header">Boston.</fw><lb/>
dort wurden 1888 ungefähr 215.000 Kistchen Orangen und 70.000 Kistchen<lb/>
Citronen direct bezogen. Die Dampfer, deren man sich jetzt in diesem Zweige des<lb/>
Handels fast ausschliesslich bedient, laufen auf der Herreise wohl auch spanische<lb/>
Häfen, wie Valencia und Malaga, an, um mit der dortigen Frucht die Ladung zu<lb/>
vervollständigen. Der Verkauf geschieht auf öffentlichen Auctionen gleich nach<lb/>
Ankunft der Dampfer.</p><lb/>
          <p>Aus Grossbritannien und den Niederlanden werden regelmässig <hi rendition="#g">Kartoffeln</hi><lb/>
über Hamburg und Bremen, <hi rendition="#g">Bohnen</hi> aus Deutschland und Oesterreich eingeführt,<lb/>
wenn die Ernte der kleinen, weissen Gattung, die in der Union gebaut wird, misslingt.</p><lb/>
          <p>Man führt ferner ein: <hi rendition="#g">Eier</hi> (1888 um 257.274 Dollars), <hi rendition="#g">Speiseöle</hi> aus Süd-<lb/>
europa, <hi rendition="#g">Wein, Bier</hi> und <hi rendition="#g">Spirituosen</hi> (1888 um 677.568 Dollars). Einen Haupttheil<lb/>
des Importes bilden jedoch die Producte der europäischen <hi rendition="#g">Textilindustrie</hi>, nament-<lb/>
lich Schafwollwaaren (Fiscaljahr 1888 3·3 Millionen Dollars), Leinenwaaren (1888<lb/>
1·7 Millionen Dollars) und Baumwollwaaren (1888 1·6 Millionen Dollars), dann<lb/><hi rendition="#g">Chemikalien, Eisen</hi> und <hi rendition="#g">Stahl</hi> (Fiscaljahr 1888 5·6 Millionen Dollars),<lb/><hi rendition="#g">Papier, Glas</hi>- und <hi rendition="#g">Porzellanwaaren</hi>.</p><lb/>
          <p>Bei Eisen ist zu bemerken, dass das aus Europa bezogene Eisen nicht mehr<lb/>
wie früher in den Neu-Englandstaaten verarbeitet wird, sondern direct nach Penn-<lb/>
sylvanien geht, wo es mit dem einheimischen Eisen vermischt wird. Die Eisen-<lb/>
industrie der Neu-Englandstaaten geht eben zurück, und namentlich die Nägel-<lb/>
fabriken, welche ehedem das ganze Land versorgten, müssen der Concurrenz der<lb/>
westlichen Staaten weichen.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Seefischerei</hi> war für Boston von jeher ein bedeutender Factor des<lb/>
Wohlstandes.</p><lb/>
          <p>Der Hafen ist ein Ausgangspunkt für den Walfischfang. Von den 106 Schiffen,<lb/>
welche die Vereinigten Staaten darin beschäftigen, gehören 83 dem Staate Massa-<lb/>
chusetts an. Die reichsten &#x201E;Walfischwiesen&#x201C; und das wichtigste Gebiet für den Fang<lb/>
der Stockfische und Robben sind die Gewässer im Süden von Neufoundland.</p><lb/>
          <p>An den Küsten der Neu-Englandstaaten ist jedoch seit einigen Jahren der<lb/>
Betrieb der Fischerei sehr wenig ergiebig; die Fischer müssen nördliche Gewässer<lb/>
aufsuchen, die Preise für alle Fischgattungen sind gestiegen. Den grössten Rück-<lb/>
gang weist der Fang von Makrelen aus, dieser ergab 1885 330.033 Fässer, 1886<lb/>
89.315, 1887 78.000 und 1888 gar nur 40.769 Fässer; man führt jetzt diesen<lb/>
Fisch aus England und Irland zu. Die Makrelen meiden die Nähe von Massa-<lb/>
chusetts und streichen an den Küsten der britischen Besitzungen. Von besonderer<lb/>
Wichtigkeit für den Markt sind Häringe und Stockfische.</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#g">Schiffbau</hi>, einst in Boston so bedeutend, bildet ein vernachlässigtes<lb/>
Gebiet der Industrie; man baut hier nur mehr kleine Küstenschooner und kleine<lb/>
Dampfer für den Localverkehr. Ansehnlicher ist der Schiffbau im Staate Maine,<lb/>
besonders in Portland, dessen wichtigstem Hafen. Die Concurrenz der grossen<lb/>
englischen Werften, wo man Stahlschiffe baut, vernichtet den Schiffbau Amerikas.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Schiffsverkehr Bostons:</hi> </hi> </p><lb/>
          <table>
            <row>
              <cell/>
            </row>
          </table>
          <fw place="bottom" type="sig">6*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0059] Boston. dort wurden 1888 ungefähr 215.000 Kistchen Orangen und 70.000 Kistchen Citronen direct bezogen. Die Dampfer, deren man sich jetzt in diesem Zweige des Handels fast ausschliesslich bedient, laufen auf der Herreise wohl auch spanische Häfen, wie Valencia und Malaga, an, um mit der dortigen Frucht die Ladung zu vervollständigen. Der Verkauf geschieht auf öffentlichen Auctionen gleich nach Ankunft der Dampfer. Aus Grossbritannien und den Niederlanden werden regelmässig Kartoffeln über Hamburg und Bremen, Bohnen aus Deutschland und Oesterreich eingeführt, wenn die Ernte der kleinen, weissen Gattung, die in der Union gebaut wird, misslingt. Man führt ferner ein: Eier (1888 um 257.274 Dollars), Speiseöle aus Süd- europa, Wein, Bier und Spirituosen (1888 um 677.568 Dollars). Einen Haupttheil des Importes bilden jedoch die Producte der europäischen Textilindustrie, nament- lich Schafwollwaaren (Fiscaljahr 1888 3·3 Millionen Dollars), Leinenwaaren (1888 1·7 Millionen Dollars) und Baumwollwaaren (1888 1·6 Millionen Dollars), dann Chemikalien, Eisen und Stahl (Fiscaljahr 1888 5·6 Millionen Dollars), Papier, Glas- und Porzellanwaaren. Bei Eisen ist zu bemerken, dass das aus Europa bezogene Eisen nicht mehr wie früher in den Neu-Englandstaaten verarbeitet wird, sondern direct nach Penn- sylvanien geht, wo es mit dem einheimischen Eisen vermischt wird. Die Eisen- industrie der Neu-Englandstaaten geht eben zurück, und namentlich die Nägel- fabriken, welche ehedem das ganze Land versorgten, müssen der Concurrenz der westlichen Staaten weichen. Die Seefischerei war für Boston von jeher ein bedeutender Factor des Wohlstandes. Der Hafen ist ein Ausgangspunkt für den Walfischfang. Von den 106 Schiffen, welche die Vereinigten Staaten darin beschäftigen, gehören 83 dem Staate Massa- chusetts an. Die reichsten „Walfischwiesen“ und das wichtigste Gebiet für den Fang der Stockfische und Robben sind die Gewässer im Süden von Neufoundland. An den Küsten der Neu-Englandstaaten ist jedoch seit einigen Jahren der Betrieb der Fischerei sehr wenig ergiebig; die Fischer müssen nördliche Gewässer aufsuchen, die Preise für alle Fischgattungen sind gestiegen. Den grössten Rück- gang weist der Fang von Makrelen aus, dieser ergab 1885 330.033 Fässer, 1886 89.315, 1887 78.000 und 1888 gar nur 40.769 Fässer; man führt jetzt diesen Fisch aus England und Irland zu. Die Makrelen meiden die Nähe von Massa- chusetts und streichen an den Küsten der britischen Besitzungen. Von besonderer Wichtigkeit für den Markt sind Häringe und Stockfische. Der Schiffbau, einst in Boston so bedeutend, bildet ein vernachlässigtes Gebiet der Industrie; man baut hier nur mehr kleine Küstenschooner und kleine Dampfer für den Localverkehr. Ansehnlicher ist der Schiffbau im Staate Maine, besonders in Portland, dessen wichtigstem Hafen. Die Concurrenz der grossen englischen Werften, wo man Stahlschiffe baut, vernichtet den Schiffbau Amerikas. Schiffsverkehr Bostons: 6*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/59
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/59>, abgerufen am 23.11.2024.