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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der indische Ocean.
Jänner tritt häufig starker Thaufall auf, vom Mai bis November weht
der Südwestmonsun schwach und bringt nur wenig Feuchtigkeit mit
sich. Im März und April, mitunter auch noch im Mai, treten tags-
über feuchte Seebrisen (Longshore) auf, die Abends von einem lästigen
warmen Landwind abgelöst werden. Die eigentliche Regenzeit fällt
in den Monat November.

Südlich von Madras liegt der Mount, ein isolirter Felsen von
etwa 100 m Höhe, auf dem die Kirche "Zur Verkündigung der
heiligen Jungfrau" liegt, die von den Portugiesen erbaut wurde, der-
zeit aber den Armeniern gehört. Hinter dem Altare befindet sich
eine nestorianische Inschrift in sassanidischem Sehlewi, die aus
dem Jahre 801 n. Chr. stammt, des Inhaltes: "Immer rein. Durch
ihre Gnade trug er das Kreuz."

Hier soll der heilige Thomas gewirkt und seinen Märtyrertod
gefunden haben; die syrische Kirche in Malabar leitet -- allerdings
ohne Grund -- ihren Ursprung von dieser Legende ab. Immerhin
spricht schon Marco Polo von der christlichen Colonie von Mailapur,
die sich nahe der Stelle des jetzigen Madras befand.

Nach dem Umfange seines auswärtigen Handels ist Madras der
vierte Hafen von Britisch-Indien und folgt unmittelbar auf Rangoon.
Der Platz empfindet sehr stark den Mitbewerb von Bombay, das sich
einer viel besseren geographischen Lage, eines ausgezeichneten Hafens
und vieler Schiffsverbindungen zu erfreuen hat, während hier seit
1888 die Dampfer der Peninsular and Oriental Cy. nicht mehr
regelmässig für Frachten anlaufen.

Für den Handelsverkehr des Hafens Madras fehlen uns specielle stati-
stische Ausweise; die in dem "Annual volume of the sea-borne trade and naviga-
tion of the Madras Presidency" veröffentlichten Berichte umfassen den Handel der
ganzen Präsidentschaft Madras, den wir unserer Darstellung zu Grunde legen.
Wir müssen aber gleich bemerken, dass in der Präsidentschaft Madras der Hafen
Madras nicht in dem Masse die beherrschende Rolle spielt, wie Calcutta in
Bengalen, da beispielsweise 1890 im auswärtigen Waarenhandel auf Madras
ein Werth von 103,393.000 Rup. und auf den nächstwichtigen Hafen Tuticorin
22,647.000 Rup. entfielen.

Es bezifferte sich 1889/90 der gesammte Handel der Präsidentschaft Madras
ohne den Regierungsverkehr auf 237,026.425 Rup., wovon 143,808.500 Rup. auf
die Ausfuhr und 93,217.925 Rup. auf die Einfuhr entfallen.

Der Handel mit dem Auslande umfasste, der Verkehr für Rechnung der
Regierung und den in Edelmetallen ausgeschlossen, 176,812.526 Rup., der Handel
mit britischen Häfen in anderen Präsidentschaften Indiens 55,560.188 Rup., der
Handel mit nichtbritischen indischen Häfen 4,653.711 Rup.

Den grössten Antheil an diesem Handel hat Grossbritannien mit 119,588.522
Rup. in der Ein- und Ausfuhr zusammen. Diesem zunächst steht Ceylon mit

Der indische Ocean.
Jänner tritt häufig starker Thaufall auf, vom Mai bis November weht
der Südwestmonsun schwach und bringt nur wenig Feuchtigkeit mit
sich. Im März und April, mitunter auch noch im Mai, treten tags-
über feuchte Seebrisen (Longshore) auf, die Abends von einem lästigen
warmen Landwind abgelöst werden. Die eigentliche Regenzeit fällt
in den Monat November.

Südlich von Madras liegt der Mount, ein isolirter Felsen von
etwa 100 m Höhe, auf dem die Kirche „Zur Verkündigung der
heiligen Jungfrau“ liegt, die von den Portugiesen erbaut wurde, der-
zeit aber den Armeniern gehört. Hinter dem Altare befindet sich
eine nestorianische Inschrift in sassanidischem Sehlewi, die aus
dem Jahre 801 n. Chr. stammt, des Inhaltes: „Immer rein. Durch
ihre Gnade trug er das Kreuz.“

Hier soll der heilige Thomas gewirkt und seinen Märtyrertod
gefunden haben; die syrische Kirche in Malabar leitet — allerdings
ohne Grund — ihren Ursprung von dieser Legende ab. Immerhin
spricht schon Marco Polo von der christlichen Colonie von Maïlapur,
die sich nahe der Stelle des jetzigen Madras befand.

Nach dem Umfange seines auswärtigen Handels ist Madras der
vierte Hafen von Britisch-Indien und folgt unmittelbar auf Rangoon.
Der Platz empfindet sehr stark den Mitbewerb von Bombay, das sich
einer viel besseren geographischen Lage, eines ausgezeichneten Hafens
und vieler Schiffsverbindungen zu erfreuen hat, während hier seit
1888 die Dampfer der Peninsular and Oriental Cy. nicht mehr
regelmässig für Frachten anlaufen.

Für den Handelsverkehr des Hafens Madras fehlen uns specielle stati-
stische Ausweise; die in dem „Annual volume of the sea-borne trade and naviga-
tion of the Madras Presidency“ veröffentlichten Berichte umfassen den Handel der
ganzen Präsidentschaft Madras, den wir unserer Darstellung zu Grunde legen.
Wir müssen aber gleich bemerken, dass in der Präsidentschaft Madras der Hafen
Madras nicht in dem Masse die beherrschende Rolle spielt, wie Calcutta in
Bengalen, da beispielsweise 1890 im auswärtigen Waarenhandel auf Madras
ein Werth von 103,393.000 Rup. und auf den nächstwichtigen Hafen Tuticorin
22,647.000 Rup. entfielen.

Es bezifferte sich 1889/90 der gesammte Handel der Präsidentschaft Madras
ohne den Regierungsverkehr auf 237,026.425 Rup., wovon 143,808.500 Rup. auf
die Ausfuhr und 93,217.925 Rup. auf die Einfuhr entfallen.

Der Handel mit dem Auslande umfasste, der Verkehr für Rechnung der
Regierung und den in Edelmetallen ausgeschlossen, 176,812.526 Rup., der Handel
mit britischen Häfen in anderen Präsidentschaften Indiens 55,560.188 Rup., der
Handel mit nichtbritischen indischen Häfen 4,653.711 Rup.

Den grössten Antheil an diesem Handel hat Grossbritannien mit 119,588.522
Rup. in der Ein- und Ausfuhr zusammen. Diesem zunächst steht Ceylon mit

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[572/0588] Der indische Ocean. Jänner tritt häufig starker Thaufall auf, vom Mai bis November weht der Südwestmonsun schwach und bringt nur wenig Feuchtigkeit mit sich. Im März und April, mitunter auch noch im Mai, treten tags- über feuchte Seebrisen (Longshore) auf, die Abends von einem lästigen warmen Landwind abgelöst werden. Die eigentliche Regenzeit fällt in den Monat November. Südlich von Madras liegt der Mount, ein isolirter Felsen von etwa 100 m Höhe, auf dem die Kirche „Zur Verkündigung der heiligen Jungfrau“ liegt, die von den Portugiesen erbaut wurde, der- zeit aber den Armeniern gehört. Hinter dem Altare befindet sich eine nestorianische Inschrift in sassanidischem Sehlewi, die aus dem Jahre 801 n. Chr. stammt, des Inhaltes: „Immer rein. Durch ihre Gnade trug er das Kreuz.“ Hier soll der heilige Thomas gewirkt und seinen Märtyrertod gefunden haben; die syrische Kirche in Malabar leitet — allerdings ohne Grund — ihren Ursprung von dieser Legende ab. Immerhin spricht schon Marco Polo von der christlichen Colonie von Maïlapur, die sich nahe der Stelle des jetzigen Madras befand. Nach dem Umfange seines auswärtigen Handels ist Madras der vierte Hafen von Britisch-Indien und folgt unmittelbar auf Rangoon. Der Platz empfindet sehr stark den Mitbewerb von Bombay, das sich einer viel besseren geographischen Lage, eines ausgezeichneten Hafens und vieler Schiffsverbindungen zu erfreuen hat, während hier seit 1888 die Dampfer der Peninsular and Oriental Cy. nicht mehr regelmässig für Frachten anlaufen. Für den Handelsverkehr des Hafens Madras fehlen uns specielle stati- stische Ausweise; die in dem „Annual volume of the sea-borne trade and naviga- tion of the Madras Presidency“ veröffentlichten Berichte umfassen den Handel der ganzen Präsidentschaft Madras, den wir unserer Darstellung zu Grunde legen. Wir müssen aber gleich bemerken, dass in der Präsidentschaft Madras der Hafen Madras nicht in dem Masse die beherrschende Rolle spielt, wie Calcutta in Bengalen, da beispielsweise 1890 im auswärtigen Waarenhandel auf Madras ein Werth von 103,393.000 Rup. und auf den nächstwichtigen Hafen Tuticorin 22,647.000 Rup. entfielen. Es bezifferte sich 1889/90 der gesammte Handel der Präsidentschaft Madras ohne den Regierungsverkehr auf 237,026.425 Rup., wovon 143,808.500 Rup. auf die Ausfuhr und 93,217.925 Rup. auf die Einfuhr entfallen. Der Handel mit dem Auslande umfasste, der Verkehr für Rechnung der Regierung und den in Edelmetallen ausgeschlossen, 176,812.526 Rup., der Handel mit britischen Häfen in anderen Präsidentschaften Indiens 55,560.188 Rup., der Handel mit nichtbritischen indischen Häfen 4,653.711 Rup. Den grössten Antheil an diesem Handel hat Grossbritannien mit 119,588.522 Rup. in der Ein- und Ausfuhr zusammen. Diesem zunächst steht Ceylon mit

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/588>, abgerufen am 22.11.2024.