alle in diesem Hafen liegenden Dampfer zur Zeit der Stürme -- October, November und December -- stillen Dampf halten, um ebenso wie die auf der Rhede verankerten Segelschiffe auf das erste Signal (Sturmwarnung) des Hafenamtes sofort in See gehen zu können.
Madras ist für indische Begriffe eine junge Stadt. Francis Day über- siedelte im Jahre 1639 von seiner 62 km nördlicher gelegenen Factorei Armagon (an deren Stelle sich zwar ein durch eine Sandbank geschützter Hafen, Blackwood's Harbour, aber nicht genügend taugliches Terrain für die Erbauung einer Stadt befand) nach dem Orte des gegenwärtigen Madras, theilweise auch aus dem Grunde, um den Bedrückungen des Königs von Golkonda zu entgehen. Vorher schon hatte er im Auftrage der Ostindischen Compagnie vom Rajah von Chaudagiri die Be- willigung erworben, an dieser Stelle eine Factorei zu gründen und zu befestigen, worauf bereits 1641 das Fort St. George erbaut wurde.
Im Jahre 1653 zu einer eigenen Präsidentschaft erhoben, wurde Madras 1702 von Daud Khan und 1741 von den Mahratten (Marathen) erfolglos be- lagert. Zwei Jahre nach Beginn der Kämpfe zwischen England und Frankreich um die Oberherrschaft in Indien (1744 bis 1761) eroberte Labourdonnais die Stadt, die später durch die Bestimmungen des Aachener Friedens wieder in englischen Besitz zurückkehrte.
Eine zweite französische Belagerung 1758 unter Lally wurde durch die zum Entsatze der angegriffenen Stadt herbeigeeilte englische Flotte zurückgewiesen; die Bedrohung von Madras durch die Reiterschaaren Hyder (Haider) Alis in den Jahren 1769 und 1780 blieb gleichfalls erfolglos.
Am 15. December 1875 wurde anlässlich der Anwesenheit des Prinzen von Wales der Grundstein des seither vollendeten künstlichen Hafens gelegt, im Jahre 1881 aber ein Theil der erst 1880 beendeten Hafenbauten durch einen Drehsturm wieder zerstört.
Madras ist ausserordentlich niedrig und flach gelegen, weshalb man von der Seeseite aus keine Uebersicht der Stadt geniesst. Andererseits ist es auch zumeist der unschönste Theil der Stadt, der an den Meeresstrand grenzt, so dass dieselbe von der See aus ge- sehen keinen günstigen Eindruck hervorzurufen im Stande ist.
Das unter 13° 4' nördlicher Breite und 80° 17' östlicher Länge gelegene Fort St. George grenzt unmittelbar an den Strand. Eine Seite der Festungsmauern liegt der Brandung so nahe, dass die Fundamente schon öfters bedeutende Senkungen gezeigt und grössere Reparaturen nothwendig gemacht haben. Landeinwärts bildet das Fort einen weiten Halbkreis mit zahlreichen Redans und einem vor- liegenden, sehr tiefen Festungsgraben, der mehrere Fuss hoch mit Wasser gefüllt ist. Innerhalb dieser Werke befinden sich mehrere Regierungsämter, das Arsenal, die St. Mary-Kirche, im nördlichen Theile zwei vortrefflich eingerichtete Baracken zur Unterbringung der Besatzung, schliesslich im südlichen Theile eine Salutbatterie. Im Regierungsgebäude liegt die General Hall, welche den Empfangsraum
Madras.
alle in diesem Hafen liegenden Dampfer zur Zeit der Stürme — October, November und December — stillen Dampf halten, um ebenso wie die auf der Rhede verankerten Segelschiffe auf das erste Signal (Sturmwarnung) des Hafenamtes sofort in See gehen zu können.
Madras ist für indische Begriffe eine junge Stadt. Francis Day über- siedelte im Jahre 1639 von seiner 62 km nördlicher gelegenen Factorei Armagon (an deren Stelle sich zwar ein durch eine Sandbank geschützter Hafen, Blackwood’s Harbour, aber nicht genügend taugliches Terrain für die Erbauung einer Stadt befand) nach dem Orte des gegenwärtigen Madras, theilweise auch aus dem Grunde, um den Bedrückungen des Königs von Golkonda zu entgehen. Vorher schon hatte er im Auftrage der Ostindischen Compagnie vom Rajah von Chaudagiri die Be- willigung erworben, an dieser Stelle eine Factorei zu gründen und zu befestigen, worauf bereits 1641 das Fort St. George erbaut wurde.
Im Jahre 1653 zu einer eigenen Präsidentschaft erhoben, wurde Madras 1702 von Dáud Khan und 1741 von den Mahratten (Marathen) erfolglos be- lagert. Zwei Jahre nach Beginn der Kämpfe zwischen England und Frankreich um die Oberherrschaft in Indien (1744 bis 1761) eroberte Labourdonnais die Stadt, die später durch die Bestimmungen des Aachener Friedens wieder in englischen Besitz zurückkehrte.
Eine zweite französische Belagerung 1758 unter Lally wurde durch die zum Entsatze der angegriffenen Stadt herbeigeeilte englische Flotte zurückgewiesen; die Bedrohung von Madras durch die Reiterschaaren Hyder (Haider) Alis in den Jahren 1769 und 1780 blieb gleichfalls erfolglos.
Am 15. December 1875 wurde anlässlich der Anwesenheit des Prinzen von Wales der Grundstein des seither vollendeten künstlichen Hafens gelegt, im Jahre 1881 aber ein Theil der erst 1880 beendeten Hafenbauten durch einen Drehsturm wieder zerstört.
Madras ist ausserordentlich niedrig und flach gelegen, weshalb man von der Seeseite aus keine Uebersicht der Stadt geniesst. Andererseits ist es auch zumeist der unschönste Theil der Stadt, der an den Meeresstrand grenzt, so dass dieselbe von der See aus ge- sehen keinen günstigen Eindruck hervorzurufen im Stande ist.
Das unter 13° 4′ nördlicher Breite und 80° 17′ östlicher Länge gelegene Fort St. George grenzt unmittelbar an den Strand. Eine Seite der Festungsmauern liegt der Brandung so nahe, dass die Fundamente schon öfters bedeutende Senkungen gezeigt und grössere Reparaturen nothwendig gemacht haben. Landeinwärts bildet das Fort einen weiten Halbkreis mit zahlreichen Redans und einem vor- liegenden, sehr tiefen Festungsgraben, der mehrere Fuss hoch mit Wasser gefüllt ist. Innerhalb dieser Werke befinden sich mehrere Regierungsämter, das Arsenal, die St. Mary-Kirche, im nördlichen Theile zwei vortrefflich eingerichtete Baracken zur Unterbringung der Besatzung, schliesslich im südlichen Theile eine Salutbatterie. Im Regierungsgebäude liegt die General Hall, welche den Empfangsraum
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Madras.
alle in diesem Hafen liegenden Dampfer zur Zeit der Stürme —
October, November und December — stillen Dampf halten, um ebenso
wie die auf der Rhede verankerten Segelschiffe auf das erste Signal
(Sturmwarnung) des Hafenamtes sofort in See gehen zu können.
Madras ist für indische Begriffe eine junge Stadt. Francis Day über-
siedelte im Jahre 1639 von seiner 62 km nördlicher gelegenen Factorei Armagon
(an deren Stelle sich zwar ein durch eine Sandbank geschützter Hafen, Blackwood’s
Harbour, aber nicht genügend taugliches Terrain für die Erbauung einer Stadt
befand) nach dem Orte des gegenwärtigen Madras, theilweise auch aus dem Grunde,
um den Bedrückungen des Königs von Golkonda zu entgehen. Vorher schon hatte
er im Auftrage der Ostindischen Compagnie vom Rajah von Chaudagiri die Be-
willigung erworben, an dieser Stelle eine Factorei zu gründen und zu befestigen,
worauf bereits 1641 das Fort St. George erbaut wurde.
Im Jahre 1653 zu einer eigenen Präsidentschaft erhoben, wurde Madras
1702 von Dáud Khan und 1741 von den Mahratten (Marathen) erfolglos be-
lagert. Zwei Jahre nach Beginn der Kämpfe zwischen England und Frankreich
um die Oberherrschaft in Indien (1744 bis 1761) eroberte Labourdonnais die Stadt,
die später durch die Bestimmungen des Aachener Friedens wieder in englischen
Besitz zurückkehrte.
Eine zweite französische Belagerung 1758 unter Lally wurde durch die zum
Entsatze der angegriffenen Stadt herbeigeeilte englische Flotte zurückgewiesen;
die Bedrohung von Madras durch die Reiterschaaren Hyder (Haider) Alis in den
Jahren 1769 und 1780 blieb gleichfalls erfolglos.
Am 15. December 1875 wurde anlässlich der Anwesenheit des Prinzen von
Wales der Grundstein des seither vollendeten künstlichen Hafens gelegt, im Jahre
1881 aber ein Theil der erst 1880 beendeten Hafenbauten durch einen Drehsturm
wieder zerstört.
Madras ist ausserordentlich niedrig und flach gelegen, weshalb
man von der Seeseite aus keine Uebersicht der Stadt geniesst.
Andererseits ist es auch zumeist der unschönste Theil der Stadt, der
an den Meeresstrand grenzt, so dass dieselbe von der See aus ge-
sehen keinen günstigen Eindruck hervorzurufen im Stande ist.
Das unter 13° 4′ nördlicher Breite und 80° 17′ östlicher Länge
gelegene Fort St. George grenzt unmittelbar an den Strand. Eine
Seite der Festungsmauern liegt der Brandung so nahe, dass die
Fundamente schon öfters bedeutende Senkungen gezeigt und grössere
Reparaturen nothwendig gemacht haben. Landeinwärts bildet das
Fort einen weiten Halbkreis mit zahlreichen Redans und einem vor-
liegenden, sehr tiefen Festungsgraben, der mehrere Fuss hoch mit
Wasser gefüllt ist. Innerhalb dieser Werke befinden sich mehrere
Regierungsämter, das Arsenal, die St. Mary-Kirche, im nördlichen
Theile zwei vortrefflich eingerichtete Baracken zur Unterbringung der
Besatzung, schliesslich im südlichen Theile eine Salutbatterie. Im
Regierungsgebäude liegt die General Hall, welche den Empfangsraum
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/581>, abgerufen am 22.11.2024.
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