Trotz der ungünstigen Verhältnisse des Grundes und Bodens, auf dem Calcutta steht, ist es eine Grossstadt geworden, eine der theuersten Städte der Erde, in welcher sich der Luxus des Orientes und der des Occidentes vereinigen. Mit der Ausbreitung der britischen Macht in Indien erweiterten sich auch die Grenzen seines Weich- bildes. Als wichtigster Stützpunkt der Engländer in Bengalen, dem reichsten und am dichtesten bevölkerten Theile der Halbinsel, wurde es zunächst Hauptstadt dieses Landes und später des ganzen englisch- indischen Reiches. Zur politischen Herrschaft gesellte sich auch die commercielle. Erst die Eröffnung des Suezcanals und der Ausbau des indischen Eisenbahnnetzes, welches keine Stadt so stark wie Bombay begünstigt, verschafften diesem letzteren Hafen, der Europa viel näher liegt als Calcutta, die Vorherrschaft im Aussenhandel Indiens.
Calcutta ist jetzt an die zweite Stelle gedrängt und findet nur allmälig in den Landschaften am Brahmaputra Ersatz für das reiche Handelsgebiet, welches es im Westen endgiltig an Bombay verloren hat. Nach dem Plane der Regierung soll die Stadt Ausgangspunkt einer wichtigen Handelsstrasse nach Yünnan werden und auch die Bemühungen der Engländer, ihren Waaren und Kaufleuten Ein- gang in das bis jetzt verschlossene Tibet zu verschaffen, würden in erster Linie Calcutta zu Gute kommen. Die Engländer haben bereits eine Eisenbahn nach Darjeeling an der Grenze von Tibet gebaut, und die chinesische Regierung hat sich bereit erklärt, die Wünsche der Engländer zu erfüllen, aber sie hat in Tibet wenig zu reden; da wird wohl früher der Ende 1890 begonnene Bau der East Coast Railway von Calcutta nach Madras vollendet, als den Engländern der Eintritt nach Tibet gestattet sein.
Uebrigens rangirt Calcutta als Handelsstadt noch immer unter den allerbedeutendsten nicht nur Asiens, sondern der ganzen Erde.
Calcutta ist dem Verkehre nach der zweitgrösste Hafen Indiens und in seinem Handel nur von Bombay übertroffen. Sein Antheil an dem gesammten aus- wärtigen Handelsverkehre von Britisch-Indien mit Einschluss der Edelmetalle be- ziffert sich im Jahre 1888 auf 35·8 %. In den letzten vier Jahren hat sein Handel um 8·5 % zugenommen. Er erreichte im Jahre 1890 in Waaren allein (ohne Edelmetalle) die Ziffer von 631,124.000 Rup. gegen 589,558.520 Rup. im Jahre 1888 und 577,720.901 Rup. im Jahre 1887.
In Calcutta concentrirt sich auch der ganze Handel der Provinz Bengalen, da nur ein Hafen, nämlich Chittagong, das im Osten des Gangesdeltas liegt, einen namhaften Handelsumsatz aufweist, so (1888) in der Ausfuhr 14·4 Millionen Rupien, in der Einfuhr 0·7 Millionen Rupien.
Das fruchtbare Hinterland Bengalen mit seinen reichen Bodenproducten, welche nahezu ausschliesslich über Calcutta zur Verschiffung gelangen, verleiht
Der indische Ocean.
Trotz der ungünstigen Verhältnisse des Grundes und Bodens, auf dem Calcutta steht, ist es eine Grossstadt geworden, eine der theuersten Städte der Erde, in welcher sich der Luxus des Orientes und der des Occidentes vereinigen. Mit der Ausbreitung der britischen Macht in Indien erweiterten sich auch die Grenzen seines Weich- bildes. Als wichtigster Stützpunkt der Engländer in Bengalen, dem reichsten und am dichtesten bevölkerten Theile der Halbinsel, wurde es zunächst Hauptstadt dieses Landes und später des ganzen englisch- indischen Reiches. Zur politischen Herrschaft gesellte sich auch die commercielle. Erst die Eröffnung des Suezcanals und der Ausbau des indischen Eisenbahnnetzes, welches keine Stadt so stark wie Bombay begünstigt, verschafften diesem letzteren Hafen, der Europa viel näher liegt als Calcutta, die Vorherrschaft im Aussenhandel Indiens.
Calcutta ist jetzt an die zweite Stelle gedrängt und findet nur allmälig in den Landschaften am Brahmaputra Ersatz für das reiche Handelsgebiet, welches es im Westen endgiltig an Bombay verloren hat. Nach dem Plane der Regierung soll die Stadt Ausgangspunkt einer wichtigen Handelsstrasse nach Yünnan werden und auch die Bemühungen der Engländer, ihren Waaren und Kaufleuten Ein- gang in das bis jetzt verschlossene Tibet zu verschaffen, würden in erster Linie Calcutta zu Gute kommen. Die Engländer haben bereits eine Eisenbahn nach Darjeeling an der Grenze von Tibet gebaut, und die chinesische Regierung hat sich bereit erklärt, die Wünsche der Engländer zu erfüllen, aber sie hat in Tibet wenig zu reden; da wird wohl früher der Ende 1890 begonnene Bau der East Coast Railway von Calcutta nach Madras vollendet, als den Engländern der Eintritt nach Tibet gestattet sein.
Uebrigens rangirt Calcutta als Handelsstadt noch immer unter den allerbedeutendsten nicht nur Asiens, sondern der ganzen Erde.
Calcutta ist dem Verkehre nach der zweitgrösste Hafen Indiens und in seinem Handel nur von Bombay übertroffen. Sein Antheil an dem gesammten aus- wärtigen Handelsverkehre von Britisch-Indien mit Einschluss der Edelmetalle be- ziffert sich im Jahre 1888 auf 35·8 %. In den letzten vier Jahren hat sein Handel um 8·5 % zugenommen. Er erreichte im Jahre 1890 in Waaren allein (ohne Edelmetalle) die Ziffer von 631,124.000 Rup. gegen 589,558.520 Rup. im Jahre 1888 und 577,720.901 Rup. im Jahre 1887.
In Calcutta concentrirt sich auch der ganze Handel der Provinz Bengalen, da nur ein Hafen, nämlich Chittagong, das im Osten des Gangesdeltas liegt, einen namhaften Handelsumsatz aufweist, so (1888) in der Ausfuhr 14·4 Millionen Rupien, in der Einfuhr 0·7 Millionen Rupien.
Das fruchtbare Hinterland Bengalen mit seinen reichen Bodenproducten, welche nahezu ausschliesslich über Calcutta zur Verschiffung gelangen, verleiht
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Der indische Ocean.
Trotz der ungünstigen Verhältnisse des Grundes und Bodens,
auf dem Calcutta steht, ist es eine Grossstadt geworden, eine der
theuersten Städte der Erde, in welcher sich der Luxus des Orientes
und der des Occidentes vereinigen. Mit der Ausbreitung der britischen
Macht in Indien erweiterten sich auch die Grenzen seines Weich-
bildes. Als wichtigster Stützpunkt der Engländer in Bengalen, dem
reichsten und am dichtesten bevölkerten Theile der Halbinsel, wurde
es zunächst Hauptstadt dieses Landes und später des ganzen englisch-
indischen Reiches. Zur politischen Herrschaft gesellte sich auch die
commercielle. Erst die Eröffnung des Suezcanals und der Ausbau
des indischen Eisenbahnnetzes, welches keine Stadt so stark wie
Bombay begünstigt, verschafften diesem letzteren Hafen, der Europa viel
näher liegt als Calcutta, die Vorherrschaft im Aussenhandel Indiens.
Calcutta ist jetzt an die zweite Stelle gedrängt und findet nur
allmälig in den Landschaften am Brahmaputra Ersatz für das reiche
Handelsgebiet, welches es im Westen endgiltig an Bombay verloren
hat. Nach dem Plane der Regierung soll die Stadt Ausgangspunkt
einer wichtigen Handelsstrasse nach Yünnan werden und auch die
Bemühungen der Engländer, ihren Waaren und Kaufleuten Ein-
gang in das bis jetzt verschlossene Tibet zu verschaffen, würden in
erster Linie Calcutta zu Gute kommen. Die Engländer haben bereits
eine Eisenbahn nach Darjeeling an der Grenze von Tibet gebaut,
und die chinesische Regierung hat sich bereit erklärt, die Wünsche
der Engländer zu erfüllen, aber sie hat in Tibet wenig zu reden;
da wird wohl früher der Ende 1890 begonnene Bau der East Coast
Railway von Calcutta nach Madras vollendet, als den Engländern
der Eintritt nach Tibet gestattet sein.
Uebrigens rangirt Calcutta als Handelsstadt noch immer unter
den allerbedeutendsten nicht nur Asiens, sondern der ganzen Erde.
Calcutta ist dem Verkehre nach der zweitgrösste Hafen Indiens und in
seinem Handel nur von Bombay übertroffen. Sein Antheil an dem gesammten aus-
wärtigen Handelsverkehre von Britisch-Indien mit Einschluss der Edelmetalle be-
ziffert sich im Jahre 1888 auf 35·8 %. In den letzten vier Jahren hat sein
Handel um 8·5 % zugenommen. Er erreichte im Jahre 1890 in Waaren allein
(ohne Edelmetalle) die Ziffer von 631,124.000 Rup. gegen 589,558.520 Rup.
im Jahre 1888 und 577,720.901 Rup. im Jahre 1887.
In Calcutta concentrirt sich auch der ganze Handel der Provinz Bengalen,
da nur ein Hafen, nämlich Chittagong, das im Osten des Gangesdeltas liegt,
einen namhaften Handelsumsatz aufweist, so (1888) in der Ausfuhr 14·4 Millionen
Rupien, in der Einfuhr 0·7 Millionen Rupien.
Das fruchtbare Hinterland Bengalen mit seinen reichen Bodenproducten,
welche nahezu ausschliesslich über Calcutta zur Verschiffung gelangen, verleiht
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/574>, abgerufen am 25.11.2024.
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