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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der indische Ocean.
einem Geschenke des Souveräns von Mandalai, reich verziert. Dieses
Hti ist in Birma ein Zeichen souveräner Macht, weshalb es zu-
nächst den englischen Behörden übergeben werden musste und erst
durch diese wieder angebracht wurde. Um die grosse Stupa sind
zwei Reihen ähnlicher, doch kleinerer Bauten, sowie Opferbäume
aus vergoldetem Silber gruppirt; vier reich geschmückte Tempel
mit grossen Buddhastatuen weisen nach den vier Cardinalpunkten
der Windrose. Am Rande der Terrasse befinden sich Ruhehäuser
mit mehrfachen, durch reiches Schnitzwerk verzierten Dächern,
sowie niedrig gehängte Glocken von mitunter bedeutenden Dimen-
sionen. Die grösste dieser Glocken ist 42 T schwer; die Engländer
wollten sie als Trophäe nach Calcutta führen, doch war man
bei ihrer Einschiffung nicht genügend vorsichtig, die Glocke fiel in
den Fluss. Die getreuen Gläubigen aber hoben sie trotz ihrer höchst
primitiven Mittel mit grosser Mühe aus dem Schlamm und zeigen sie
jetzt triumphirend den Fremden.

Die ordnende Hand der englischen Regierung macht sich, wie
überall, so auch im Handel, speciell im Detailhandel in günstigster
Weise bemerkbar. Abgesehen von der grossen Markthalle, einer
wahren Musteranstalt dieser Art, sind auch sonst in der Stadt die
Verkaufsläden gleichartiger Waaren vereinigt. So gibt es Gassen,
welche nur Glas- und Porzellanwaarenhandlungen enthalten, in anderen
werden nur Metallwaaren verkauft und wieder in anderen bloss
Kleidungsstücke u. s. f. In den Läden der Birmanen finden wir
meistens eingeborene Frauen als Verkäuferinnen, die -- nebenbei be-
merkt, ein Unicum an der ganzen süd- und ostasiatischen Küste --
die Preise nur wenig überhalten, oft sogar feste Preise haben.

Eines der interessantesten öffentlichen Gebäude Rangoons ist
das Gefängniss, das sich durch seine praktischen Einrichtungen und
seine -- Grösse auszeichnet. Dass der Raum, der für 3000 einhei-
mische Gefangene berechnet ist, auch ausgenützt werde, dafür sorgen
die Banden der Dasoits. So nennt man in Birma die einheimischen
Räuber. Sie hatten seit dem Anfange der achtziger Jahre das nörd-
liche Birma verheert, und die Engländer sind ihrer nach schweren
Opfern an Geld und Blut erst in der letzten Zeit Herr geworden,
Ueberdies gehören noch zum Complexe der Anstalt ein Zellengefäng-
niss, ein abgesondertes Gefängniss für Europäer und ein Spital.

Rangoon besitzt (26. Februar 1891) 180.000 Einwohner, darunter
Tausende von Europäern und Eurasiern (Mischlinge von Europäern
und Hindufrauen). Die Birmanen tragen einen rothen Sarong, d. i. ein

Der indische Ocean.
einem Geschenke des Souveräns von Mandalai, reich verziert. Dieses
Hti ist in Birma ein Zeichen souveräner Macht, weshalb es zu-
nächst den englischen Behörden übergeben werden musste und erst
durch diese wieder angebracht wurde. Um die grosse Stupa sind
zwei Reihen ähnlicher, doch kleinerer Bauten, sowie Opferbäume
aus vergoldetem Silber gruppirt; vier reich geschmückte Tempel
mit grossen Buddhastatuen weisen nach den vier Cardinalpunkten
der Windrose. Am Rande der Terrasse befinden sich Ruhehäuser
mit mehrfachen, durch reiches Schnitzwerk verzierten Dächern,
sowie niedrig gehängte Glocken von mitunter bedeutenden Dimen-
sionen. Die grösste dieser Glocken ist 42 T schwer; die Engländer
wollten sie als Trophäe nach Calcutta führen, doch war man
bei ihrer Einschiffung nicht genügend vorsichtig, die Glocke fiel in
den Fluss. Die getreuen Gläubigen aber hoben sie trotz ihrer höchst
primitiven Mittel mit grosser Mühe aus dem Schlamm und zeigen sie
jetzt triumphirend den Fremden.

Die ordnende Hand der englischen Regierung macht sich, wie
überall, so auch im Handel, speciell im Detailhandel in günstigster
Weise bemerkbar. Abgesehen von der grossen Markthalle, einer
wahren Musteranstalt dieser Art, sind auch sonst in der Stadt die
Verkaufsläden gleichartiger Waaren vereinigt. So gibt es Gassen,
welche nur Glas- und Porzellanwaarenhandlungen enthalten, in anderen
werden nur Metallwaaren verkauft und wieder in anderen bloss
Kleidungsstücke u. s. f. In den Läden der Birmanen finden wir
meistens eingeborene Frauen als Verkäuferinnen, die — nebenbei be-
merkt, ein Unicum an der ganzen süd- und ostasiatischen Küste —
die Preise nur wenig überhalten, oft sogar feste Preise haben.

Eines der interessantesten öffentlichen Gebäude Rangoons ist
das Gefängniss, das sich durch seine praktischen Einrichtungen und
seine — Grösse auszeichnet. Dass der Raum, der für 3000 einhei-
mische Gefangene berechnet ist, auch ausgenützt werde, dafür sorgen
die Banden der Dasoits. So nennt man in Birma die einheimischen
Räuber. Sie hatten seit dem Anfange der achtziger Jahre das nörd-
liche Birma verheert, und die Engländer sind ihrer nach schweren
Opfern an Geld und Blut erst in der letzten Zeit Herr geworden,
Ueberdies gehören noch zum Complexe der Anstalt ein Zellengefäng-
niss, ein abgesondertes Gefängniss für Europäer und ein Spital.

Rangoon besitzt (26. Februar 1891) 180.000 Einwohner, darunter
Tausende von Europäern und Eurasiern (Mischlinge von Europäern
und Hindufrauen). Die Birmanen tragen einen rothen Sarong, d. i. ein

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[542/0558] Der indische Ocean. einem Geschenke des Souveräns von Mandalai, reich verziert. Dieses Hti ist in Birma ein Zeichen souveräner Macht, weshalb es zu- nächst den englischen Behörden übergeben werden musste und erst durch diese wieder angebracht wurde. Um die grosse Stupa sind zwei Reihen ähnlicher, doch kleinerer Bauten, sowie Opferbäume aus vergoldetem Silber gruppirt; vier reich geschmückte Tempel mit grossen Buddhastatuen weisen nach den vier Cardinalpunkten der Windrose. Am Rande der Terrasse befinden sich Ruhehäuser mit mehrfachen, durch reiches Schnitzwerk verzierten Dächern, sowie niedrig gehängte Glocken von mitunter bedeutenden Dimen- sionen. Die grösste dieser Glocken ist 42 T schwer; die Engländer wollten sie als Trophäe nach Calcutta führen, doch war man bei ihrer Einschiffung nicht genügend vorsichtig, die Glocke fiel in den Fluss. Die getreuen Gläubigen aber hoben sie trotz ihrer höchst primitiven Mittel mit grosser Mühe aus dem Schlamm und zeigen sie jetzt triumphirend den Fremden. Die ordnende Hand der englischen Regierung macht sich, wie überall, so auch im Handel, speciell im Detailhandel in günstigster Weise bemerkbar. Abgesehen von der grossen Markthalle, einer wahren Musteranstalt dieser Art, sind auch sonst in der Stadt die Verkaufsläden gleichartiger Waaren vereinigt. So gibt es Gassen, welche nur Glas- und Porzellanwaarenhandlungen enthalten, in anderen werden nur Metallwaaren verkauft und wieder in anderen bloss Kleidungsstücke u. s. f. In den Läden der Birmanen finden wir meistens eingeborene Frauen als Verkäuferinnen, die — nebenbei be- merkt, ein Unicum an der ganzen süd- und ostasiatischen Küste — die Preise nur wenig überhalten, oft sogar feste Preise haben. Eines der interessantesten öffentlichen Gebäude Rangoons ist das Gefängniss, das sich durch seine praktischen Einrichtungen und seine — Grösse auszeichnet. Dass der Raum, der für 3000 einhei- mische Gefangene berechnet ist, auch ausgenützt werde, dafür sorgen die Banden der Dasoits. So nennt man in Birma die einheimischen Räuber. Sie hatten seit dem Anfange der achtziger Jahre das nörd- liche Birma verheert, und die Engländer sind ihrer nach schweren Opfern an Geld und Blut erst in der letzten Zeit Herr geworden, Ueberdies gehören noch zum Complexe der Anstalt ein Zellengefäng- niss, ein abgesondertes Gefängniss für Europäer und ein Spital. Rangoon besitzt (26. Februar 1891) 180.000 Einwohner, darunter Tausende von Europäern und Eurasiern (Mischlinge von Europäern und Hindufrauen). Die Birmanen tragen einen rothen Sarong, d. i. ein

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/558>, abgerufen am 22.07.2024.