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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der indische Ocean.
Richtung stiefmütterlich behandelt. Kahle, sandige Flachküsten
wechseln mit tropischem Urwald ab, die ärmlichen Niederlassungen,
und nur ganz selten auftauchenden Leuchtfeuer verrathen dem fremden
Schiffer, dass er am culturärmsten Erdtheile hinsegelt, dessen be-
dürfnisslose Bewohner auf den untersten Stufen der Civilisation stehen
und, zufrieden mit ihrem vegetirenden Leben, die Schätze des Bodens
ungehoben lassen.

Ganz Afrika hatte, abgesehen von Aegypten, nie einen be-
deutenden Handel, weil es fast nichts producirte, mithin fast nichts
auf die internationalen Märkte zu werfen hatte.

Diesen geringen Handel, soweit er sich in Ostafrika abspielt,
hatten, wie erwähnt, seit Jahrtausenden die Araber in Händen, ja es
ist zweifellos, dass sie diesen ganzen Aussenhandel schon zur Zeit
Alexanders des Grossen, also vor zweitausend Jahren, bis tief ins Innere
des schwarzen Erdtheiles vollständig beherrschten und monopolisirten.
Ihre Nachfolger in der Handelsherrschaft, die Portugiesen, be-
schränkten sich zumeist auf die fiscalische Ausbeutung dieser Handels-
pforten und nahmen weder auf die Civilisation der Neger noch auf
die Hebung des Binnenhandels, den sie nach wie vor den Arabern über-
liessen, einen Einfluss; ja im XVIII. Jahrhunderte konnte sogar die ara-
bische Herrschaft auch politisch neben der des schwach gewordenen
Portugal nochmals ihr Haupt erheben und das muselmännische San-
sibar
zum Emporium des ostafrikanischen Handels emporbringen. Ge-
ändert wurden diese Verhältnisse gründlich erst durch das Auftreten
der Engländer in unserem Jahrhunderte. Zuerst entwanden die ge-
schäftsgewandten Hindus, welche als britische Unterthanen von Bombay
kamen, den Arabern den ganzen Grosshandel und drückten die aben-
teuerlustigen Wüstensöhne zu ihren Agenten herab, welche das Detail-
geschäft und die Waarentransporte bis zu den Aequatorialseen zu
besorgen hatten, während sie selber ruhig in den wenigen Hafen-
plätzen Comptoirs leiteten und die grossen Gewinne einstrichen.

Den britischen Kaufleuten folgten britische Forscher und Missio-
näre, diesen politische Agenten und Consuln, welche in der zweiten
Hälfte unseres Jahrhundertes in wahrhaft bewunderungswürdiger Weise
grossartige und weitreichende Eroberungspläne anbahnten und bereits
zur theilweisen Reife gebracht haben.

England begnügt sich nicht, wie es Jahrhunderte hindurch
Portugal gethan, von wenigen Hafenplätzen aus den Import und
Export von Ostafrika zu controliren; der grosse staatsmännische Ge-
danke, von welchem die englische Colonialpolitik in Ostafrika geleitet

Der indische Ocean.
Richtung stiefmütterlich behandelt. Kahle, sandige Flachküsten
wechseln mit tropischem Urwald ab, die ärmlichen Niederlassungen,
und nur ganz selten auftauchenden Leuchtfeuer verrathen dem fremden
Schiffer, dass er am culturärmsten Erdtheile hinsegelt, dessen be-
dürfnisslose Bewohner auf den untersten Stufen der Civilisation stehen
und, zufrieden mit ihrem vegetirenden Leben, die Schätze des Bodens
ungehoben lassen.

Ganz Afrika hatte, abgesehen von Aegypten, nie einen be-
deutenden Handel, weil es fast nichts producirte, mithin fast nichts
auf die internationalen Märkte zu werfen hatte.

Diesen geringen Handel, soweit er sich in Ostafrika abspielt,
hatten, wie erwähnt, seit Jahrtausenden die Araber in Händen, ja es
ist zweifellos, dass sie diesen ganzen Aussenhandel schon zur Zeit
Alexanders des Grossen, also vor zweitausend Jahren, bis tief ins Innere
des schwarzen Erdtheiles vollständig beherrschten und monopolisirten.
Ihre Nachfolger in der Handelsherrschaft, die Portugiesen, be-
schränkten sich zumeist auf die fiscalische Ausbeutung dieser Handels-
pforten und nahmen weder auf die Civilisation der Neger noch auf
die Hebung des Binnenhandels, den sie nach wie vor den Arabern über-
liessen, einen Einfluss; ja im XVIII. Jahrhunderte konnte sogar die ara-
bische Herrschaft auch politisch neben der des schwach gewordenen
Portugal nochmals ihr Haupt erheben und das muselmännische San-
sibar
zum Emporium des ostafrikanischen Handels emporbringen. Ge-
ändert wurden diese Verhältnisse gründlich erst durch das Auftreten
der Engländer in unserem Jahrhunderte. Zuerst entwanden die ge-
schäftsgewandten Hindus, welche als britische Unterthanen von Bombay
kamen, den Arabern den ganzen Grosshandel und drückten die aben-
teuerlustigen Wüstensöhne zu ihren Agenten herab, welche das Detail-
geschäft und die Waarentransporte bis zu den Aequatorialseen zu
besorgen hatten, während sie selber ruhig in den wenigen Hafen-
plätzen Comptoirs leiteten und die grossen Gewinne einstrichen.

Den britischen Kaufleuten folgten britische Forscher und Missio-
näre, diesen politische Agenten und Consuln, welche in der zweiten
Hälfte unseres Jahrhundertes in wahrhaft bewunderungswürdiger Weise
grossartige und weitreichende Eroberungspläne anbahnten und bereits
zur theilweisen Reife gebracht haben.

England begnügt sich nicht, wie es Jahrhunderte hindurch
Portugal gethan, von wenigen Hafenplätzen aus den Import und
Export von Ostafrika zu controliren; der grosse staatsmännische Ge-
danke, von welchem die englische Colonialpolitik in Ostafrika geleitet

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[536/0552] Der indische Ocean. Richtung stiefmütterlich behandelt. Kahle, sandige Flachküsten wechseln mit tropischem Urwald ab, die ärmlichen Niederlassungen, und nur ganz selten auftauchenden Leuchtfeuer verrathen dem fremden Schiffer, dass er am culturärmsten Erdtheile hinsegelt, dessen be- dürfnisslose Bewohner auf den untersten Stufen der Civilisation stehen und, zufrieden mit ihrem vegetirenden Leben, die Schätze des Bodens ungehoben lassen. Ganz Afrika hatte, abgesehen von Aegypten, nie einen be- deutenden Handel, weil es fast nichts producirte, mithin fast nichts auf die internationalen Märkte zu werfen hatte. Diesen geringen Handel, soweit er sich in Ostafrika abspielt, hatten, wie erwähnt, seit Jahrtausenden die Araber in Händen, ja es ist zweifellos, dass sie diesen ganzen Aussenhandel schon zur Zeit Alexanders des Grossen, also vor zweitausend Jahren, bis tief ins Innere des schwarzen Erdtheiles vollständig beherrschten und monopolisirten. Ihre Nachfolger in der Handelsherrschaft, die Portugiesen, be- schränkten sich zumeist auf die fiscalische Ausbeutung dieser Handels- pforten und nahmen weder auf die Civilisation der Neger noch auf die Hebung des Binnenhandels, den sie nach wie vor den Arabern über- liessen, einen Einfluss; ja im XVIII. Jahrhunderte konnte sogar die ara- bische Herrschaft auch politisch neben der des schwach gewordenen Portugal nochmals ihr Haupt erheben und das muselmännische San- sibar zum Emporium des ostafrikanischen Handels emporbringen. Ge- ändert wurden diese Verhältnisse gründlich erst durch das Auftreten der Engländer in unserem Jahrhunderte. Zuerst entwanden die ge- schäftsgewandten Hindus, welche als britische Unterthanen von Bombay kamen, den Arabern den ganzen Grosshandel und drückten die aben- teuerlustigen Wüstensöhne zu ihren Agenten herab, welche das Detail- geschäft und die Waarentransporte bis zu den Aequatorialseen zu besorgen hatten, während sie selber ruhig in den wenigen Hafen- plätzen Comptoirs leiteten und die grossen Gewinne einstrichen. Den britischen Kaufleuten folgten britische Forscher und Missio- näre, diesen politische Agenten und Consuln, welche in der zweiten Hälfte unseres Jahrhundertes in wahrhaft bewunderungswürdiger Weise grossartige und weitreichende Eroberungspläne anbahnten und bereits zur theilweisen Reife gebracht haben. England begnügt sich nicht, wie es Jahrhunderte hindurch Portugal gethan, von wenigen Hafenplätzen aus den Import und Export von Ostafrika zu controliren; der grosse staatsmännische Ge- danke, von welchem die englische Colonialpolitik in Ostafrika geleitet

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/552>, abgerufen am 25.11.2024.