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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der grosse Ocean.

Im Südwesten der Altstadt liegt der zweite Bezirk, Campong-
china, der meist aus kleinen, schlecht gebauten und eng aneinander
liegenden Hütten von Chinesen besteht. Dieser Stadttheil ist entschieden
der lebhafteste des gesammten Complexes, das ganze Leben concentrirt
sich hier auf der Strasse, umsomehr als der Bezirk trotz seiner unge-
sunden Lage ungemein dicht bevölkert ist und seine arbeitsamen
Bewohner für Batavia von grosser Wichtigkeit sind. Alle Gattungen
Handwerke sind hier vertreten und alle Bedürfnisse der Europäer,
Chinesen und Javanen aufgestapelt.

Der dritte Bezirk, Molenvliet, wird ausschliesslich von Euro-
päern bewohnt und überrascht durch seine Schönheit. Dem Klima
entsprechend liegen die Häuser von einander getrennt und inmitten
von Fruchtbäumen aller Art; sie sind gross und zumeist nur einstöckig,
mit flachen Dächern und schönen Veranden erbaut. Letztere sind
gegen den Abend der gewöhnliche Aufenthaltsort der Bewohner des
Hauses, dort werden Besuche empfangen und bewirthet, dort athmet
man freier auf, spielt, musicirt oder plaudert, sobald die drückende
Hitze des Tages der angenehmen Abendluft gewichen ist. Hinter den
Hauptgebäuden und in der Nähe derselben liegen zu beiden Seiten
Wohnräume der Dienerschaft, Küchen, Badezimmer und Stallungen.

Südlich von Molenvliet dehnen sich die europäischen Vorstädte
Rijswijk und Nordwijk aus. In ersterer befinden sich der sehens-
würdige alte Palast des Generalgouverneurs, der gesellige Club "Har-
monie" mit seinem prächtigen Garten und das Museum der Gesell-
schaft für Künste und Wissenschaften. Nordwijk wird hauptsächlich
von Kaufleuten bewohnt.

Die Rijswijker Strasse verfolgend gelangt man zum Konings-
Plein, einem grossen Viereck von etwa 200 m Seitenlänge, das von
prächtigen Alleen majestätischer Tamarinden und fast ringsum von
weissen Gebäuden umrahmt wird. Zu letzteren gehören die Wilhelms-
kirche mit ihrer hohen Kuppel, die alle anderen Gebäude überragt,
und das neue Stadtpalais des Generalgouverneurs; der grosse Rasen-
platz dient zur Vornahme militärischer Uebungen, die vorerwähnten
Alleen bilden ein beliebtes Terrain für Spazierfahrten. Bei Anbruch
der Dunkelheit sammeln sich hier zahlreiche Equipagen mit Damen
in Balltoilette, während die Herren, welche ihre Kopfbedeckungen zu
Hause lassen, zu beiden Seiten der langsam fahrenden Wägen einher-
gehen. Die Tracht der Kutscher und der Bedienten erscheint etwas
eigenartig: galonnirter Cylinder über dem malayischen Kopftuche,
weisse Handschuhe, Alle aber sind -- barfuss. Letzteres ist Landes-

Der grosse Ocean.

Im Südwesten der Altstadt liegt der zweite Bezirk, Campong-
china, der meist aus kleinen, schlecht gebauten und eng aneinander
liegenden Hütten von Chinesen besteht. Dieser Stadttheil ist entschieden
der lebhafteste des gesammten Complexes, das ganze Leben concentrirt
sich hier auf der Strasse, umsomehr als der Bezirk trotz seiner unge-
sunden Lage ungemein dicht bevölkert ist und seine arbeitsamen
Bewohner für Batavia von grosser Wichtigkeit sind. Alle Gattungen
Handwerke sind hier vertreten und alle Bedürfnisse der Europäer,
Chinesen und Javanen aufgestapelt.

Der dritte Bezirk, Molenvliet, wird ausschliesslich von Euro-
päern bewohnt und überrascht durch seine Schönheit. Dem Klima
entsprechend liegen die Häuser von einander getrennt und inmitten
von Fruchtbäumen aller Art; sie sind gross und zumeist nur einstöckig,
mit flachen Dächern und schönen Veranden erbaut. Letztere sind
gegen den Abend der gewöhnliche Aufenthaltsort der Bewohner des
Hauses, dort werden Besuche empfangen und bewirthet, dort athmet
man freier auf, spielt, musicirt oder plaudert, sobald die drückende
Hitze des Tages der angenehmen Abendluft gewichen ist. Hinter den
Hauptgebäuden und in der Nähe derselben liegen zu beiden Seiten
Wohnräume der Dienerschaft, Küchen, Badezimmer und Stallungen.

Südlich von Molenvliet dehnen sich die europäischen Vorstädte
Rijswijk und Nordwijk aus. In ersterer befinden sich der sehens-
würdige alte Palast des Generalgouverneurs, der gesellige Club „Har-
monie“ mit seinem prächtigen Garten und das Museum der Gesell-
schaft für Künste und Wissenschaften. Nordwijk wird hauptsächlich
von Kaufleuten bewohnt.

Die Rijswijker Strasse verfolgend gelangt man zum Konings-
Plein, einem grossen Viereck von etwa 200 m Seitenlänge, das von
prächtigen Alleen majestätischer Tamarinden und fast ringsum von
weissen Gebäuden umrahmt wird. Zu letzteren gehören die Wilhelms-
kirche mit ihrer hohen Kuppel, die alle anderen Gebäude überragt,
und das neue Stadtpalais des Generalgouverneurs; der grosse Rasen-
platz dient zur Vornahme militärischer Uebungen, die vorerwähnten
Alleen bilden ein beliebtes Terrain für Spazierfahrten. Bei Anbruch
der Dunkelheit sammeln sich hier zahlreiche Equipagen mit Damen
in Balltoilette, während die Herren, welche ihre Kopfbedeckungen zu
Hause lassen, zu beiden Seiten der langsam fahrenden Wägen einher-
gehen. Die Tracht der Kutscher und der Bedienten erscheint etwas
eigenartig: galonnirter Cylinder über dem malayischen Kopftuche,
weisse Handschuhe, Alle aber sind — barfuss. Letzteres ist Landes-

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[500/0516] Der grosse Ocean. Im Südwesten der Altstadt liegt der zweite Bezirk, Campong- china, der meist aus kleinen, schlecht gebauten und eng aneinander liegenden Hütten von Chinesen besteht. Dieser Stadttheil ist entschieden der lebhafteste des gesammten Complexes, das ganze Leben concentrirt sich hier auf der Strasse, umsomehr als der Bezirk trotz seiner unge- sunden Lage ungemein dicht bevölkert ist und seine arbeitsamen Bewohner für Batavia von grosser Wichtigkeit sind. Alle Gattungen Handwerke sind hier vertreten und alle Bedürfnisse der Europäer, Chinesen und Javanen aufgestapelt. Der dritte Bezirk, Molenvliet, wird ausschliesslich von Euro- päern bewohnt und überrascht durch seine Schönheit. Dem Klima entsprechend liegen die Häuser von einander getrennt und inmitten von Fruchtbäumen aller Art; sie sind gross und zumeist nur einstöckig, mit flachen Dächern und schönen Veranden erbaut. Letztere sind gegen den Abend der gewöhnliche Aufenthaltsort der Bewohner des Hauses, dort werden Besuche empfangen und bewirthet, dort athmet man freier auf, spielt, musicirt oder plaudert, sobald die drückende Hitze des Tages der angenehmen Abendluft gewichen ist. Hinter den Hauptgebäuden und in der Nähe derselben liegen zu beiden Seiten Wohnräume der Dienerschaft, Küchen, Badezimmer und Stallungen. Südlich von Molenvliet dehnen sich die europäischen Vorstädte Rijswijk und Nordwijk aus. In ersterer befinden sich der sehens- würdige alte Palast des Generalgouverneurs, der gesellige Club „Har- monie“ mit seinem prächtigen Garten und das Museum der Gesell- schaft für Künste und Wissenschaften. Nordwijk wird hauptsächlich von Kaufleuten bewohnt. Die Rijswijker Strasse verfolgend gelangt man zum Konings- Plein, einem grossen Viereck von etwa 200 m Seitenlänge, das von prächtigen Alleen majestätischer Tamarinden und fast ringsum von weissen Gebäuden umrahmt wird. Zu letzteren gehören die Wilhelms- kirche mit ihrer hohen Kuppel, die alle anderen Gebäude überragt, und das neue Stadtpalais des Generalgouverneurs; der grosse Rasen- platz dient zur Vornahme militärischer Uebungen, die vorerwähnten Alleen bilden ein beliebtes Terrain für Spazierfahrten. Bei Anbruch der Dunkelheit sammeln sich hier zahlreiche Equipagen mit Damen in Balltoilette, während die Herren, welche ihre Kopfbedeckungen zu Hause lassen, zu beiden Seiten der langsam fahrenden Wägen einher- gehen. Die Tracht der Kutscher und der Bedienten erscheint etwas eigenartig: galonnirter Cylinder über dem malayischen Kopftuche, weisse Handschuhe, Alle aber sind — barfuss. Letzteres ist Landes-

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/516>, abgerufen am 22.11.2024.