grenzen zu beiden Seiten die alten Audienzhallen, die ein grosses Portal abschliesst.. Den nördlichen Theil der Königstadt nehmen das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, das Museum, die Münze und die Druckerei ein. Die letztgenannten Gebäude bilden den ersten, äusseren Schlosshof. Zahlreiche sonstige Bauten, zumeist an der Umfassungsmauer, dienen zur Kasernirung der Wachmann- schaften u. s. w.
Das königliche Schloss ist ein im modernsten europäischen Style erbautes, zweistöckiges Gebäude mit dem landesüblichen hohen Dache. Im unteren Stockwerke befinden sich die Staatsgemächer, im oberen hauptsächlich Veranden und luftige Säle. Der grosse Audienzsaal zeichnet sich durch einen massiven Goldthron mit sieben- fachem Schirm darüber und durch die prächtigen, zu beiden Seiten des Thrones angebrachten alten königlichen Waffen aus. Von den alten Audienzhallen, die durch viele alte Gemälde und Fresken verziert sind, ist die Mahaprasat benannte mit reichvergoldeten Säulen und Wänden besonders bemerkenswerth.
Das Museum, das eigentlich zutreffender eine Schatzkammer genannt werden sollte, enthält werthvolle Kunstschätze, eine reiche Sammlung von Edelsteinen und chinesischem Porzellan. In der Nähe des Museums liegen die Stallungen der "weissen" (eigent- lich nur weisslichen) und der Kriegselefanten. Wenngleich sich diese weissen Elefanten einstens in Siam göttlicher Verehrung erfreuten, so hat doch die fortschreitende Aufklärung auch den siamesischen "Köhlerglauben" zu erschüttern vermocht -- der weisse Elefant ist vom Piedestal der Gottheit herabgestiegen und nunmehr eine Rarität geworden, die nur der Tradition halber gehegt und gepflegt wird.
Grossartige Schätze und prächtige Ornamentik finden sich in der Tempelanlage der königlichen Palaststadt. Der Tempel der Kleinodien, Wat Pra Keo, überwältigt durch seine reiche Pracht an Goldmosaik und durch die verschwenderische Herrlichkeit seines Hauptgebäudes, des Pra Ubosat. Der Hauptaltar des letzteren ist mit Gold und Edelsteinen übersäet und von einer Buddha-Figur aus Jaspis gekrönt. Die geschmackvolle Anordnung von Spiegelmosaik auf Gold- grund erzielt hier hervorragend schöne Decorationseffecte. Unweit des Hauptgebäudes liegt das Putabrang Prasat, der Krönungstempel, an welchen sich ein reizender Pavillon, Pramondop genannt, anschliesst. Von der grossen Zahl der Pratschedis dieser Tempelanlage ist die Siratana-Pratschedi unzweifelhaft am schönsten und reichsten; ihre meist glatten Aussenwände sind bis zur Spitze mit Goldmusiv verkleidet.
Der grosse Ocean.
grenzen zu beiden Seiten die alten Audienzhallen, die ein grosses Portal abschliesst.. Den nördlichen Theil der Königstadt nehmen das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, das Museum, die Münze und die Druckerei ein. Die letztgenannten Gebäude bilden den ersten, äusseren Schlosshof. Zahlreiche sonstige Bauten, zumeist an der Umfassungsmauer, dienen zur Kasernirung der Wachmann- schaften u. s. w.
Das königliche Schloss ist ein im modernsten europäischen Style erbautes, zweistöckiges Gebäude mit dem landesüblichen hohen Dache. Im unteren Stockwerke befinden sich die Staatsgemächer, im oberen hauptsächlich Veranden und luftige Säle. Der grosse Audienzsaal zeichnet sich durch einen massiven Goldthron mit sieben- fachem Schirm darüber und durch die prächtigen, zu beiden Seiten des Thrones angebrachten alten königlichen Waffen aus. Von den alten Audienzhallen, die durch viele alte Gemälde und Fresken verziert sind, ist die Mahaprasat benannte mit reichvergoldeten Säulen und Wänden besonders bemerkenswerth.
Das Museum, das eigentlich zutreffender eine Schatzkammer genannt werden sollte, enthält werthvolle Kunstschätze, eine reiche Sammlung von Edelsteinen und chinesischem Porzellan. In der Nähe des Museums liegen die Stallungen der „weissen“ (eigent- lich nur weisslichen) und der Kriegselefanten. Wenngleich sich diese weissen Elefanten einstens in Siam göttlicher Verehrung erfreuten, so hat doch die fortschreitende Aufklärung auch den siamesischen „Köhlerglauben“ zu erschüttern vermocht — der weisse Elefant ist vom Piedestal der Gottheit herabgestiegen und nunmehr eine Rarität geworden, die nur der Tradition halber gehegt und gepflegt wird.
Grossartige Schätze und prächtige Ornamentik finden sich in der Tempelanlage der königlichen Palaststadt. Der Tempel der Kleinodien, Wat Pra Keo, überwältigt durch seine reiche Pracht an Goldmosaik und durch die verschwenderische Herrlichkeit seines Hauptgebäudes, des Pra Ubosat. Der Hauptaltar des letzteren ist mit Gold und Edelsteinen übersäet und von einer Buddha-Figur aus Jaspis gekrönt. Die geschmackvolle Anordnung von Spiegelmosaik auf Gold- grund erzielt hier hervorragend schöne Decorationseffecte. Unweit des Hauptgebäudes liegt das Putabrang Prasat, der Krönungstempel, an welchen sich ein reizender Pavillon, Pramondop genannt, anschliesst. Von der grossen Zahl der Pratschedis dieser Tempelanlage ist die Siratana-Pratschedi unzweifelhaft am schönsten und reichsten; ihre meist glatten Aussenwände sind bis zur Spitze mit Goldmusiv verkleidet.
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Der grosse Ocean.
grenzen zu beiden Seiten die alten Audienzhallen, die ein grosses
Portal abschliesst.. Den nördlichen Theil der Königstadt nehmen
das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, das Museum, die
Münze und die Druckerei ein. Die letztgenannten Gebäude bilden
den ersten, äusseren Schlosshof. Zahlreiche sonstige Bauten, zumeist
an der Umfassungsmauer, dienen zur Kasernirung der Wachmann-
schaften u. s. w.
Das königliche Schloss ist ein im modernsten europäischen
Style erbautes, zweistöckiges Gebäude mit dem landesüblichen hohen
Dache. Im unteren Stockwerke befinden sich die Staatsgemächer,
im oberen hauptsächlich Veranden und luftige Säle. Der grosse
Audienzsaal zeichnet sich durch einen massiven Goldthron mit sieben-
fachem Schirm darüber und durch die prächtigen, zu beiden Seiten
des Thrones angebrachten alten königlichen Waffen aus. Von den
alten Audienzhallen, die durch viele alte Gemälde und Fresken verziert
sind, ist die Mahaprasat benannte mit reichvergoldeten Säulen und
Wänden besonders bemerkenswerth.
Das Museum, das eigentlich zutreffender eine Schatzkammer
genannt werden sollte, enthält werthvolle Kunstschätze, eine reiche
Sammlung von Edelsteinen und chinesischem Porzellan. In der
Nähe des Museums liegen die Stallungen der „weissen“ (eigent-
lich nur weisslichen) und der Kriegselefanten. Wenngleich sich diese
weissen Elefanten einstens in Siam göttlicher Verehrung erfreuten,
so hat doch die fortschreitende Aufklärung auch den siamesischen
„Köhlerglauben“ zu erschüttern vermocht — der weisse Elefant ist
vom Piedestal der Gottheit herabgestiegen und nunmehr eine Rarität
geworden, die nur der Tradition halber gehegt und gepflegt wird.
Grossartige Schätze und prächtige Ornamentik finden sich in
der Tempelanlage der königlichen Palaststadt. Der Tempel der
Kleinodien, Wat Pra Keo, überwältigt durch seine reiche Pracht an
Goldmosaik und durch die verschwenderische Herrlichkeit seines
Hauptgebäudes, des Pra Ubosat. Der Hauptaltar des letzteren ist mit
Gold und Edelsteinen übersäet und von einer Buddha-Figur aus Jaspis
gekrönt. Die geschmackvolle Anordnung von Spiegelmosaik auf Gold-
grund erzielt hier hervorragend schöne Decorationseffecte. Unweit des
Hauptgebäudes liegt das Putabrang Prasat, der Krönungstempel, an
welchen sich ein reizender Pavillon, Pramondop genannt, anschliesst.
Von der grossen Zahl der Pratschedis dieser Tempelanlage ist die
Siratana-Pratschedi unzweifelhaft am schönsten und reichsten; ihre
meist glatten Aussenwände sind bis zur Spitze mit Goldmusiv verkleidet.
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/494>, abgerufen am 22.11.2024.
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