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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Japanische Häfen.

Die Verträge wurden in der gleichen Form, wie sie vom Shogun
abgeschlossen wurden, seitens des Mikados bestätigt und seit dieser
Zeit vollinhaltlich aufrecht erhalten.

Die Bestrebungen, welche neuerer Zeit von den fremden Mächten
für die Eröffnung des ganzen japanischen Reiches für den freien
Verkehr gepflogen werden, haben deswegen noch nicht den ge-
wünschten Erfolg gehabt, weil man von Seite Japans die Unter-
stellung der Fremden unter japanische Jurisdiction forderte und ihnen
nicht das Recht gewähren wollte, in Japan Grundeigenthum zu er-
werben. Die Einführung der neuen Gesetzbücher, welche auf den in
Europa geltenden Principien beruhen, die nothwendige Voraussetzung,
wenn man Europäer japanischen Richtern unterstellen will, kommt
übrigens seit 1. Jänner 1891 langsam in Gang.

Die ungemeinen Fortschritte Japans auf der Bahn der Cultur,
die seit der kurzen Zeit der thatsächlichen Eröffnung des Landes ge-
macht wurden und bis jetzt noch in steter Entwicklung begriffen sind,
lassen annehmen, dass die oben erwähnten Bestrebungen zu Gunsten
der Vertragsmächte und der Vertragshäfen mit den vielfachen Ein-
schränkungen der Freiheit endlich doch von Erfolg gekrönt sein
werden, trotz der nationalen Reaction, die sich seit einigen Jahren
in Japan gegen alles Fremdländische entwickelt hat.

So versuchten die japanischen Kaufleute, mit Hilfe der Regie-
rung den Handel der europäischen Firmen zu verdrängen; dies ist
ihnen bis jetzt theilweise bei den Artikeln Seide, Reis und Kohle,
also in Zweigen des Exportgeschäftes gelungen. Die Japaner be-
herrschen ferner den Handel mit China und den Vertrieb der eigent-
lichen "Japanwaaren", das sind die Erzeugnisse des japanischen
Kunstgewerbes. Im Ganzen jedoch ist ihr Antheil an dem auswär-
tigen Handel verhältnissmässig noch klein. Dieses Terrain beherrschen
die 150 in Japan etablirten ausländischen Firmen aller Nationen, von
denen ungefähr 90 auf Yokohama entfallen. Diese Kaufleute sind in
Japan nur Grosshändler und befassen sich gleichzeitig mit Import
und Export. Die treibende Kraft in jedem europäischen Kaufmanns-
hause ist der japanische "Banto", welcher Gebräuche, Charakter und
Behandlungsweise seiner Landsleute, sowie auch ihre Geschäftsge-
bräuche kennt. Er vermittelt den Verkauf der Waare unter Oberauf-
sicht des Repräsentanten der europäischen Firma.

Ein Gebiet für grossen, schnellen Gewinn bei geringen Umsätzen
ist Japan heute nicht mehr, weil sich hier wie im übrigen Ostasien
die Concurrenz aus allen Ländern der Welt begegnet. Dafür verstehen

Japanische Häfen.

Die Verträge wurden in der gleichen Form, wie sie vom Shogun
abgeschlossen wurden, seitens des Mikados bestätigt und seit dieser
Zeit vollinhaltlich aufrecht erhalten.

Die Bestrebungen, welche neuerer Zeit von den fremden Mächten
für die Eröffnung des ganzen japanischen Reiches für den freien
Verkehr gepflogen werden, haben deswegen noch nicht den ge-
wünschten Erfolg gehabt, weil man von Seite Japans die Unter-
stellung der Fremden unter japanische Jurisdiction forderte und ihnen
nicht das Recht gewähren wollte, in Japan Grundeigenthum zu er-
werben. Die Einführung der neuen Gesetzbücher, welche auf den in
Europa geltenden Principien beruhen, die nothwendige Voraussetzung,
wenn man Europäer japanischen Richtern unterstellen will, kommt
übrigens seit 1. Jänner 1891 langsam in Gang.

Die ungemeinen Fortschritte Japans auf der Bahn der Cultur,
die seit der kurzen Zeit der thatsächlichen Eröffnung des Landes ge-
macht wurden und bis jetzt noch in steter Entwicklung begriffen sind,
lassen annehmen, dass die oben erwähnten Bestrebungen zu Gunsten
der Vertragsmächte und der Vertragshäfen mit den vielfachen Ein-
schränkungen der Freiheit endlich doch von Erfolg gekrönt sein
werden, trotz der nationalen Reaction, die sich seit einigen Jahren
in Japan gegen alles Fremdländische entwickelt hat.

So versuchten die japanischen Kaufleute, mit Hilfe der Regie-
rung den Handel der europäischen Firmen zu verdrängen; dies ist
ihnen bis jetzt theilweise bei den Artikeln Seide, Reis und Kohle,
also in Zweigen des Exportgeschäftes gelungen. Die Japaner be-
herrschen ferner den Handel mit China und den Vertrieb der eigent-
lichen „Japanwaaren“, das sind die Erzeugnisse des japanischen
Kunstgewerbes. Im Ganzen jedoch ist ihr Antheil an dem auswär-
tigen Handel verhältnissmässig noch klein. Dieses Terrain beherrschen
die 150 in Japan etablirten ausländischen Firmen aller Nationen, von
denen ungefähr 90 auf Yokohama entfallen. Diese Kaufleute sind in
Japan nur Grosshändler und befassen sich gleichzeitig mit Import
und Export. Die treibende Kraft in jedem europäischen Kaufmanns-
hause ist der japanische „Banto“, welcher Gebräuche, Charakter und
Behandlungsweise seiner Landsleute, sowie auch ihre Geschäftsge-
bräuche kennt. Er vermittelt den Verkauf der Waare unter Oberauf-
sicht des Repräsentanten der europäischen Firma.

Ein Gebiet für grossen, schnellen Gewinn bei geringen Umsätzen
ist Japan heute nicht mehr, weil sich hier wie im übrigen Ostasien
die Concurrenz aus allen Ländern der Welt begegnet. Dafür verstehen

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[349/0365] Japanische Häfen. Die Verträge wurden in der gleichen Form, wie sie vom Shogun abgeschlossen wurden, seitens des Mikados bestätigt und seit dieser Zeit vollinhaltlich aufrecht erhalten. Die Bestrebungen, welche neuerer Zeit von den fremden Mächten für die Eröffnung des ganzen japanischen Reiches für den freien Verkehr gepflogen werden, haben deswegen noch nicht den ge- wünschten Erfolg gehabt, weil man von Seite Japans die Unter- stellung der Fremden unter japanische Jurisdiction forderte und ihnen nicht das Recht gewähren wollte, in Japan Grundeigenthum zu er- werben. Die Einführung der neuen Gesetzbücher, welche auf den in Europa geltenden Principien beruhen, die nothwendige Voraussetzung, wenn man Europäer japanischen Richtern unterstellen will, kommt übrigens seit 1. Jänner 1891 langsam in Gang. Die ungemeinen Fortschritte Japans auf der Bahn der Cultur, die seit der kurzen Zeit der thatsächlichen Eröffnung des Landes ge- macht wurden und bis jetzt noch in steter Entwicklung begriffen sind, lassen annehmen, dass die oben erwähnten Bestrebungen zu Gunsten der Vertragsmächte und der Vertragshäfen mit den vielfachen Ein- schränkungen der Freiheit endlich doch von Erfolg gekrönt sein werden, trotz der nationalen Reaction, die sich seit einigen Jahren in Japan gegen alles Fremdländische entwickelt hat. So versuchten die japanischen Kaufleute, mit Hilfe der Regie- rung den Handel der europäischen Firmen zu verdrängen; dies ist ihnen bis jetzt theilweise bei den Artikeln Seide, Reis und Kohle, also in Zweigen des Exportgeschäftes gelungen. Die Japaner be- herrschen ferner den Handel mit China und den Vertrieb der eigent- lichen „Japanwaaren“, das sind die Erzeugnisse des japanischen Kunstgewerbes. Im Ganzen jedoch ist ihr Antheil an dem auswär- tigen Handel verhältnissmässig noch klein. Dieses Terrain beherrschen die 150 in Japan etablirten ausländischen Firmen aller Nationen, von denen ungefähr 90 auf Yokohama entfallen. Diese Kaufleute sind in Japan nur Grosshändler und befassen sich gleichzeitig mit Import und Export. Die treibende Kraft in jedem europäischen Kaufmanns- hause ist der japanische „Banto“, welcher Gebräuche, Charakter und Behandlungsweise seiner Landsleute, sowie auch ihre Geschäftsge- bräuche kennt. Er vermittelt den Verkauf der Waare unter Oberauf- sicht des Repräsentanten der europäischen Firma. Ein Gebiet für grossen, schnellen Gewinn bei geringen Umsätzen ist Japan heute nicht mehr, weil sich hier wie im übrigen Ostasien die Concurrenz aus allen Ländern der Welt begegnet. Dafür verstehen

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/365>, abgerufen am 22.11.2024.