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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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San Francisco.
Farmern einen grösseren Umfang an, weil man so spät die Vor-
züge des Klimas Californiens schätzen lernte, das fast überall gesund
und ungemein milde ist.

Doch das Ziel der Bewegung blieb nicht lange das Thal des
Sacramento. Der Ausbau der Santa Fe- und Südpacificbahn (1. Juli
1883, San Francisco--New-York 5937 km) und der in sie einmün-
denden anderen Ueberlandsrouten führte die Neuankommenden in den
Süden Californiens und die Nordpacificbahn in die nordwärts gelegenen
Landschaften von Oregon, Washington u. a.

Und diese ausgedehnten und rasch aufblühenden Gebiete deckten
ihre Bedürfnisse nicht mehr wie früher in San Francisco, mit dem
sie Küstendampfer verbunden hatten, sondern direct aus dem Osten.
So wurden innerhalb weniger Jahre die wirthschaftlichen Verhältnisse
der Westküste der Union wiederholt zu Ungunsten von San Francisco
verschoben. Durch den Bau kostspieliger Gebirgsbahnen, die parallel
mit der Küste nach Norden laufen, und durch den Aufschwung, welchen
die San Francisco näher gelegenen Counties genommen haben, hat
die Stadt in der Folge für den Verlust dieser Absatzgebiete vollstän-
digen Ersatz gefunden.

Aber die Kaufleute und Rheder von San Francisco können
nicht zur Ruhe kommen. Seitdem die Einwanderung der Chinesen
in die Union verboten ist, fehlen jedem der von dem Reiche der Mitte
kommenden Dampfer die 500 bis 1000 bezopften Passagiere, welche
sie früher regelmässig herüber beförderten. Die 1886 dem Verkehre
übergebene Canada-Pacificbahn wächst zusehends zu einem wichtigen
Gliede im Kreislaufe des Welthandels heran, und die Dampfer dieser
Eisenbahngesellschaft machen den von hier nach den asiatischen
Häfen gehenden Dampfern nicht unerheblich Concurrenz. Auch tritt
immer deutlicher die Tendenz hervor, von jedem Punkte, an welchem
die Eisenbahn die Küste erreicht, selbständig Dampfer ausgehen zu
lassen. Ein solcher Concurrenzplatz von San Francisco ist San Diego,
Station der südlichen Pacificbahn, von wo überdies eine Bahn nach
Nordosten in Bau ist zum Anschluss an den heutigen Endpunkt
der Utah Centraleisenbahn, die dadurch den Ocean erreichen wird.
Auch Portland und Willamete in Oregon, Tacoma in Washington
sind hier zu nennen.

Trotz all dieser Hindernisse steigt das Vermögen von San
Francisco von Jahr zu Jahr und wurde für das Fiscaljahr 1889/90
abgeschätzt auf 241·1 Millionen Dollars an Grundeigenthum und Gebäu-
lichkeiten und auf 64·9 Millionen Dollars an beweglichem Eigenthum.


San Francisco.
Farmern einen grösseren Umfang an, weil man so spät die Vor-
züge des Klimas Californiens schätzen lernte, das fast überall gesund
und ungemein milde ist.

Doch das Ziel der Bewegung blieb nicht lange das Thal des
Sacramento. Der Ausbau der Santa Fé- und Südpacificbahn (1. Juli
1883, San Francisco—New-York 5937 km) und der in sie einmün-
denden anderen Ueberlandsrouten führte die Neuankommenden in den
Süden Californiens und die Nordpacificbahn in die nordwärts gelegenen
Landschaften von Oregon, Washington u. a.

Und diese ausgedehnten und rasch aufblühenden Gebiete deckten
ihre Bedürfnisse nicht mehr wie früher in San Francisco, mit dem
sie Küstendampfer verbunden hatten, sondern direct aus dem Osten.
So wurden innerhalb weniger Jahre die wirthschaftlichen Verhältnisse
der Westküste der Union wiederholt zu Ungunsten von San Francisco
verschoben. Durch den Bau kostspieliger Gebirgsbahnen, die parallel
mit der Küste nach Norden laufen, und durch den Aufschwung, welchen
die San Francisco näher gelegenen Counties genommen haben, hat
die Stadt in der Folge für den Verlust dieser Absatzgebiete vollstän-
digen Ersatz gefunden.

Aber die Kaufleute und Rheder von San Francisco können
nicht zur Ruhe kommen. Seitdem die Einwanderung der Chinesen
in die Union verboten ist, fehlen jedem der von dem Reiche der Mitte
kommenden Dampfer die 500 bis 1000 bezopften Passagiere, welche
sie früher regelmässig herüber beförderten. Die 1886 dem Verkehre
übergebene Canada-Pacificbahn wächst zusehends zu einem wichtigen
Gliede im Kreislaufe des Welthandels heran, und die Dampfer dieser
Eisenbahngesellschaft machen den von hier nach den asiatischen
Häfen gehenden Dampfern nicht unerheblich Concurrenz. Auch tritt
immer deutlicher die Tendenz hervor, von jedem Punkte, an welchem
die Eisenbahn die Küste erreicht, selbständig Dampfer ausgehen zu
lassen. Ein solcher Concurrenzplatz von San Francisco ist San Diego,
Station der südlichen Pacificbahn, von wo überdies eine Bahn nach
Nordosten in Bau ist zum Anschluss an den heutigen Endpunkt
der Utah Centraleisenbahn, die dadurch den Ocean erreichen wird.
Auch Portland und Willamete in Oregon, Tacoma in Washington
sind hier zu nennen.

Trotz all dieser Hindernisse steigt das Vermögen von San
Francisco von Jahr zu Jahr und wurde für das Fiscaljahr 1889/90
abgeschätzt auf 241·1 Millionen Dollars an Grundeigenthum und Gebäu-
lichkeiten und auf 64·9 Millionen Dollars an beweglichem Eigenthum.


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[335/0351] San Francisco. Farmern einen grösseren Umfang an, weil man so spät die Vor- züge des Klimas Californiens schätzen lernte, das fast überall gesund und ungemein milde ist. Doch das Ziel der Bewegung blieb nicht lange das Thal des Sacramento. Der Ausbau der Santa Fé- und Südpacificbahn (1. Juli 1883, San Francisco—New-York 5937 km) und der in sie einmün- denden anderen Ueberlandsrouten führte die Neuankommenden in den Süden Californiens und die Nordpacificbahn in die nordwärts gelegenen Landschaften von Oregon, Washington u. a. Und diese ausgedehnten und rasch aufblühenden Gebiete deckten ihre Bedürfnisse nicht mehr wie früher in San Francisco, mit dem sie Küstendampfer verbunden hatten, sondern direct aus dem Osten. So wurden innerhalb weniger Jahre die wirthschaftlichen Verhältnisse der Westküste der Union wiederholt zu Ungunsten von San Francisco verschoben. Durch den Bau kostspieliger Gebirgsbahnen, die parallel mit der Küste nach Norden laufen, und durch den Aufschwung, welchen die San Francisco näher gelegenen Counties genommen haben, hat die Stadt in der Folge für den Verlust dieser Absatzgebiete vollstän- digen Ersatz gefunden. Aber die Kaufleute und Rheder von San Francisco können nicht zur Ruhe kommen. Seitdem die Einwanderung der Chinesen in die Union verboten ist, fehlen jedem der von dem Reiche der Mitte kommenden Dampfer die 500 bis 1000 bezopften Passagiere, welche sie früher regelmässig herüber beförderten. Die 1886 dem Verkehre übergebene Canada-Pacificbahn wächst zusehends zu einem wichtigen Gliede im Kreislaufe des Welthandels heran, und die Dampfer dieser Eisenbahngesellschaft machen den von hier nach den asiatischen Häfen gehenden Dampfern nicht unerheblich Concurrenz. Auch tritt immer deutlicher die Tendenz hervor, von jedem Punkte, an welchem die Eisenbahn die Küste erreicht, selbständig Dampfer ausgehen zu lassen. Ein solcher Concurrenzplatz von San Francisco ist San Diego, Station der südlichen Pacificbahn, von wo überdies eine Bahn nach Nordosten in Bau ist zum Anschluss an den heutigen Endpunkt der Utah Centraleisenbahn, die dadurch den Ocean erreichen wird. Auch Portland und Willamete in Oregon, Tacoma in Washington sind hier zu nennen. Trotz all dieser Hindernisse steigt das Vermögen von San Francisco von Jahr zu Jahr und wurde für das Fiscaljahr 1889/90 abgeschätzt auf 241·1 Millionen Dollars an Grundeigenthum und Gebäu- lichkeiten und auf 64·9 Millionen Dollars an beweglichem Eigenthum.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/351>, abgerufen am 22.11.2024.