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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der grosse Ocean.
lang, die Wassertiefe gestattet das Anlegen der grössten Seeschiffe
dem Quai entlang.

Zu den bemerkenswerthesten Strassen der Stadt gehören die
Montgommery und die Kearny Street, in welcher sich zahlreiche
Prachtbauten befinden; die Montgommery Street ist gleichzeitig die
fashionable Promenade. Die California Street ist der Sitz der Bank-
häuser und der Makler, die Montgommery Avenue führt diagonal von
der Strasse gleichen Namens bis in die Nähe der Governement Re-
servation. Die wichtigsten Strassen sind macadamisirt oder mit Basalt-
blöcken gepflastert, in den letzten Jahren begann man überdies auch
einzelne Strassen zu asphaltiren.

Die in Californien häufigen Erdbeben und die grossen Kosten
der Steinbauten sind die Gründe, weshalb die meisten Privathäuser
aus Holz erbaut werden. Die Erdbeben zwingen überdies zur Her-
stellung von nur wenige Stockwerke hohen Bauten. Das in anderen
Grossstädten der Union beliebte Aufthürmen von zehn und mehr Stock-
werken, welches in Anbetracht der hohen Preise der Baugründe auch
in San Francisco recht vortheilhaft wäre, muss daher in letzterer
Stadt unterbleiben. Es ist wahrscheinlich nur den erwähnten Bauver-
hältnissen zu verdanken, dass das am 21. October 1868 (als bis
jetzt heftigstes) beobachtete Erdbeben, zwar grossen Schrecken her-
vorgerufen und hie und da den Häusern einige Risse beigebracht,
sonst aber keine weiteren Unfälle verursacht hat.

Man hat in San Francisco bei Ausführung der Holzconstruc-
tionen schon eine solche Fertigkeit erlangt, dass der Fremde es
beim ersten Anblick nicht glauben will, ganze Strassenfronten höl-
zerner Häuser vor Augen zu haben. Der Baustyl der Häuser ist zu-
meist moderne Renaissance allerreichster Gattung, oftmals etwas
überladen, immer aber so vorzüglich angestrichen, verkleidet und
solid ausgeführt, dass die Täuschung leicht möglich ist. Das Innere
der Häuser lässt jedenfalls an Bequemlichkeit nichts zu wünschen übrig,
die neuesten Errungenschaften der Technik und Wissenschaft finden
ausgedehnte Verwendung. Für Ventilation, Beleuchtung, Beheizung
und Wasserleitung ist in allen Räumen bestens vorgesorgt; die kleinen
Vorgärten mit ihrem reichen Schmucke halbtropischer Pflanzen sind
mit duftenden, das Auge erfreuenden Blumenkörben zu vergleichen.

Auf Nob Hill stehen die prächtigsten Paläste der Stadt, die mit
dem raffinirtesten Luxus eingerichteten Wohnstätten der Eisenbahn- und
der Bonanzakönige *). Die öffentlichen Gebäude zeichnen sich seltener

*) Bonanza bezeichnet einen reichen Goldfund.

Der grosse Ocean.
lang, die Wassertiefe gestattet das Anlegen der grössten Seeschiffe
dem Quai entlang.

Zu den bemerkenswerthesten Strassen der Stadt gehören die
Montgommery und die Kearny Street, in welcher sich zahlreiche
Prachtbauten befinden; die Montgommery Street ist gleichzeitig die
fashionable Promenade. Die California Street ist der Sitz der Bank-
häuser und der Makler, die Montgommery Avenue führt diagonal von
der Strasse gleichen Namens bis in die Nähe der Governement Re-
servation. Die wichtigsten Strassen sind macadamisirt oder mit Basalt-
blöcken gepflastert, in den letzten Jahren begann man überdies auch
einzelne Strassen zu asphaltiren.

Die in Californien häufigen Erdbeben und die grossen Kosten
der Steinbauten sind die Gründe, weshalb die meisten Privathäuser
aus Holz erbaut werden. Die Erdbeben zwingen überdies zur Her-
stellung von nur wenige Stockwerke hohen Bauten. Das in anderen
Grossstädten der Union beliebte Aufthürmen von zehn und mehr Stock-
werken, welches in Anbetracht der hohen Preise der Baugründe auch
in San Francisco recht vortheilhaft wäre, muss daher in letzterer
Stadt unterbleiben. Es ist wahrscheinlich nur den erwähnten Bauver-
hältnissen zu verdanken, dass das am 21. October 1868 (als bis
jetzt heftigstes) beobachtete Erdbeben, zwar grossen Schrecken her-
vorgerufen und hie und da den Häusern einige Risse beigebracht,
sonst aber keine weiteren Unfälle verursacht hat.

Man hat in San Francisco bei Ausführung der Holzconstruc-
tionen schon eine solche Fertigkeit erlangt, dass der Fremde es
beim ersten Anblick nicht glauben will, ganze Strassenfronten höl-
zerner Häuser vor Augen zu haben. Der Baustyl der Häuser ist zu-
meist moderne Renaissance allerreichster Gattung, oftmals etwas
überladen, immer aber so vorzüglich angestrichen, verkleidet und
solid ausgeführt, dass die Täuschung leicht möglich ist. Das Innere
der Häuser lässt jedenfalls an Bequemlichkeit nichts zu wünschen übrig,
die neuesten Errungenschaften der Technik und Wissenschaft finden
ausgedehnte Verwendung. Für Ventilation, Beleuchtung, Beheizung
und Wasserleitung ist in allen Räumen bestens vorgesorgt; die kleinen
Vorgärten mit ihrem reichen Schmucke halbtropischer Pflanzen sind
mit duftenden, das Auge erfreuenden Blumenkörben zu vergleichen.

Auf Nob Hill stehen die prächtigsten Paläste der Stadt, die mit
dem raffinirtesten Luxus eingerichteten Wohnstätten der Eisenbahn- und
der Bonanzakönige *). Die öffentlichen Gebäude zeichnen sich seltener

*) Bonanza bezeichnet einen reichen Goldfund.
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[324/0340] Der grosse Ocean. lang, die Wassertiefe gestattet das Anlegen der grössten Seeschiffe dem Quai entlang. Zu den bemerkenswerthesten Strassen der Stadt gehören die Montgommery und die Kearny Street, in welcher sich zahlreiche Prachtbauten befinden; die Montgommery Street ist gleichzeitig die fashionable Promenade. Die California Street ist der Sitz der Bank- häuser und der Makler, die Montgommery Avenue führt diagonal von der Strasse gleichen Namens bis in die Nähe der Governement Re- servation. Die wichtigsten Strassen sind macadamisirt oder mit Basalt- blöcken gepflastert, in den letzten Jahren begann man überdies auch einzelne Strassen zu asphaltiren. Die in Californien häufigen Erdbeben und die grossen Kosten der Steinbauten sind die Gründe, weshalb die meisten Privathäuser aus Holz erbaut werden. Die Erdbeben zwingen überdies zur Her- stellung von nur wenige Stockwerke hohen Bauten. Das in anderen Grossstädten der Union beliebte Aufthürmen von zehn und mehr Stock- werken, welches in Anbetracht der hohen Preise der Baugründe auch in San Francisco recht vortheilhaft wäre, muss daher in letzterer Stadt unterbleiben. Es ist wahrscheinlich nur den erwähnten Bauver- hältnissen zu verdanken, dass das am 21. October 1868 (als bis jetzt heftigstes) beobachtete Erdbeben, zwar grossen Schrecken her- vorgerufen und hie und da den Häusern einige Risse beigebracht, sonst aber keine weiteren Unfälle verursacht hat. Man hat in San Francisco bei Ausführung der Holzconstruc- tionen schon eine solche Fertigkeit erlangt, dass der Fremde es beim ersten Anblick nicht glauben will, ganze Strassenfronten höl- zerner Häuser vor Augen zu haben. Der Baustyl der Häuser ist zu- meist moderne Renaissance allerreichster Gattung, oftmals etwas überladen, immer aber so vorzüglich angestrichen, verkleidet und solid ausgeführt, dass die Täuschung leicht möglich ist. Das Innere der Häuser lässt jedenfalls an Bequemlichkeit nichts zu wünschen übrig, die neuesten Errungenschaften der Technik und Wissenschaft finden ausgedehnte Verwendung. Für Ventilation, Beleuchtung, Beheizung und Wasserleitung ist in allen Räumen bestens vorgesorgt; die kleinen Vorgärten mit ihrem reichen Schmucke halbtropischer Pflanzen sind mit duftenden, das Auge erfreuenden Blumenkörben zu vergleichen. Auf Nob Hill stehen die prächtigsten Paläste der Stadt, die mit dem raffinirtesten Luxus eingerichteten Wohnstätten der Eisenbahn- und der Bonanzakönige *). Die öffentlichen Gebäude zeichnen sich seltener *) Bonanza bezeichnet einen reichen Goldfund.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/340>, abgerufen am 24.11.2024.