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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Amerika.
Gründung einer neuen Stadt ein, die in der Nähe der Küste und an
einer bis dahin unbewohnten Stelle der Pampas zu erbauen wäre.

Diese Idee fand anfangs grossen Widerstand, als aber bald darauf
Rocha Provinzgouverneur wurde, gelang es seinem energischen Auf-
treten, die Realisirung des Planes durchzusetzen. Ueber Vorschlag des
zu Rathe gezogenen holländischen Ingenieurs, Staatsrath Walrop, der
durch verschiedene grössere Hafenbauten bekannt geworden ist, wählte
man zur Erbauung der neuen Stadt eine Stelle in der Nähe der Bucht
Ensenada, 40 km von Buenos-Aires. Diese Stelle befindet sich aber
nicht unmittelbar am Stromufer, wie letztere Stadt, weil das dem
Strome in der Bucht zunächst liegende Land so niedrig ist, dass es
häufig überflutet wird, sondern auf einer circa 5 m hohen Erhebung
des Terrains, die 5 km südwestlich der Bucht Ensenada liegt.

Ensenada hat vor Buenos-Aires den wesentlichen Vortheil vor-
aus, dass der Strom selbst in der nächsten Nähe des Ufers noch 5 m
tief ist. Die Verbindung der Bucht mit der Stadt wird durch einen
derzeit noch nicht vollendeten Doppelcanal, der vor der Stadt mit
einem bassinartig erweiterten Quercanal abschliesst, hergestellt. Die
Kosten dieser Hafenanlage, bei deren Herstellung auf alle Bedürfnisse
des modernen Verkehres Rücksicht genommen wurde, belaufen sich
auf 20 Millionen Gulden. Die ankommenden Schiffe werden durch
den einen Canal ins Bassin gelootst werden und sich nach Löschen
ihrer Ladung durch den anderen Canal entfernen.

Der Grundstein der neuen Stadt, die den Namen La Plata er-
hielt, wurde am 19. November 1882 gelegt und die Anlage derselben
nach einem in grossartigem Style entworfenen Plane in Angriff genom-
men. Mit echt amerikanischer Schnelligkeit wuchs die Stadt aus dem
Boden, in den breiten Strassen und auf den grossen Plätzen entstanden
prachtvolle Gebäude, zu deren rascherer Bevölkerung der Gouverneur
Rocha sofort alle Aemter der Provincialregierung in die fast unbe-
wohnte Stadt übersiedeln liess, welche derzeit schon weit über 50.000
Einwohner zählt (darunter sehr viele Italiener).

Das Terrain, auf dem sich jetzt die Stadt erhebt, war früher
dicht mit Eucalyptuspflanzungen bedeckt, deren Ueberreste noch in den
Gartenanlagen der Stadt zu finden sind. Die Gegend von Ensenada
ist sumpfig und ungesund, sowie arm an Trinkwasser.

Die neue Hafenstadt wird der Mutterstadt Buenos-Aires gewiss
grosse Concurrenz machen; ob aber die von der Provinz bei der Erbauung
der Stadt investirten Millionen sich genügend günstig verzinsen werden,
muss erst die Zukunft lehren.



Die atlantische Küste von Amerika.
Gründung einer neuen Stadt ein, die in der Nähe der Küste und an
einer bis dahin unbewohnten Stelle der Pampas zu erbauen wäre.

Diese Idee fand anfangs grossen Widerstand, als aber bald darauf
Rocha Provinzgouverneur wurde, gelang es seinem energischen Auf-
treten, die Realisirung des Planes durchzusetzen. Ueber Vorschlag des
zu Rathe gezogenen holländischen Ingenieurs, Staatsrath Walrop, der
durch verschiedene grössere Hafenbauten bekannt geworden ist, wählte
man zur Erbauung der neuen Stadt eine Stelle in der Nähe der Bucht
Ensenada, 40 km von Buenos-Aires. Diese Stelle befindet sich aber
nicht unmittelbar am Stromufer, wie letztere Stadt, weil das dem
Strome in der Bucht zunächst liegende Land so niedrig ist, dass es
häufig überflutet wird, sondern auf einer circa 5 m hohen Erhebung
des Terrains, die 5 km südwestlich der Bucht Ensenada liegt.

Ensenada hat vor Buenos-Aires den wesentlichen Vortheil vor-
aus, dass der Strom selbst in der nächsten Nähe des Ufers noch 5 m
tief ist. Die Verbindung der Bucht mit der Stadt wird durch einen
derzeit noch nicht vollendeten Doppelcanal, der vor der Stadt mit
einem bassinartig erweiterten Quercanal abschliesst, hergestellt. Die
Kosten dieser Hafenanlage, bei deren Herstellung auf alle Bedürfnisse
des modernen Verkehres Rücksicht genommen wurde, belaufen sich
auf 20 Millionen Gulden. Die ankommenden Schiffe werden durch
den einen Canal ins Bassin gelootst werden und sich nach Löschen
ihrer Ladung durch den anderen Canal entfernen.

Der Grundstein der neuen Stadt, die den Namen La Plata er-
hielt, wurde am 19. November 1882 gelegt und die Anlage derselben
nach einem in grossartigem Style entworfenen Plane in Angriff genom-
men. Mit echt amerikanischer Schnelligkeit wuchs die Stadt aus dem
Boden, in den breiten Strassen und auf den grossen Plätzen entstanden
prachtvolle Gebäude, zu deren rascherer Bevölkerung der Gouverneur
Rocha sofort alle Aemter der Provincialregierung in die fast unbe-
wohnte Stadt übersiedeln liess, welche derzeit schon weit über 50.000
Einwohner zählt (darunter sehr viele Italiener).

Das Terrain, auf dem sich jetzt die Stadt erhebt, war früher
dicht mit Eucalyptuspflanzungen bedeckt, deren Ueberreste noch in den
Gartenanlagen der Stadt zu finden sind. Die Gegend von Ensenada
ist sumpfig und ungesund, sowie arm an Trinkwasser.

Die neue Hafenstadt wird der Mutterstadt Buenos-Aires gewiss
grosse Concurrenz machen; ob aber die von der Provinz bei der Erbauung
der Stadt investirten Millionen sich genügend günstig verzinsen werden,
muss erst die Zukunft lehren.



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[300/0316] Die atlantische Küste von Amerika. Gründung einer neuen Stadt ein, die in der Nähe der Küste und an einer bis dahin unbewohnten Stelle der Pampas zu erbauen wäre. Diese Idee fand anfangs grossen Widerstand, als aber bald darauf Rocha Provinzgouverneur wurde, gelang es seinem energischen Auf- treten, die Realisirung des Planes durchzusetzen. Ueber Vorschlag des zu Rathe gezogenen holländischen Ingenieurs, Staatsrath Walrop, der durch verschiedene grössere Hafenbauten bekannt geworden ist, wählte man zur Erbauung der neuen Stadt eine Stelle in der Nähe der Bucht Ensenada, 40 km von Buenos-Aires. Diese Stelle befindet sich aber nicht unmittelbar am Stromufer, wie letztere Stadt, weil das dem Strome in der Bucht zunächst liegende Land so niedrig ist, dass es häufig überflutet wird, sondern auf einer circa 5 m hohen Erhebung des Terrains, die 5 km südwestlich der Bucht Ensenada liegt. Ensenada hat vor Buenos-Aires den wesentlichen Vortheil vor- aus, dass der Strom selbst in der nächsten Nähe des Ufers noch 5 m tief ist. Die Verbindung der Bucht mit der Stadt wird durch einen derzeit noch nicht vollendeten Doppelcanal, der vor der Stadt mit einem bassinartig erweiterten Quercanal abschliesst, hergestellt. Die Kosten dieser Hafenanlage, bei deren Herstellung auf alle Bedürfnisse des modernen Verkehres Rücksicht genommen wurde, belaufen sich auf 20 Millionen Gulden. Die ankommenden Schiffe werden durch den einen Canal ins Bassin gelootst werden und sich nach Löschen ihrer Ladung durch den anderen Canal entfernen. Der Grundstein der neuen Stadt, die den Namen La Plata er- hielt, wurde am 19. November 1882 gelegt und die Anlage derselben nach einem in grossartigem Style entworfenen Plane in Angriff genom- men. Mit echt amerikanischer Schnelligkeit wuchs die Stadt aus dem Boden, in den breiten Strassen und auf den grossen Plätzen entstanden prachtvolle Gebäude, zu deren rascherer Bevölkerung der Gouverneur Rocha sofort alle Aemter der Provincialregierung in die fast unbe- wohnte Stadt übersiedeln liess, welche derzeit schon weit über 50.000 Einwohner zählt (darunter sehr viele Italiener). Das Terrain, auf dem sich jetzt die Stadt erhebt, war früher dicht mit Eucalyptuspflanzungen bedeckt, deren Ueberreste noch in den Gartenanlagen der Stadt zu finden sind. Die Gegend von Ensenada ist sumpfig und ungesund, sowie arm an Trinkwasser. Die neue Hafenstadt wird der Mutterstadt Buenos-Aires gewiss grosse Concurrenz machen; ob aber die von der Provinz bei der Erbauung der Stadt investirten Millionen sich genügend günstig verzinsen werden, muss erst die Zukunft lehren.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/316>, abgerufen am 24.11.2024.