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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Montevideo.
baskische und die englische Kirche. Letztere wurde an Stelle einer
Batterie erbaut, die 1807 durch Samuel Auchmuty's Streitmacht ge-
nommen und zerstört wurde. An der Universität, die eine juridische
und eine medizinische Facultät besitzt, sind 44 Professoren thätig
und 1450 Studirende eingeschrieben, doch gehört nur ein Drittheil
der Letzteren zu den Reglamentados, d. i. ordentlichen Hörern; die
Zahl der Graduirungen ist eine auffallend geringe. Das National-
museum hat in den letzten Jahren, Dank den Bemühungen des jetzigen
Directors, einen bedeutenden Aufschwung genommen. Interessant ist
die erst vor wenigen Jahren entstandene paläontologische Abtheilung,
besonders reich die archäologische Abtheilung des Museums, welche
höchst bemerkenswerthe Gegenstände über die Sitten, Lebensweise
und Gewohnheiten der Ureinwohner des Landes zur Zeit der Er-
oberung desselben durch die Spanier enthält.

Montevideo besitzt mit den Vorstädten Paso do Molin, Cerro und
und Villa Union 175.000 Einwohner. 55 % derselben sind Inländer
("Orientalen"), der Rest Fremde. Wenngleich in früherer Zeit die
Brasilianer nach den Orientalen am zahlreichsten vertreten waren, so
hat sich doch seither dieses Verhältniss geändert, Spanier und Italiener
haben die Anzahl der Brasilianer beträchtlich überflügelt. In Uruguay
geborene Kinder der Fremden werden nach den Gesetzen des Landes
als Inländer gezählt. Die eigentlichen Landeskinder, welche theils
spanischer theils portugiesischer Abkunft sind und deren Blut fast
allgemein mit dem der Guarany, Charrua und der anderen einheimi-
schen Indianerstämme gemischt ist, dürften im Laufe der Zeiten ebenso
durch die Einwanderer verdrängt werden, wie sie selbst den Urein-
wohner des Landes, den Indianer, verdrängt haben.

Die Regierung Uruguay's bietet der Einwanderung manche
Vortheile. So übernimmt beispielsweise das in der Calle Pata-
gonas in Montevideo errichtete Asilo de imigracion alle ankom-
menden Einwanderer, beherbergt und verköstigt jene der dritten
Classe gratis durch acht Tage und trägt die Kosten ihrer Reise zu
Wasser oder zu Lande zum gewählten Ansiedlungsort. Die bereits
seit einiger Zeit begonnene Gründung von Ackerbaucolonien dürfte
gewiss vortreffliche Ergebnisse liefern, wenngleich auch die Einwan-
derer-Colonien Urugays noch lange nicht dieselbe Bedeutung erreicht
haben, wie jene in Argentina.

Der bewaffneten Macht Uruguays hat der Präsident Maximos
Santos mit dem Bestreben, in derselben eine ergebene Stütze seiner
Regierung zu schaffen, eine ganz besondere Fürsorge zugewendet,

Montevideo.
baskische und die englische Kirche. Letztere wurde an Stelle einer
Batterie erbaut, die 1807 durch Samuel Auchmuty’s Streitmacht ge-
nommen und zerstört wurde. An der Universität, die eine juridische
und eine medizinische Facultät besitzt, sind 44 Professoren thätig
und 1450 Studirende eingeschrieben, doch gehört nur ein Drittheil
der Letzteren zu den Reglamentados, d. i. ordentlichen Hörern; die
Zahl der Graduirungen ist eine auffallend geringe. Das National-
museum hat in den letzten Jahren, Dank den Bemühungen des jetzigen
Directors, einen bedeutenden Aufschwung genommen. Interessant ist
die erst vor wenigen Jahren entstandene paläontologische Abtheilung,
besonders reich die archäologische Abtheilung des Museums, welche
höchst bemerkenswerthe Gegenstände über die Sitten, Lebensweise
und Gewohnheiten der Ureinwohner des Landes zur Zeit der Er-
oberung desselben durch die Spanier enthält.

Montevideo besitzt mit den Vorstädten Paso do Molin, Cerro und
und Villa Union 175.000 Einwohner. 55 % derselben sind Inländer
(„Orientalen“), der Rest Fremde. Wenngleich in früherer Zeit die
Brasilianer nach den Orientalen am zahlreichsten vertreten waren, so
hat sich doch seither dieses Verhältniss geändert, Spanier und Italiener
haben die Anzahl der Brasilianer beträchtlich überflügelt. In Uruguay
geborene Kinder der Fremden werden nach den Gesetzen des Landes
als Inländer gezählt. Die eigentlichen Landeskinder, welche theils
spanischer theils portugiesischer Abkunft sind und deren Blut fast
allgemein mit dem der Guarany, Charrua und der anderen einheimi-
schen Indianerstämme gemischt ist, dürften im Laufe der Zeiten ebenso
durch die Einwanderer verdrängt werden, wie sie selbst den Urein-
wohner des Landes, den Indianer, verdrängt haben.

Die Regierung Uruguay’s bietet der Einwanderung manche
Vortheile. So übernimmt beispielsweise das in der Calle Pata-
gonas in Montevideo errichtete Asilo de imigracion alle ankom-
menden Einwanderer, beherbergt und verköstigt jene der dritten
Classe gratis durch acht Tage und trägt die Kosten ihrer Reise zu
Wasser oder zu Lande zum gewählten Ansiedlungsort. Die bereits
seit einiger Zeit begonnene Gründung von Ackerbaucolonien dürfte
gewiss vortreffliche Ergebnisse liefern, wenngleich auch die Einwan-
derer-Colonien Urugays noch lange nicht dieselbe Bedeutung erreicht
haben, wie jene in Argentina.

Der bewaffneten Macht Uruguays hat der Präsident Maximos
Santos mit dem Bestreben, in derselben eine ergebene Stütze seiner
Regierung zu schaffen, eine ganz besondere Fürsorge zugewendet,

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[279/0295] Montevideo. baskische und die englische Kirche. Letztere wurde an Stelle einer Batterie erbaut, die 1807 durch Samuel Auchmuty’s Streitmacht ge- nommen und zerstört wurde. An der Universität, die eine juridische und eine medizinische Facultät besitzt, sind 44 Professoren thätig und 1450 Studirende eingeschrieben, doch gehört nur ein Drittheil der Letzteren zu den Reglamentados, d. i. ordentlichen Hörern; die Zahl der Graduirungen ist eine auffallend geringe. Das National- museum hat in den letzten Jahren, Dank den Bemühungen des jetzigen Directors, einen bedeutenden Aufschwung genommen. Interessant ist die erst vor wenigen Jahren entstandene paläontologische Abtheilung, besonders reich die archäologische Abtheilung des Museums, welche höchst bemerkenswerthe Gegenstände über die Sitten, Lebensweise und Gewohnheiten der Ureinwohner des Landes zur Zeit der Er- oberung desselben durch die Spanier enthält. Montevideo besitzt mit den Vorstädten Paso do Molin, Cerro und und Villa Union 175.000 Einwohner. 55 % derselben sind Inländer („Orientalen“), der Rest Fremde. Wenngleich in früherer Zeit die Brasilianer nach den Orientalen am zahlreichsten vertreten waren, so hat sich doch seither dieses Verhältniss geändert, Spanier und Italiener haben die Anzahl der Brasilianer beträchtlich überflügelt. In Uruguay geborene Kinder der Fremden werden nach den Gesetzen des Landes als Inländer gezählt. Die eigentlichen Landeskinder, welche theils spanischer theils portugiesischer Abkunft sind und deren Blut fast allgemein mit dem der Guarany, Charrua und der anderen einheimi- schen Indianerstämme gemischt ist, dürften im Laufe der Zeiten ebenso durch die Einwanderer verdrängt werden, wie sie selbst den Urein- wohner des Landes, den Indianer, verdrängt haben. Die Regierung Uruguay’s bietet der Einwanderung manche Vortheile. So übernimmt beispielsweise das in der Calle Pata- gonas in Montevideo errichtete Asilo de imigracion alle ankom- menden Einwanderer, beherbergt und verköstigt jene der dritten Classe gratis durch acht Tage und trägt die Kosten ihrer Reise zu Wasser oder zu Lande zum gewählten Ansiedlungsort. Die bereits seit einiger Zeit begonnene Gründung von Ackerbaucolonien dürfte gewiss vortreffliche Ergebnisse liefern, wenngleich auch die Einwan- derer-Colonien Urugays noch lange nicht dieselbe Bedeutung erreicht haben, wie jene in Argentina. Der bewaffneten Macht Uruguays hat der Präsident Maximos Santos mit dem Bestreben, in derselben eine ergebene Stütze seiner Regierung zu schaffen, eine ganz besondere Fürsorge zugewendet,

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/295>, abgerufen am 23.11.2024.