Montreal liegt 460 km und Quebec 166 km aufwärts der Strommündung, welche bei einer Breite von 18 bis 55 km allmälig in den tief eingeschnittenen Golf übergeht.
Der enorme Wasserreichthum des herrlichen Stromes gestattet, dass die grössten Oceandampfer bis Montreal verkehren können, und hat die canadische Regierung ausser den Canalbauten und Schleusen auch grossartige Regulirungs- arbeiten, wie z. B. an der Stromausweitung (St. Peter-Seen) zwischen Quebec und Montreal vornehmen lassen.
Die Navigation ist indes nur auf die schöne Jahreszeit beschränkt und muss vom 25. November bis 25. April der Eisverhältnisse wegen auf Strom und Golf ganz eingestellt verbleiben. Oft ist der Lorenz-Golf noch anfangs Mai mit Trifteis bedeckt, das den Schiffen sehr gefährlich wird. Im Herbste ereignete es sich nicht selten, dass Schiffe, welche, um vor Schluss der Navigation hohe Fracht- sätze zu erlangen, sich verspäteten, dann im Golfe vom Eise überrascht, besetzt und erdrückt wurden.
Im Strome und an den Küsten hat die Regierung ein durchaus einheit- liches Markirungs- und Betonnungssystem eingeführt.
Die Strömung ist im ganzen Flusslaufe meist scharf und reissend. Bei Quebec erreicht deren Geschwindigkeit bei 56 m Wassertiefe 7·5 km in der Stunde, bei Montreal aber steigt sie auf 12 km Schnelligkeit.
Die Gezeiten sind stromaufwärts bis zum St. Peter-See, also auf mehr als 300 km fühlbar, doch steigt noch in Quebec die Flut um 5·5 m.
Montreal.
Die Mündung des Ottawa-Flusses, der nach einem Laufe von 1100 km in den Lorenz-Strom sich ergiesst, bildet eine hügelgekrönte Insel, an deren Ostseite, wie unser Plan zeigt, auf terrassenförmig ansteigendem Abhange die prächtige, industriereiche Stadt Montreal unter 45° 30' nördl. Breite und 73° 33' westl. Länge von Greenwich (Notre-Dame) immer weiter ausgreifend sich dehnt und streckt. Der 230 m hohe Montreal-Berg (Mount Royal), seit 1874 zu einem herr- lichen Parke umgewandelt, überragt recht malerisch das weite Häuser- gewirre. Von der mit Gartenanlagen ausgestatteten und als Ausflugsort beliebten Insel St. Helen, die kaum 700 m gegenüber dem Stadttheile St. Mary im Strome liegt, geniesst man einen dankbaren Ausblick über Stadt und Hafen. Gegen Süden zu fesselt uns die gewaltige Victoria- Röhrenbrücke (Victoria Tubular Bridge) der Grand Trunk-Eisenbahn, welche auf 24 Steinpfeilern in einer Länge von 2800 m den Strom übersetzt. Mit Recht wird der stolze Bau als ein wunderbarer Triumph der Technik bezeichnet, denn ungewöhnlich waren die zu besiegenden Schwierigkeiten, welche einestheils die reissende Strömung, dann aber
Die atlantische Küste von Amerika.
Montreal liegt 460 km und Quebec 166 km aufwärts der Strommündung, welche bei einer Breite von 18 bis 55 km allmälig in den tief eingeschnittenen Golf übergeht.
Der enorme Wasserreichthum des herrlichen Stromes gestattet, dass die grössten Oceandampfer bis Montreal verkehren können, und hat die canadische Regierung ausser den Canalbauten und Schleusen auch grossartige Regulirungs- arbeiten, wie z. B. an der Stromausweitung (St. Peter-Seen) zwischen Quebec und Montreal vornehmen lassen.
Die Navigation ist indes nur auf die schöne Jahreszeit beschränkt und muss vom 25. November bis 25. April der Eisverhältnisse wegen auf Strom und Golf ganz eingestellt verbleiben. Oft ist der Lorenz-Golf noch anfangs Mai mit Trifteis bedeckt, das den Schiffen sehr gefährlich wird. Im Herbste ereignete es sich nicht selten, dass Schiffe, welche, um vor Schluss der Navigation hohe Fracht- sätze zu erlangen, sich verspäteten, dann im Golfe vom Eise überrascht, besetzt und erdrückt wurden.
Im Strome und an den Küsten hat die Regierung ein durchaus einheit- liches Markirungs- und Betonnungssystem eingeführt.
Die Strömung ist im ganzen Flusslaufe meist scharf und reissend. Bei Quebec erreicht deren Geschwindigkeit bei 56 m Wassertiefe 7·5 km in der Stunde, bei Montreal aber steigt sie auf 12 km Schnelligkeit.
Die Gezeiten sind stromaufwärts bis zum St. Peter-See, also auf mehr als 300 km fühlbar, doch steigt noch in Quebec die Flut um 5·5 m.
Montreal.
Die Mündung des Ottawa-Flusses, der nach einem Laufe von 1100 km in den Lorenz-Strom sich ergiesst, bildet eine hügelgekrönte Insel, an deren Ostseite, wie unser Plan zeigt, auf terrassenförmig ansteigendem Abhange die prächtige, industriereiche Stadt Montreal unter 45° 30′ nördl. Breite und 73° 33′ westl. Länge von Greenwich (Notre-Dame) immer weiter ausgreifend sich dehnt und streckt. Der 230 m hohe Montreal-Berg (Mount Royal), seit 1874 zu einem herr- lichen Parke umgewandelt, überragt recht malerisch das weite Häuser- gewirre. Von der mit Gartenanlagen ausgestatteten und als Ausflugsort beliebten Insel St. Helen, die kaum 700 m gegenüber dem Stadttheile St. Mary im Strome liegt, geniesst man einen dankbaren Ausblick über Stadt und Hafen. Gegen Süden zu fesselt uns die gewaltige Victoria- Röhrenbrücke (Victoria Tubular Bridge) der Grand Trunk-Eisenbahn, welche auf 24 Steinpfeilern in einer Länge von 2800 m den Strom übersetzt. Mit Recht wird der stolze Bau als ein wunderbarer Triumph der Technik bezeichnet, denn ungewöhnlich waren die zu besiegenden Schwierigkeiten, welche einestheils die reissende Strömung, dann aber
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Die atlantische Küste von Amerika.
Montreal liegt 460 km und Quebec 166 km aufwärts der Strommündung,
welche bei einer Breite von 18 bis 55 km allmälig in den tief eingeschnittenen
Golf übergeht.
Der enorme Wasserreichthum des herrlichen Stromes gestattet, dass die
grössten Oceandampfer bis Montreal verkehren können, und hat die canadische
Regierung ausser den Canalbauten und Schleusen auch grossartige Regulirungs-
arbeiten, wie z. B. an der Stromausweitung (St. Peter-Seen) zwischen Quebec und
Montreal vornehmen lassen.
Die Navigation ist indes nur auf die schöne Jahreszeit beschränkt und
muss vom 25. November bis 25. April der Eisverhältnisse wegen auf Strom und
Golf ganz eingestellt verbleiben. Oft ist der Lorenz-Golf noch anfangs Mai mit
Trifteis bedeckt, das den Schiffen sehr gefährlich wird. Im Herbste ereignete es
sich nicht selten, dass Schiffe, welche, um vor Schluss der Navigation hohe Fracht-
sätze zu erlangen, sich verspäteten, dann im Golfe vom Eise überrascht, besetzt
und erdrückt wurden.
Im Strome und an den Küsten hat die Regierung ein durchaus einheit-
liches Markirungs- und Betonnungssystem eingeführt.
Die Strömung ist im ganzen Flusslaufe meist scharf und reissend. Bei
Quebec erreicht deren Geschwindigkeit bei 56 m Wassertiefe 7·5 km in der Stunde,
bei Montreal aber steigt sie auf 12 km Schnelligkeit.
Die Gezeiten sind stromaufwärts bis zum St. Peter-See, also auf mehr
als 300 km fühlbar, doch steigt noch in Quebec die Flut um 5·5 m.
Montreal.
Die Mündung des Ottawa-Flusses, der nach einem Laufe von
1100 km in den Lorenz-Strom sich ergiesst, bildet eine hügelgekrönte
Insel, an deren Ostseite, wie unser Plan zeigt, auf terrassenförmig
ansteigendem Abhange die prächtige, industriereiche Stadt Montreal
unter 45° 30′ nördl. Breite und 73° 33′ westl. Länge von Greenwich
(Notre-Dame) immer weiter ausgreifend sich dehnt und streckt. Der
230 m hohe Montreal-Berg (Mount Royal), seit 1874 zu einem herr-
lichen Parke umgewandelt, überragt recht malerisch das weite Häuser-
gewirre. Von der mit Gartenanlagen ausgestatteten und als Ausflugsort
beliebten Insel St. Helen, die kaum 700 m gegenüber dem Stadttheile
St. Mary im Strome liegt, geniesst man einen dankbaren Ausblick über
Stadt und Hafen. Gegen Süden zu fesselt uns die gewaltige Victoria-
Röhrenbrücke (Victoria Tubular Bridge) der Grand Trunk-Eisenbahn,
welche auf 24 Steinpfeilern in einer Länge von 2800 m den Strom
übersetzt. Mit Recht wird der stolze Bau als ein wunderbarer Triumph
der Technik bezeichnet, denn ungewöhnlich waren die zu besiegenden
Schwierigkeiten, welche einestheils die reissende Strömung, dann aber
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/24>, abgerufen am 24.11.2024.
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