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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Der atlantische Ocean.
von seiner Höhe auf das rege Treiben der City herab und bildet ganz
unzweifelhaft einen eigenthümlichen Gegensatz zu der fieberhaften
Thätigkeit, welche sich da ringsum abspielt.

Die City enthält wenig bemerkenswerthe Gebäude, und es ist
überhaupt nicht ihre Eigenthümlichkeit, einen schönen Eindruck zu
machen. Die Strassen sind enge, die Häuser hoch, und Licht und Luft
gerade nicht im Ueberflusse vorhanden. In der City befindet sich die
Amtswohnung des Lord-Mayor, das Mansion House, dann der grosse
Complex der Bank von England, jenes Centralpunktes des britischen
Geldverkehres, in dessen Gewölben grosse Schätze an Gold und Silber
deponirt liegen. Die Bank von England vermittelt das ganze Zahlungs-
wesen des Staates, der keine eigenen Zahlstellen und Cassen unter-
hält, sondern sämmtliche darauf bezüglichen Agenden durch die Bank
vermitteln lässt, welcher dafür die Einnahmen des Staates überwiesen
werden. Ueberhaupt ist in England der Brauch fast allgemein und
selbst bei Privatpersonen üblich, nur die unbedingt erforderliche Bar-
schaft in eigener Hand zu haben, dagegen alles Uebrige einem Banquier
zu übermachen und alle Zahlungen durch Anweisungen auf denselben
zu bewerkstelligen. Die Bank von England beschäftigt an tausend
Beamte und besitzt grosse technische Einrichtungen für die Bank-
notenfabrication.

In der Nähe der Bank ist auch die Börse, Royal Exchange,
gelegen, ein aus den Vierzigerjahren stammendes Gebäude. Die
Börse von London hat eine geradezu grossartige Bedeutung und ist
wohl der wichtigste Punkt für den ganzen Weltverkehr. Dort laufen
die Fäden eines den Erdball umspannenden Geschäftslebens zusammen,
und die dort gegebenen Impulse sind allüberall massgebend. Im
Börsengebäude befinden sich die Lloyd-Rooms, in denen eine für
die Schiffahrt höchst wichtige Institution ihren Sitz hat. Die Insti-
tution des Lloyd ist eine alte, ebenso der Name, welcher von einem
Cafe herrührt, in dem jene Institution ihre ersten Anfänge fand. Schon
im XVII. Jahrhundert hatte sich nämlich das Bedürfniss geltend ge-
macht, die Schiffsinteressenten in eine nähere Verbindung zu einander
zu bringen, die Nachrichten über den Seeverkehr gegenseitig auszu-
tauschen und dadurch das geschäftliche Leben zu erleichtern. Damals
war ja das Nachrichtenwesen noch nicht organisirt und man wesent-
lich auf jene Mittheilungen angewiesen, welche den Einzelnen von
ihren Capitänen, Agenten oder von den mit ihnen in Verkehr
stehenden Kaufleuten zugingen. Es entwickelte sich die Gewohnheit,
dass die betreffenden Rheder oder wer überhaupt an Handelsschiffen

Der atlantische Ocean.
von seiner Höhe auf das rege Treiben der City herab und bildet ganz
unzweifelhaft einen eigenthümlichen Gegensatz zu der fieberhaften
Thätigkeit, welche sich da ringsum abspielt.

Die City enthält wenig bemerkenswerthe Gebäude, und es ist
überhaupt nicht ihre Eigenthümlichkeit, einen schönen Eindruck zu
machen. Die Strassen sind enge, die Häuser hoch, und Licht und Luft
gerade nicht im Ueberflusse vorhanden. In der City befindet sich die
Amtswohnung des Lord-Mayor, das Mansion House, dann der grosse
Complex der Bank von England, jenes Centralpunktes des britischen
Geldverkehres, in dessen Gewölben grosse Schätze an Gold und Silber
deponirt liegen. Die Bank von England vermittelt das ganze Zahlungs-
wesen des Staates, der keine eigenen Zahlstellen und Cassen unter-
hält, sondern sämmtliche darauf bezüglichen Agenden durch die Bank
vermitteln lässt, welcher dafür die Einnahmen des Staates überwiesen
werden. Ueberhaupt ist in England der Brauch fast allgemein und
selbst bei Privatpersonen üblich, nur die unbedingt erforderliche Bar-
schaft in eigener Hand zu haben, dagegen alles Uebrige einem Banquier
zu übermachen und alle Zahlungen durch Anweisungen auf denselben
zu bewerkstelligen. Die Bank von England beschäftigt an tausend
Beamte und besitzt grosse technische Einrichtungen für die Bank-
notenfabrication.

In der Nähe der Bank ist auch die Börse, Royal Exchange,
gelegen, ein aus den Vierzigerjahren stammendes Gebäude. Die
Börse von London hat eine geradezu grossartige Bedeutung und ist
wohl der wichtigste Punkt für den ganzen Weltverkehr. Dort laufen
die Fäden eines den Erdball umspannenden Geschäftslebens zusammen,
und die dort gegebenen Impulse sind allüberall massgebend. Im
Börsengebäude befinden sich die Lloyd-Rooms, in denen eine für
die Schiffahrt höchst wichtige Institution ihren Sitz hat. Die Insti-
tution des Lloyd ist eine alte, ebenso der Name, welcher von einem
Café herrührt, in dem jene Institution ihre ersten Anfänge fand. Schon
im XVII. Jahrhundert hatte sich nämlich das Bedürfniss geltend ge-
macht, die Schiffsinteressenten in eine nähere Verbindung zu einander
zu bringen, die Nachrichten über den Seeverkehr gegenseitig auszu-
tauschen und dadurch das geschäftliche Leben zu erleichtern. Damals
war ja das Nachrichtenwesen noch nicht organisirt und man wesent-
lich auf jene Mittheilungen angewiesen, welche den Einzelnen von
ihren Capitänen, Agenten oder von den mit ihnen in Verkehr
stehenden Kaufleuten zugingen. Es entwickelte sich die Gewohnheit,
dass die betreffenden Rheder oder wer überhaupt an Handelsschiffen

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[936/0956] Der atlantische Ocean. von seiner Höhe auf das rege Treiben der City herab und bildet ganz unzweifelhaft einen eigenthümlichen Gegensatz zu der fieberhaften Thätigkeit, welche sich da ringsum abspielt. Die City enthält wenig bemerkenswerthe Gebäude, und es ist überhaupt nicht ihre Eigenthümlichkeit, einen schönen Eindruck zu machen. Die Strassen sind enge, die Häuser hoch, und Licht und Luft gerade nicht im Ueberflusse vorhanden. In der City befindet sich die Amtswohnung des Lord-Mayor, das Mansion House, dann der grosse Complex der Bank von England, jenes Centralpunktes des britischen Geldverkehres, in dessen Gewölben grosse Schätze an Gold und Silber deponirt liegen. Die Bank von England vermittelt das ganze Zahlungs- wesen des Staates, der keine eigenen Zahlstellen und Cassen unter- hält, sondern sämmtliche darauf bezüglichen Agenden durch die Bank vermitteln lässt, welcher dafür die Einnahmen des Staates überwiesen werden. Ueberhaupt ist in England der Brauch fast allgemein und selbst bei Privatpersonen üblich, nur die unbedingt erforderliche Bar- schaft in eigener Hand zu haben, dagegen alles Uebrige einem Banquier zu übermachen und alle Zahlungen durch Anweisungen auf denselben zu bewerkstelligen. Die Bank von England beschäftigt an tausend Beamte und besitzt grosse technische Einrichtungen für die Bank- notenfabrication. In der Nähe der Bank ist auch die Börse, Royal Exchange, gelegen, ein aus den Vierzigerjahren stammendes Gebäude. Die Börse von London hat eine geradezu grossartige Bedeutung und ist wohl der wichtigste Punkt für den ganzen Weltverkehr. Dort laufen die Fäden eines den Erdball umspannenden Geschäftslebens zusammen, und die dort gegebenen Impulse sind allüberall massgebend. Im Börsengebäude befinden sich die Lloyd-Rooms, in denen eine für die Schiffahrt höchst wichtige Institution ihren Sitz hat. Die Insti- tution des Lloyd ist eine alte, ebenso der Name, welcher von einem Café herrührt, in dem jene Institution ihre ersten Anfänge fand. Schon im XVII. Jahrhundert hatte sich nämlich das Bedürfniss geltend ge- macht, die Schiffsinteressenten in eine nähere Verbindung zu einander zu bringen, die Nachrichten über den Seeverkehr gegenseitig auszu- tauschen und dadurch das geschäftliche Leben zu erleichtern. Damals war ja das Nachrichtenwesen noch nicht organisirt und man wesent- lich auf jene Mittheilungen angewiesen, welche den Einzelnen von ihren Capitänen, Agenten oder von den mit ihnen in Verkehr stehenden Kaufleuten zugingen. Es entwickelte sich die Gewohnheit, dass die betreffenden Rheder oder wer überhaupt an Handelsschiffen

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 936. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/956>, abgerufen am 23.11.2024.