die Krönungsbankette, bei denen heute noch zu Recht besteht, dass der Champion des neuen Herrschers in voller Rüstung erscheinen und jeden zum Kampfe herausfordern darf, der es wagen sollte, das Thronrecht des eben gekrönten Souverains zu bestreiten. Er wirft mit dieser Herausforderung seinen ehernen Handschuh auf den Banketttisch und erhält vom Könige sodann für seine ritterliche Treue einen goldenen Ehrenpreis. So geschah es noch, als Königin Victoria den Thron bestieg.
Dicht hinter dem Parlamente befindet sich die Westminster- Abtei, eine ehrwürdige Gedenkstätte, deren Geschichte weit zurück in die Epoche der angelsächsischen Herrschaft reicht. Wie wir schon früher erwähnt haben, war Westminster einstens ein Städtchen für sich. Wohl älter noch als dieses Städtchen war das Kloster, das nach mehrfachen baulichen Wandlungen von Heinrich III. und Eduard I. so ziemlich in seiner heutigen äusseren Gestaltung hergestellt worden ist.
Nach Aufhebung der Klöster wurde diese Abtei der Sitz eines Bisthums der anglicanischen Kirche. Die Bedeutung dieser Abtei liegt darin, dass dort die meisten englischen Könige ihre letzte Ruhe- stätte fanden und dass sich allmälig auch der Brauch herausbildete, um das Land in irgend einer Weise verdiente Männer gleichfalls an dieser hervorragenden Stelle beizusetzen. So wurde die West- minster-Abtei mit der Zeit zum Pantheon Grossbritanniens erhoben und es gilt als höchste Ehre, welche England seinen Söhnen noch im Tode erweisen kann, wenn ein Grabmal im Dome von Westminster zuerkannt wird; eine Wanderung durch die weitläufigen Hallen der Abtei bringt die ganze politische, militärische, geistige und wirth- schaftliche Geschichte Englands in Erinnerung. Neben den Herrschern des Landes ruhen hier seine Staatsmänner und Helden, seine Dichter und Gelehrten, seine Künstler und Ingenieure, fast alle, deren Name ruhmreich mit den Geschicken des Landes verwoben ist. Westminster- Abtei ist das Mausoleum und die Ehrenhalle des vergangenen England.
Wendet man sich von Westminster stadteinwärts, so durchquert man die mit der Themse parallel führende breite Strasse Whitehall, welche ihren Namen dem Palaste verdankt, der sich einstens in dieser Gegend befand. In diesem alten Palaste residirten die Erz- bischöfe von York und darunter auch Heinrich's VIII. mächtiger Günstling Wolsey. Als dieser aber in Ungnade gefallen war, ging der Palast in das Eigenthum der Krone über, erhielt seinen späteren Namen, wurde bedeutend erweitert und auch als Residenz be-
London.
die Krönungsbankette, bei denen heute noch zu Recht besteht, dass der Champion des neuen Herrschers in voller Rüstung erscheinen und jeden zum Kampfe herausfordern darf, der es wagen sollte, das Thronrecht des eben gekrönten Souverains zu bestreiten. Er wirft mit dieser Herausforderung seinen ehernen Handschuh auf den Banketttisch und erhält vom Könige sodann für seine ritterliche Treue einen goldenen Ehrenpreis. So geschah es noch, als Königin Victoria den Thron bestieg.
Dicht hinter dem Parlamente befindet sich die Westminster- Abtei, eine ehrwürdige Gedenkstätte, deren Geschichte weit zurück in die Epoche der angelsächsischen Herrschaft reicht. Wie wir schon früher erwähnt haben, war Westminster einstens ein Städtchen für sich. Wohl älter noch als dieses Städtchen war das Kloster, das nach mehrfachen baulichen Wandlungen von Heinrich III. und Eduard I. so ziemlich in seiner heutigen äusseren Gestaltung hergestellt worden ist.
Nach Aufhebung der Klöster wurde diese Abtei der Sitz eines Bisthums der anglicanischen Kirche. Die Bedeutung dieser Abtei liegt darin, dass dort die meisten englischen Könige ihre letzte Ruhe- stätte fanden und dass sich allmälig auch der Brauch herausbildete, um das Land in irgend einer Weise verdiente Männer gleichfalls an dieser hervorragenden Stelle beizusetzen. So wurde die West- minster-Abtei mit der Zeit zum Pantheon Grossbritanniens erhoben und es gilt als höchste Ehre, welche England seinen Söhnen noch im Tode erweisen kann, wenn ein Grabmal im Dome von Westminster zuerkannt wird; eine Wanderung durch die weitläufigen Hallen der Abtei bringt die ganze politische, militärische, geistige und wirth- schaftliche Geschichte Englands in Erinnerung. Neben den Herrschern des Landes ruhen hier seine Staatsmänner und Helden, seine Dichter und Gelehrten, seine Künstler und Ingenieure, fast alle, deren Name ruhmreich mit den Geschicken des Landes verwoben ist. Westminster- Abtei ist das Mausoleum und die Ehrenhalle des vergangenen England.
Wendet man sich von Westminster stadteinwärts, so durchquert man die mit der Themse parallel führende breite Strasse Whitehall, welche ihren Namen dem Palaste verdankt, der sich einstens in dieser Gegend befand. In diesem alten Palaste residirten die Erz- bischöfe von York und darunter auch Heinrich’s VIII. mächtiger Günstling Wolsey. Als dieser aber in Ungnade gefallen war, ging der Palast in das Eigenthum der Krone über, erhielt seinen späteren Namen, wurde bedeutend erweitert und auch als Residenz be-
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[933/0953]
London.
die Krönungsbankette, bei denen heute noch zu Recht besteht, dass
der Champion des neuen Herrschers in voller Rüstung erscheinen und
jeden zum Kampfe herausfordern darf, der es wagen sollte, das
Thronrecht des eben gekrönten Souverains zu bestreiten. Er wirft mit
dieser Herausforderung seinen ehernen Handschuh auf den Banketttisch
und erhält vom Könige sodann für seine ritterliche Treue einen
goldenen Ehrenpreis. So geschah es noch, als Königin Victoria den
Thron bestieg.
Dicht hinter dem Parlamente befindet sich die Westminster-
Abtei, eine ehrwürdige Gedenkstätte, deren Geschichte weit zurück in
die Epoche der angelsächsischen Herrschaft reicht. Wie wir schon früher
erwähnt haben, war Westminster einstens ein Städtchen für sich.
Wohl älter noch als dieses Städtchen war das Kloster, das nach
mehrfachen baulichen Wandlungen von Heinrich III. und Eduard I. so
ziemlich in seiner heutigen äusseren Gestaltung hergestellt worden ist.
Nach Aufhebung der Klöster wurde diese Abtei der Sitz eines
Bisthums der anglicanischen Kirche. Die Bedeutung dieser Abtei liegt
darin, dass dort die meisten englischen Könige ihre letzte Ruhe-
stätte fanden und dass sich allmälig auch der Brauch herausbildete,
um das Land in irgend einer Weise verdiente Männer gleichfalls
an dieser hervorragenden Stelle beizusetzen. So wurde die West-
minster-Abtei mit der Zeit zum Pantheon Grossbritanniens erhoben
und es gilt als höchste Ehre, welche England seinen Söhnen noch
im Tode erweisen kann, wenn ein Grabmal im Dome von Westminster
zuerkannt wird; eine Wanderung durch die weitläufigen Hallen
der Abtei bringt die ganze politische, militärische, geistige und wirth-
schaftliche Geschichte Englands in Erinnerung. Neben den Herrschern
des Landes ruhen hier seine Staatsmänner und Helden, seine Dichter
und Gelehrten, seine Künstler und Ingenieure, fast alle, deren Name
ruhmreich mit den Geschicken des Landes verwoben ist. Westminster-
Abtei ist das Mausoleum und die Ehrenhalle des vergangenen
England.
Wendet man sich von Westminster stadteinwärts, so durchquert
man die mit der Themse parallel führende breite Strasse Whitehall,
welche ihren Namen dem Palaste verdankt, der sich einstens in
dieser Gegend befand. In diesem alten Palaste residirten die Erz-
bischöfe von York und darunter auch Heinrich’s VIII. mächtiger
Günstling Wolsey. Als dieser aber in Ungnade gefallen war, ging der
Palast in das Eigenthum der Krone über, erhielt seinen späteren
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 933. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/953>, abgerufen am 04.11.2024.
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