sehr bedeutender Ausdehnung inmitten Londons gibt, so insbesondere den so viel genannten Hydepark, welcher auch gerne zu Volksver- sammlungen -- Meetings -- benützt wird, den Regentspark im Nord- osten der Stadt, St. James Park in der Nähe des königlichen Palastes und noch andere, auf deren Herstellung man in jüngster Zeit namentlich Bedacht genommen hat, um dem niederen Volke auch mehr Luft zur Erholung zu schaffen. Eine andere günstige Eigenthümlichkeit Londons sind auch die sogenannten Squares, nämlich Plätze, meist von qua- dratischer Form, in deren Mitte sich nette Gartenanlagen befinden. Der Engländer, wenn auch ein Geschäftsmann tüchtigen und nüch- ternen Schlages, liebt doch das Grüne, und wie Jeder, dessen Mittel es nur halbwegs erlauben, nicht im Centrum der Stadt seine Wohn- stätte aufschlägt, sondern draussen an der Peripherie dieselbe sucht, weil er dort leichter einen freien Fleck finden kann, oder gar ausserhalb der Stadt haust und täglich nach seiner Arbeitsstelle hinein sich begibt, so freut er sich auch stets über einen bescheidenen grünen Fleck.
Der Umstand, dass ein grosser Theil der Londoner die Arbeits- stätte weit getrennt von der Wohnstätte hat, beeinflusst in doppelter Beziehung das Leben in dieser Stadt; zunächst in Bezug auf die Eintheilung des Tagewerkes und dann in Bezug auf den Verkehr. In ersterer Beziehung beginnt das eigentliche Geschäft in den Comp- toirs und Aemtern zu einer vorgerückteren Stunde, weil man ja früher eine gute Strecke zurücklegen muss, um an Ort und Stelle vom eigenen Heim zu gelangen. Dafür zerreisst der Londoner auch niemals seine Arbeitszeit, sondern arbeitet -- durch eine kurze Frühstückpause kaum unterbrochen -- durch bis in den späten Nachmittag, um dann heimzukehren und den Abend beim Diner und im Kreise seiner Fa- milie zu verbringen.
Was aber den Verkehr anbelangt, so erheischt diese gross- artige Wanderung, welche Hunderttausende täglich durchmachen, allein schon sehr bedeutende Vorkehrungen. Omnibusse, die einstigen Mittel der Bewegung für die grosse Menge, genügen lange nicht. Zu weit sind die Strecken, welche man zurücklegen muss, und zu gross wäre der Verlust an Zeit. Und so hat man zur Eisenbahn gegriffen, welche in vielfacher Ausdehnung ober der Erde und unter der Erde den Verkehr in der Stadt vermittelt, abgesehen von den zahlreichen Dampfern, welche auf der Themse sich bewegen, die aber doch weit- aus nicht jene Erleichterung gewähren wie die Stadtbahnen.
Vor Allem münden, wie unsere Eisenbahnkarte der Stadt zeigt, nicht weniger als fünfzehn Eisenbahn-Hauptlinien in London, und
London.
sehr bedeutender Ausdehnung inmitten Londons gibt, so insbesondere den so viel genannten Hydepark, welcher auch gerne zu Volksver- sammlungen — Meetings — benützt wird, den Regentspark im Nord- osten der Stadt, St. James Park in der Nähe des königlichen Palastes und noch andere, auf deren Herstellung man in jüngster Zeit namentlich Bedacht genommen hat, um dem niederen Volke auch mehr Luft zur Erholung zu schaffen. Eine andere günstige Eigenthümlichkeit Londons sind auch die sogenannten Squares, nämlich Plätze, meist von qua- dratischer Form, in deren Mitte sich nette Gartenanlagen befinden. Der Engländer, wenn auch ein Geschäftsmann tüchtigen und nüch- ternen Schlages, liebt doch das Grüne, und wie Jeder, dessen Mittel es nur halbwegs erlauben, nicht im Centrum der Stadt seine Wohn- stätte aufschlägt, sondern draussen an der Peripherie dieselbe sucht, weil er dort leichter einen freien Fleck finden kann, oder gar ausserhalb der Stadt haust und täglich nach seiner Arbeitsstelle hinein sich begibt, so freut er sich auch stets über einen bescheidenen grünen Fleck.
Der Umstand, dass ein grosser Theil der Londoner die Arbeits- stätte weit getrennt von der Wohnstätte hat, beeinflusst in doppelter Beziehung das Leben in dieser Stadt; zunächst in Bezug auf die Eintheilung des Tagewerkes und dann in Bezug auf den Verkehr. In ersterer Beziehung beginnt das eigentliche Geschäft in den Comp- toirs und Aemtern zu einer vorgerückteren Stunde, weil man ja früher eine gute Strecke zurücklegen muss, um an Ort und Stelle vom eigenen Heim zu gelangen. Dafür zerreisst der Londoner auch niemals seine Arbeitszeit, sondern arbeitet — durch eine kurze Frühstückpause kaum unterbrochen — durch bis in den späten Nachmittag, um dann heimzukehren und den Abend beim Diner und im Kreise seiner Fa- milie zu verbringen.
Was aber den Verkehr anbelangt, so erheischt diese gross- artige Wanderung, welche Hunderttausende täglich durchmachen, allein schon sehr bedeutende Vorkehrungen. Omnibusse, die einstigen Mittel der Bewegung für die grosse Menge, genügen lange nicht. Zu weit sind die Strecken, welche man zurücklegen muss, und zu gross wäre der Verlust an Zeit. Und so hat man zur Eisenbahn gegriffen, welche in vielfacher Ausdehnung ober der Erde und unter der Erde den Verkehr in der Stadt vermittelt, abgesehen von den zahlreichen Dampfern, welche auf der Themse sich bewegen, die aber doch weit- aus nicht jene Erleichterung gewähren wie die Stadtbahnen.
Vor Allem münden, wie unsere Eisenbahnkarte der Stadt zeigt, nicht weniger als fünfzehn Eisenbahn-Hauptlinien in London, und
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London.
sehr bedeutender Ausdehnung inmitten Londons gibt, so insbesondere
den so viel genannten Hydepark, welcher auch gerne zu Volksver-
sammlungen — Meetings — benützt wird, den Regentspark im Nord-
osten der Stadt, St. James Park in der Nähe des königlichen Palastes
und noch andere, auf deren Herstellung man in jüngster Zeit namentlich
Bedacht genommen hat, um dem niederen Volke auch mehr Luft zur
Erholung zu schaffen. Eine andere günstige Eigenthümlichkeit Londons
sind auch die sogenannten Squares, nämlich Plätze, meist von qua-
dratischer Form, in deren Mitte sich nette Gartenanlagen befinden.
Der Engländer, wenn auch ein Geschäftsmann tüchtigen und nüch-
ternen Schlages, liebt doch das Grüne, und wie Jeder, dessen Mittel
es nur halbwegs erlauben, nicht im Centrum der Stadt seine Wohn-
stätte aufschlägt, sondern draussen an der Peripherie dieselbe sucht,
weil er dort leichter einen freien Fleck finden kann, oder gar ausserhalb
der Stadt haust und täglich nach seiner Arbeitsstelle hinein sich begibt,
so freut er sich auch stets über einen bescheidenen grünen Fleck.
Der Umstand, dass ein grosser Theil der Londoner die Arbeits-
stätte weit getrennt von der Wohnstätte hat, beeinflusst in doppelter
Beziehung das Leben in dieser Stadt; zunächst in Bezug auf die
Eintheilung des Tagewerkes und dann in Bezug auf den Verkehr.
In ersterer Beziehung beginnt das eigentliche Geschäft in den Comp-
toirs und Aemtern zu einer vorgerückteren Stunde, weil man ja früher
eine gute Strecke zurücklegen muss, um an Ort und Stelle vom eigenen
Heim zu gelangen. Dafür zerreisst der Londoner auch niemals seine
Arbeitszeit, sondern arbeitet — durch eine kurze Frühstückpause
kaum unterbrochen — durch bis in den späten Nachmittag, um dann
heimzukehren und den Abend beim Diner und im Kreise seiner Fa-
milie zu verbringen.
Was aber den Verkehr anbelangt, so erheischt diese gross-
artige Wanderung, welche Hunderttausende täglich durchmachen,
allein schon sehr bedeutende Vorkehrungen. Omnibusse, die einstigen
Mittel der Bewegung für die grosse Menge, genügen lange nicht. Zu
weit sind die Strecken, welche man zurücklegen muss, und zu gross
wäre der Verlust an Zeit. Und so hat man zur Eisenbahn gegriffen,
welche in vielfacher Ausdehnung ober der Erde und unter der Erde
den Verkehr in der Stadt vermittelt, abgesehen von den zahlreichen
Dampfern, welche auf der Themse sich bewegen, die aber doch weit-
aus nicht jene Erleichterung gewähren wie die Stadtbahnen.
Vor Allem münden, wie unsere Eisenbahnkarte der Stadt zeigt,
nicht weniger als fünfzehn Eisenbahn-Hauptlinien in London, und
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 927. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/947>, abgerufen am 23.11.2024.
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