Sitze, ebenso die Mitglieder der grossen und der kleinen Gilde, und schwarze Statuen zeigen an, wo die Sitze für die Schwarzhäupter stehen. Die Kirche wurde schon im Jahre 1209 erbaut.
Eines der sehenswerthesten Gebäude Rigas ist das Haus der grossen oder St. Marien-Gilde in der Gildstubenstrasse, in gothischem Styl. Dasselbe stammt schon aus der frühesten Zeit Rigas, ist aber unter Beibehaltung seines alterthümlichen Charakters in den Jahren 1853--1858 umgebaut worden. Besonders hervorzuheben ist die "Stube" der grossen Gilde, ein gothischer Saal, dessen gewölbte Decke von schlanken Säulen getragen wird; eine derselben trägt eine Marienstatue mit dem Christuskind, welche die "Docke" (hoch- deutsch die Puppe) genannt wird. Weil der Vorsteher der Gilde bei diesem Pfeiler seinen Platz in den Versammlungen der grossen Gilde hat, führt er den Namen "Dockmann". Neben dem Hause der grossen Gilde steht das der kleinen oder Johannes-Gilde, ebenfalls im gothi- schen Style neu erbaut, wo sich unter einem Thurmausbau an der Frontseite eine Bildsäule des heiligen Johannes als Gegenstück zur "Docke" der grossen Gilde befindet.
Die Moskauer und die Petersburger Vorstadt sind reich an Park- anlagen und Boulevards. Auf dem grossen Thronfolgerboulevard liegt das Polytechnicum, hinter demselben der Wöhrmann'sche Park, eine Anlage im englischen Styl. Von dort gelangt man an dem grossen Exercirplatz, der Esplanade vorbei, wo die neue russische Kathe- drale gebaut wird, zum Schützengarten und von diesem zum kaiser- lichen Garten, einem schönen Park mit alten Bäumen. Peter der Grosse pflanzte hier mit eigenen Händen eine Ulme, die jetzt mit einem Geländer umgeben und einer Inschrift versehen ist.
In der Nähe des kaiserlichen Gartens befindet sich der Zoll- hafen. Hier breitet sich in mächtiger Breite die Düna aus. Zwei Brücken führen über den Strom: eine eigenthümlich construirte Floss- brücke, welche Mittags geöffnet wird, um Schiffe durchzulassen, und die Eisenbahnbrücke, welche in die Mitauervorstadt führt. Einen so unbedeutenden Eindruck die unansehnlichen Häuser an den Ufern machen, so imposant ist das lebhaft bewegte Leben auf dem Strome selbst: Dampfschiffe kommen und gehen, grosse Segelschiffe löschen ihre Frachten bei den Ambarren (Waarenmagazinen), und dazwischen bewegen sich schwerfällig die Strusen, kiellose, vorne und hinten mit einem Steuer versehene Flussbarken, wie schwimmende Hütten aussehend.
Der atlantische Ocean.
Sitze, ebenso die Mitglieder der grossen und der kleinen Gilde, und schwarze Statuen zeigen an, wo die Sitze für die Schwarzhäupter stehen. Die Kirche wurde schon im Jahre 1209 erbaut.
Eines der sehenswerthesten Gebäude Rigas ist das Haus der grossen oder St. Marien-Gilde in der Gildstubenstrasse, in gothischem Styl. Dasselbe stammt schon aus der frühesten Zeit Rigas, ist aber unter Beibehaltung seines alterthümlichen Charakters in den Jahren 1853—1858 umgebaut worden. Besonders hervorzuheben ist die „Stube“ der grossen Gilde, ein gothischer Saal, dessen gewölbte Decke von schlanken Säulen getragen wird; eine derselben trägt eine Marienstatue mit dem Christuskind, welche die „Docke“ (hoch- deutsch die Puppe) genannt wird. Weil der Vorsteher der Gilde bei diesem Pfeiler seinen Platz in den Versammlungen der grossen Gilde hat, führt er den Namen „Dockmann“. Neben dem Hause der grossen Gilde steht das der kleinen oder Johannes-Gilde, ebenfalls im gothi- schen Style neu erbaut, wo sich unter einem Thurmausbau an der Frontseite eine Bildsäule des heiligen Johannes als Gegenstück zur „Docke“ der grossen Gilde befindet.
Die Moskauer und die Petersburger Vorstadt sind reich an Park- anlagen und Boulevards. Auf dem grossen Thronfolgerboulevard liegt das Polytechnicum, hinter demselben der Wöhrmann’sche Park, eine Anlage im englischen Styl. Von dort gelangt man an dem grossen Exercirplatz, der Esplanade vorbei, wo die neue russische Kathe- drale gebaut wird, zum Schützengarten und von diesem zum kaiser- lichen Garten, einem schönen Park mit alten Bäumen. Peter der Grosse pflanzte hier mit eigenen Händen eine Ulme, die jetzt mit einem Geländer umgeben und einer Inschrift versehen ist.
In der Nähe des kaiserlichen Gartens befindet sich der Zoll- hafen. Hier breitet sich in mächtiger Breite die Düna aus. Zwei Brücken führen über den Strom: eine eigenthümlich construirte Floss- brücke, welche Mittags geöffnet wird, um Schiffe durchzulassen, und die Eisenbahnbrücke, welche in die Mitauervorstadt führt. Einen so unbedeutenden Eindruck die unansehnlichen Häuser an den Ufern machen, so imposant ist das lebhaft bewegte Leben auf dem Strome selbst: Dampfschiffe kommen und gehen, grosse Segelschiffe löschen ihre Frachten bei den Ambarren (Waarenmagazinen), und dazwischen bewegen sich schwerfällig die Strusen, kiellose, vorne und hinten mit einem Steuer versehene Flussbarken, wie schwimmende Hütten aussehend.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0872"n="852"/><fwplace="top"type="header">Der atlantische Ocean.</fw><lb/>
Sitze, ebenso die Mitglieder der grossen und der kleinen Gilde, und<lb/>
schwarze Statuen zeigen an, wo die Sitze für die Schwarzhäupter<lb/>
stehen. Die Kirche wurde schon im Jahre 1209 erbaut.</p><lb/><p>Eines der sehenswerthesten Gebäude Rigas ist das Haus der<lb/>
grossen oder St. Marien-Gilde in der Gildstubenstrasse, in gothischem<lb/>
Styl. Dasselbe stammt schon aus der frühesten Zeit Rigas, ist aber<lb/>
unter Beibehaltung seines alterthümlichen Charakters in den Jahren<lb/>
1853—1858 umgebaut worden. Besonders hervorzuheben ist die<lb/>„Stube“ der grossen Gilde, ein gothischer Saal, dessen gewölbte<lb/>
Decke von schlanken Säulen getragen wird; eine derselben trägt<lb/>
eine Marienstatue mit dem Christuskind, welche die „Docke“ (hoch-<lb/>
deutsch die Puppe) genannt wird. Weil der Vorsteher der Gilde bei<lb/>
diesem Pfeiler seinen Platz in den Versammlungen der grossen Gilde<lb/>
hat, führt er den Namen „Dockmann“. Neben dem Hause der grossen<lb/>
Gilde steht das der kleinen oder Johannes-Gilde, ebenfalls im gothi-<lb/>
schen Style neu erbaut, wo sich unter einem Thurmausbau an der<lb/>
Frontseite eine Bildsäule des heiligen Johannes als Gegenstück zur<lb/>„Docke“ der grossen Gilde befindet.</p><lb/><p>Die Moskauer und die Petersburger Vorstadt sind reich an Park-<lb/>
anlagen und Boulevards. Auf dem grossen Thronfolgerboulevard liegt<lb/>
das Polytechnicum, hinter demselben der Wöhrmann’sche Park, eine<lb/>
Anlage im englischen Styl. Von dort gelangt man an dem grossen<lb/>
Exercirplatz, der Esplanade vorbei, wo die neue russische Kathe-<lb/>
drale gebaut wird, zum Schützengarten und von diesem zum kaiser-<lb/>
lichen Garten, einem schönen Park mit alten Bäumen. Peter der<lb/>
Grosse pflanzte hier mit eigenen Händen eine Ulme, die jetzt mit<lb/>
einem Geländer umgeben und einer Inschrift versehen ist.</p><lb/><p>In der Nähe des kaiserlichen Gartens befindet sich der Zoll-<lb/>
hafen. Hier breitet sich in mächtiger Breite die Düna aus. Zwei<lb/>
Brücken führen über den Strom: eine eigenthümlich construirte Floss-<lb/>
brücke, welche Mittags geöffnet wird, um Schiffe durchzulassen, und<lb/>
die Eisenbahnbrücke, welche in die Mitauervorstadt führt. Einen so<lb/>
unbedeutenden Eindruck die unansehnlichen Häuser an den Ufern<lb/>
machen, so imposant ist das lebhaft bewegte Leben auf dem Strome<lb/>
selbst: Dampfschiffe kommen und gehen, grosse Segelschiffe löschen<lb/>
ihre Frachten bei den Ambarren (Waarenmagazinen), und dazwischen<lb/>
bewegen sich schwerfällig die Strusen, kiellose, vorne und hinten<lb/>
mit einem Steuer versehene Flussbarken, wie schwimmende Hütten<lb/>
aussehend.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[852/0872]
Der atlantische Ocean.
Sitze, ebenso die Mitglieder der grossen und der kleinen Gilde, und
schwarze Statuen zeigen an, wo die Sitze für die Schwarzhäupter
stehen. Die Kirche wurde schon im Jahre 1209 erbaut.
Eines der sehenswerthesten Gebäude Rigas ist das Haus der
grossen oder St. Marien-Gilde in der Gildstubenstrasse, in gothischem
Styl. Dasselbe stammt schon aus der frühesten Zeit Rigas, ist aber
unter Beibehaltung seines alterthümlichen Charakters in den Jahren
1853—1858 umgebaut worden. Besonders hervorzuheben ist die
„Stube“ der grossen Gilde, ein gothischer Saal, dessen gewölbte
Decke von schlanken Säulen getragen wird; eine derselben trägt
eine Marienstatue mit dem Christuskind, welche die „Docke“ (hoch-
deutsch die Puppe) genannt wird. Weil der Vorsteher der Gilde bei
diesem Pfeiler seinen Platz in den Versammlungen der grossen Gilde
hat, führt er den Namen „Dockmann“. Neben dem Hause der grossen
Gilde steht das der kleinen oder Johannes-Gilde, ebenfalls im gothi-
schen Style neu erbaut, wo sich unter einem Thurmausbau an der
Frontseite eine Bildsäule des heiligen Johannes als Gegenstück zur
„Docke“ der grossen Gilde befindet.
Die Moskauer und die Petersburger Vorstadt sind reich an Park-
anlagen und Boulevards. Auf dem grossen Thronfolgerboulevard liegt
das Polytechnicum, hinter demselben der Wöhrmann’sche Park, eine
Anlage im englischen Styl. Von dort gelangt man an dem grossen
Exercirplatz, der Esplanade vorbei, wo die neue russische Kathe-
drale gebaut wird, zum Schützengarten und von diesem zum kaiser-
lichen Garten, einem schönen Park mit alten Bäumen. Peter der
Grosse pflanzte hier mit eigenen Händen eine Ulme, die jetzt mit
einem Geländer umgeben und einer Inschrift versehen ist.
In der Nähe des kaiserlichen Gartens befindet sich der Zoll-
hafen. Hier breitet sich in mächtiger Breite die Düna aus. Zwei
Brücken führen über den Strom: eine eigenthümlich construirte Floss-
brücke, welche Mittags geöffnet wird, um Schiffe durchzulassen, und
die Eisenbahnbrücke, welche in die Mitauervorstadt führt. Einen so
unbedeutenden Eindruck die unansehnlichen Häuser an den Ufern
machen, so imposant ist das lebhaft bewegte Leben auf dem Strome
selbst: Dampfschiffe kommen und gehen, grosse Segelschiffe löschen
ihre Frachten bei den Ambarren (Waarenmagazinen), und dazwischen
bewegen sich schwerfällig die Strusen, kiellose, vorne und hinten
mit einem Steuer versehene Flussbarken, wie schwimmende Hütten
aussehend.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 852. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/872>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.