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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Königsberg.

Der Pregel ergiesst sich 8·6 km unterhalb Königsberg in das
Frische Haff, welches im nordöstlichen Theil den einzigen Ausfluss
bei Pillau besitzt. Dort ist dann an der Ostseite die durch starke
Befestigungen geschützte Hafenstadt entstanden.

Lange Molen schützen die etwa 480 m breite und etwa 7 m tiefe
Haffmündung, "das Königstief", von welcher aus der unter 54° 39'
nördl. B. und 19° 54' östl. L. v. Gr. gelegene Hafen ostwärts abzweigt.

Am Quai des durch den Verbindungsbahndamm gegen alle
Winde wohlgeschützten Hinterhafens sind die ausgedehnten Bahnhof-
anlagen, welche mit Königsberg in Verbindung stehen.

Der Handel von Königsberg ist nach der geographischen Lage der Stadt
mehr auf das grosse russische als auf das recht schmale deutsche Hinterland
angewiesen.

Gerade darum mussten die Eisenbahntarif- und Zollmassregeln, die Russland
in den letzten Jahren im Interesse seiner eigenen Häfen an der Ostsee und am
Schwarzen Meere getroffen hat, den ganzen Transitohandel von Königsberg so
schwer schädigen.

Die schiffbaren Binnengewässer, die nach Königsberg führen, und beson-
ders die sehr wichtige Wasserstrasse von Königsberg über die Deime, den Fried-
richsgraben, die Nebencanäle, die Gilge und die Memel nach Russland ist
trotz Verbesserungen in den letzten Jahren wegen ihrer nicht hinreichenden und
gleichmässigen Tiefe nicht in der Lage, ihre Aufgabe voll zu erfüllen.

Noch schwerer aber wiegt der Umstand, dass das Frische Haff zu seicht
ist und grössere Schiffe zur Fahrt durch dasselbe leichtern müssen. Die Herstellung
des "Königsberg er Seecanals", d. i. einer Fahrrinne von einstweilen 5 m Tiefe
zwischen Pillau und Königsberg ist im Zuge, doch ist eine weitere Vertiefung
derselben auf 51/2 m unabweislich und auch wahrscheinlich.

Mit der Vollendung dieses Werkes ist wenigstens der Grund zu einem
neuen Aufschwunge und Emporblühen des Königsberger Handels gelegt, der ohne-
dies immer darunter leidet, dass trotz Eisbrecher die Schiffahrt von Königsberg
nach dem stets eisfreien Pillau einen Theil des Winters über gesperrt ist, wo
dann die Frachten sich der Eisenbahn bedienen müssen.

Bei dem Mangel einer ausgedehnten Industrie bildet die Landwirtschaft
den Haupterwerbszweig der Provinz Ostpreussen und der Handel mit Erzeugnissen
der Landwirtschaft dieser Provinz und Russlands den hauptsächlichsten Geschäfts-
zweig Königsbergs, und daraus folgt, dass der Seehandel des Platzes über-
wiegend Ausfuhrhandel ist
.

Getreide ist der Haupthandelsartikel von Königsberg und gibt weiten
Schichten der Bevölkerung Erwerb. Von Getreide, Kleien, Saaten und
Sämereien wurden 1889 3,503.020 q, 1888 6,076.560 q zum grössten Theile aus
Russland zugeführt und seewärts 1889 3,348.470 q, 1888 5,852.270 q verschifft.

Es wurden ausgeführt Weizen 1889 1,767.100 q (Werth 31 Millionen
Mark), 1888 2,114.700 q, hauptsächlich nach Grossbritannien und Holland, Roggen
1889 457.880 q, 1888 1,596.450 q nach Schweden und deutschen Häfen, Hafer
1889 156.080 q, 1888 729.000 q nach Grossbritannien, deutschen Häfen, ebendahin
und nach Dänemark und Belgien Gerste 1889 273.890 q, 1888 445.210 q, Erbsen

Königsberg.

Der Pregel ergiesst sich 8·6 km unterhalb Königsberg in das
Frische Haff, welches im nordöstlichen Theil den einzigen Ausfluss
bei Pillau besitzt. Dort ist dann an der Ostseite die durch starke
Befestigungen geschützte Hafenstadt entstanden.

Lange Molen schützen die etwa 480 m breite und etwa 7 m tiefe
Haffmündung, „das Königstief“, von welcher aus der unter 54° 39′
nördl. B. und 19° 54′ östl. L. v. Gr. gelegene Hafen ostwärts abzweigt.

Am Quai des durch den Verbindungsbahndamm gegen alle
Winde wohlgeschützten Hinterhafens sind die ausgedehnten Bahnhof-
anlagen, welche mit Königsberg in Verbindung stehen.

Der Handel von Königsberg ist nach der geographischen Lage der Stadt
mehr auf das grosse russische als auf das recht schmale deutsche Hinterland
angewiesen.

Gerade darum mussten die Eisenbahntarif- und Zollmassregeln, die Russland
in den letzten Jahren im Interesse seiner eigenen Häfen an der Ostsee und am
Schwarzen Meere getroffen hat, den ganzen Transitohandel von Königsberg so
schwer schädigen.

Die schiffbaren Binnengewässer, die nach Königsberg führen, und beson-
ders die sehr wichtige Wasserstrasse von Königsberg über die Deime, den Fried-
richsgraben, die Nebencanäle, die Gilge und die Memel nach Russland ist
trotz Verbesserungen in den letzten Jahren wegen ihrer nicht hinreichenden und
gleichmässigen Tiefe nicht in der Lage, ihre Aufgabe voll zu erfüllen.

Noch schwerer aber wiegt der Umstand, dass das Frische Haff zu seicht
ist und grössere Schiffe zur Fahrt durch dasselbe leichtern müssen. Die Herstellung
des „Königsberg er Seecanals“, d. i. einer Fahrrinne von einstweilen 5 m Tiefe
zwischen Pillau und Königsberg ist im Zuge, doch ist eine weitere Vertiefung
derselben auf 5½ m unabweislich und auch wahrscheinlich.

Mit der Vollendung dieses Werkes ist wenigstens der Grund zu einem
neuen Aufschwunge und Emporblühen des Königsberger Handels gelegt, der ohne-
dies immer darunter leidet, dass trotz Eisbrecher die Schiffahrt von Königsberg
nach dem stets eisfreien Pillau einen Theil des Winters über gesperrt ist, wo
dann die Frachten sich der Eisenbahn bedienen müssen.

Bei dem Mangel einer ausgedehnten Industrie bildet die Landwirtschaft
den Haupterwerbszweig der Provinz Ostpreussen und der Handel mit Erzeugnissen
der Landwirtschaft dieser Provinz und Russlands den hauptsächlichsten Geschäfts-
zweig Königsbergs, und daraus folgt, dass der Seehandel des Platzes über-
wiegend Ausfuhrhandel ist
.

Getreide ist der Haupthandelsartikel von Königsberg und gibt weiten
Schichten der Bevölkerung Erwerb. Von Getreide, Kleien, Saaten und
Sämereien wurden 1889 3,503.020 q, 1888 6,076.560 q zum grössten Theile aus
Russland zugeführt und seewärts 1889 3,348.470 q, 1888 5,852.270 q verschifft.

Es wurden ausgeführt Weizen 1889 1,767.100 q (Werth 31 Millionen
Mark), 1888 2,114.700 q, hauptsächlich nach Grossbritannien und Holland, Roggen
1889 457.880 q, 1888 1,596.450 q nach Schweden und deutschen Häfen, Hafer
1889 156.080 q, 1888 729.000 q nach Grossbritannien, deutschen Häfen, ebendahin
und nach Dänemark und Belgien Gerste 1889 273.890 q, 1888 445.210 q, Erbsen

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[839/0859] Königsberg. Der Pregel ergiesst sich 8·6 km unterhalb Königsberg in das Frische Haff, welches im nordöstlichen Theil den einzigen Ausfluss bei Pillau besitzt. Dort ist dann an der Ostseite die durch starke Befestigungen geschützte Hafenstadt entstanden. Lange Molen schützen die etwa 480 m breite und etwa 7 m tiefe Haffmündung, „das Königstief“, von welcher aus der unter 54° 39′ nördl. B. und 19° 54′ östl. L. v. Gr. gelegene Hafen ostwärts abzweigt. Am Quai des durch den Verbindungsbahndamm gegen alle Winde wohlgeschützten Hinterhafens sind die ausgedehnten Bahnhof- anlagen, welche mit Königsberg in Verbindung stehen. Der Handel von Königsberg ist nach der geographischen Lage der Stadt mehr auf das grosse russische als auf das recht schmale deutsche Hinterland angewiesen. Gerade darum mussten die Eisenbahntarif- und Zollmassregeln, die Russland in den letzten Jahren im Interesse seiner eigenen Häfen an der Ostsee und am Schwarzen Meere getroffen hat, den ganzen Transitohandel von Königsberg so schwer schädigen. Die schiffbaren Binnengewässer, die nach Königsberg führen, und beson- ders die sehr wichtige Wasserstrasse von Königsberg über die Deime, den Fried- richsgraben, die Nebencanäle, die Gilge und die Memel nach Russland ist trotz Verbesserungen in den letzten Jahren wegen ihrer nicht hinreichenden und gleichmässigen Tiefe nicht in der Lage, ihre Aufgabe voll zu erfüllen. Noch schwerer aber wiegt der Umstand, dass das Frische Haff zu seicht ist und grössere Schiffe zur Fahrt durch dasselbe leichtern müssen. Die Herstellung des „Königsberg er Seecanals“, d. i. einer Fahrrinne von einstweilen 5 m Tiefe zwischen Pillau und Königsberg ist im Zuge, doch ist eine weitere Vertiefung derselben auf 5½ m unabweislich und auch wahrscheinlich. Mit der Vollendung dieses Werkes ist wenigstens der Grund zu einem neuen Aufschwunge und Emporblühen des Königsberger Handels gelegt, der ohne- dies immer darunter leidet, dass trotz Eisbrecher die Schiffahrt von Königsberg nach dem stets eisfreien Pillau einen Theil des Winters über gesperrt ist, wo dann die Frachten sich der Eisenbahn bedienen müssen. Bei dem Mangel einer ausgedehnten Industrie bildet die Landwirtschaft den Haupterwerbszweig der Provinz Ostpreussen und der Handel mit Erzeugnissen der Landwirtschaft dieser Provinz und Russlands den hauptsächlichsten Geschäfts- zweig Königsbergs, und daraus folgt, dass der Seehandel des Platzes über- wiegend Ausfuhrhandel ist. Getreide ist der Haupthandelsartikel von Königsberg und gibt weiten Schichten der Bevölkerung Erwerb. Von Getreide, Kleien, Saaten und Sämereien wurden 1889 3,503.020 q, 1888 6,076.560 q zum grössten Theile aus Russland zugeführt und seewärts 1889 3,348.470 q, 1888 5,852.270 q verschifft. Es wurden ausgeführt Weizen 1889 1,767.100 q (Werth 31 Millionen Mark), 1888 2,114.700 q, hauptsächlich nach Grossbritannien und Holland, Roggen 1889 457.880 q, 1888 1,596.450 q nach Schweden und deutschen Häfen, Hafer 1889 156.080 q, 1888 729.000 q nach Grossbritannien, deutschen Häfen, ebendahin und nach Dänemark und Belgien Gerste 1889 273.890 q, 1888 445.210 q, Erbsen

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 839. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/859>, abgerufen am 23.11.2024.