So führt die Gallerie der Monumente auf der Spianata der dort lustwandelnden Menge den letzten Act aus der Geschichte Corfus vor.
Von der Spianata aus führt eine breite Fahrstrasse, die früher erwähnte Via Marina, abwärts zur malerischen Bucht von Kastrades, auch Garitza genannt, einem langgestreckten Vororte der Stadt. An dieser Stelle dürfte das alte Korkyra, die Stadt des Alkinoos, ge- standen sein, und die nahe, mit fruchtbarem Boden bedeckte Halbinsel, auf der die königliche Villa Monrepos (Villa Reale) in dunklem Grün erscheint, trug vielleicht einst die Akropolis der Stadt.
Es ist eine viel besuchte Promenade, die von Kastrades längs des mit Villen und Gärten geschmückten Abhanges südwärts gegen das Rondell al Canone hinführt.
Den schönsten Platz nimmt in diesem Paradiese unstreitig die von ausgedehnten Gartenanlagen umgebene Villa Reale ein, von der uns ein herrliches Panorama über die malerische Küstenscenerie und den Canal von Corfu zu schauen ist. Dort hatte Elisabeth, Kaiserin von Oesterreich und Königin von Ungarn, einst Genesung gefunden und besucht seither wiederholt die gottgesegnete Stätte, wo ihr zart- besaitetes Wesen, vom poetischem Hauche der Mythe umweht, stets Befriedigung und Stärkung fand; jetzt ist für die hohe Frau an einem der schönsten Punkte der Insel ein eigenes Heim erbaut.
Seitlich der Strasse zum Rondell schimmert die blendende Fläche der traumhaftstillen Kalikiopulo-Lagune durch das Laubwerk uns ent- gegen. Es ist eine tiefeingeschnittene Bucht, wahrscheinlich der Kriegs- hafen des alten Korkyra, das bis hieher sich erstreckt haben dürfte. Der Name Paläopolis oder Altstadt, den die Gegend bis heute führt, scheint darauf hinzuweisen.
Die Einfahrt in die Lagune verlegen zwei Eilande, von welchen das nördliche ein Miniaturkloster trägt und durch einen Steindamm mit dem Strande verbunden ist. Die südlichere höhere Klippe Ponti- konisi, die Mausinsel, spiegelt den düsteren Schmuck ihres Cypressen- saumes, der ein kleines Klösterlein beschattet und der Welt verbirgt, in der Meeresflut. Das Eiland, dessen Bild wir bringen, gilt wegen der Aehnlichkeit seines Profils mit der Form eines segelnden Schiffes als das vom zürnenden Poseidon versteinerte Schiff der Phäaken, dessen Schicksal uns Homer vermeldet. Dieser Mythe entstammt auch die Bezeichnung Ulysses-Insel.
Odysseus erreichte, nachdem der Erderschütterer Poseidon sein Floss im Sturme zertrümmerte, schwimmend die Gestade der Phäaken-Insel Scheria, wo er alsbald die herrliche Nausikaa beim Ballspiel überrascht und ihre Freundschaft
Das Mittelmeerbecken.
So führt die Gallerie der Monumente auf der Spianata der dort lustwandelnden Menge den letzten Act aus der Geschichte Corfùs vor.
Von der Spianata aus führt eine breite Fahrstrasse, die früher erwähnte Via Marina, abwärts zur malerischen Bucht von Kastrades, auch Garitza genannt, einem langgestreckten Vororte der Stadt. An dieser Stelle dürfte das alte Korkyra, die Stadt des Alkinoos, ge- standen sein, und die nahe, mit fruchtbarem Boden bedeckte Halbinsel, auf der die königliche Villa Monrepos (Villa Reale) in dunklem Grün erscheint, trug vielleicht einst die Akropolis der Stadt.
Es ist eine viel besuchte Promenade, die von Kastrades längs des mit Villen und Gärten geschmückten Abhanges südwärts gegen das Rondell al Canone hinführt.
Den schönsten Platz nimmt in diesem Paradiese unstreitig die von ausgedehnten Gartenanlagen umgebene Villa Reale ein, von der uns ein herrliches Panorama über die malerische Küstenscenerie und den Canal von Corfù zu schauen ist. Dort hatte Elisabeth, Kaiserin von Oesterreich und Königin von Ungarn, einst Genesung gefunden und besucht seither wiederholt die gottgesegnete Stätte, wo ihr zart- besaitetes Wesen, vom poetischem Hauche der Mythe umweht, stets Befriedigung und Stärkung fand; jetzt ist für die hohe Frau an einem der schönsten Punkte der Insel ein eigenes Heim erbaut.
Seitlich der Strasse zum Rondell schimmert die blendende Fläche der traumhaftstillen Kalikiopulo-Lagune durch das Laubwerk uns ent- gegen. Es ist eine tiefeingeschnittene Bucht, wahrscheinlich der Kriegs- hafen des alten Korkyra, das bis hieher sich erstreckt haben dürfte. Der Name Paläopolis oder Altstadt, den die Gegend bis heute führt, scheint darauf hinzuweisen.
Die Einfahrt in die Lagune verlegen zwei Eilande, von welchen das nördliche ein Miniaturkloster trägt und durch einen Steindamm mit dem Strande verbunden ist. Die südlichere höhere Klippe Ponti- konisi, die Mausinsel, spiegelt den düsteren Schmuck ihres Cypressen- saumes, der ein kleines Klösterlein beschattet und der Welt verbirgt, in der Meeresflut. Das Eiland, dessen Bild wir bringen, gilt wegen der Aehnlichkeit seines Profils mit der Form eines segelnden Schiffes als das vom zürnenden Poseidon versteinerte Schiff der Phäaken, dessen Schicksal uns Homer vermeldet. Dieser Mythe entstammt auch die Bezeichnung Ulysses-Insel.
Odysseus erreichte, nachdem der Erderschütterer Poseidon sein Floss im Sturme zertrümmerte, schwimmend die Gestade der Phäaken-Insel Scheria, wo er alsbald die herrliche Nausikaa beim Ballspiel überrascht und ihre Freundschaft
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0084"n="64"/><fwplace="top"type="header">Das Mittelmeerbecken.</fw><lb/><p>So führt die Gallerie der Monumente auf der Spianata der dort<lb/>
lustwandelnden Menge den letzten Act aus der Geschichte Corfùs vor.</p><lb/><p>Von der Spianata aus führt eine breite Fahrstrasse, die früher<lb/>
erwähnte Via Marina, abwärts zur malerischen Bucht von Kastrades,<lb/>
auch Garitza genannt, einem langgestreckten Vororte der Stadt. An<lb/>
dieser Stelle dürfte das alte Korkyra, die Stadt des Alkinoos, ge-<lb/>
standen sein, und die nahe, mit fruchtbarem Boden bedeckte Halbinsel,<lb/>
auf der die königliche Villa Monrepos (Villa Reale) in dunklem Grün<lb/>
erscheint, trug vielleicht einst die Akropolis der Stadt.</p><lb/><p>Es ist eine viel besuchte Promenade, die von Kastrades längs<lb/>
des mit Villen und Gärten geschmückten Abhanges südwärts gegen<lb/>
das Rondell al Canone hinführt.</p><lb/><p>Den schönsten Platz nimmt in diesem Paradiese unstreitig die<lb/>
von ausgedehnten Gartenanlagen umgebene Villa Reale ein, von der<lb/>
uns ein herrliches Panorama über die malerische Küstenscenerie und<lb/>
den Canal von Corfù zu schauen ist. Dort hatte Elisabeth, Kaiserin<lb/>
von Oesterreich und Königin von Ungarn, einst Genesung gefunden<lb/>
und besucht seither wiederholt die gottgesegnete Stätte, wo ihr zart-<lb/>
besaitetes Wesen, vom poetischem Hauche der Mythe umweht, stets<lb/>
Befriedigung und Stärkung fand; jetzt ist für die hohe Frau an<lb/>
einem der schönsten Punkte der Insel ein eigenes Heim erbaut.</p><lb/><p>Seitlich der Strasse zum Rondell schimmert die blendende Fläche<lb/>
der traumhaftstillen Kalikiopulo-Lagune durch das Laubwerk uns ent-<lb/>
gegen. Es ist eine tiefeingeschnittene Bucht, wahrscheinlich der Kriegs-<lb/>
hafen des alten Korkyra, das bis hieher sich erstreckt haben dürfte.<lb/>
Der Name Paläopolis oder Altstadt, den die Gegend bis heute führt,<lb/>
scheint darauf hinzuweisen.</p><lb/><p>Die Einfahrt in die Lagune verlegen zwei Eilande, von welchen<lb/>
das nördliche ein Miniaturkloster trägt und durch einen Steindamm<lb/>
mit dem Strande verbunden ist. Die südlichere höhere Klippe Ponti-<lb/>
konisi, die Mausinsel, spiegelt den düsteren Schmuck ihres Cypressen-<lb/>
saumes, der ein kleines Klösterlein beschattet und der Welt verbirgt,<lb/>
in der Meeresflut. Das Eiland, dessen Bild wir bringen, gilt wegen<lb/>
der Aehnlichkeit seines Profils mit der Form eines segelnden Schiffes<lb/>
als das vom zürnenden Poseidon versteinerte Schiff der Phäaken, dessen<lb/>
Schicksal uns Homer vermeldet. Dieser Mythe entstammt auch die<lb/>
Bezeichnung Ulysses-Insel.</p><p><lb/>
Odysseus erreichte, nachdem der Erderschütterer Poseidon sein Floss im<lb/>
Sturme zertrümmerte, schwimmend die Gestade der Phäaken-Insel Scheria, wo er<lb/>
alsbald die herrliche Nausikaa beim Ballspiel überrascht und ihre Freundschaft<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[64/0084]
Das Mittelmeerbecken.
So führt die Gallerie der Monumente auf der Spianata der dort
lustwandelnden Menge den letzten Act aus der Geschichte Corfùs vor.
Von der Spianata aus führt eine breite Fahrstrasse, die früher
erwähnte Via Marina, abwärts zur malerischen Bucht von Kastrades,
auch Garitza genannt, einem langgestreckten Vororte der Stadt. An
dieser Stelle dürfte das alte Korkyra, die Stadt des Alkinoos, ge-
standen sein, und die nahe, mit fruchtbarem Boden bedeckte Halbinsel,
auf der die königliche Villa Monrepos (Villa Reale) in dunklem Grün
erscheint, trug vielleicht einst die Akropolis der Stadt.
Es ist eine viel besuchte Promenade, die von Kastrades längs
des mit Villen und Gärten geschmückten Abhanges südwärts gegen
das Rondell al Canone hinführt.
Den schönsten Platz nimmt in diesem Paradiese unstreitig die
von ausgedehnten Gartenanlagen umgebene Villa Reale ein, von der
uns ein herrliches Panorama über die malerische Küstenscenerie und
den Canal von Corfù zu schauen ist. Dort hatte Elisabeth, Kaiserin
von Oesterreich und Königin von Ungarn, einst Genesung gefunden
und besucht seither wiederholt die gottgesegnete Stätte, wo ihr zart-
besaitetes Wesen, vom poetischem Hauche der Mythe umweht, stets
Befriedigung und Stärkung fand; jetzt ist für die hohe Frau an
einem der schönsten Punkte der Insel ein eigenes Heim erbaut.
Seitlich der Strasse zum Rondell schimmert die blendende Fläche
der traumhaftstillen Kalikiopulo-Lagune durch das Laubwerk uns ent-
gegen. Es ist eine tiefeingeschnittene Bucht, wahrscheinlich der Kriegs-
hafen des alten Korkyra, das bis hieher sich erstreckt haben dürfte.
Der Name Paläopolis oder Altstadt, den die Gegend bis heute führt,
scheint darauf hinzuweisen.
Die Einfahrt in die Lagune verlegen zwei Eilande, von welchen
das nördliche ein Miniaturkloster trägt und durch einen Steindamm
mit dem Strande verbunden ist. Die südlichere höhere Klippe Ponti-
konisi, die Mausinsel, spiegelt den düsteren Schmuck ihres Cypressen-
saumes, der ein kleines Klösterlein beschattet und der Welt verbirgt,
in der Meeresflut. Das Eiland, dessen Bild wir bringen, gilt wegen
der Aehnlichkeit seines Profils mit der Form eines segelnden Schiffes
als das vom zürnenden Poseidon versteinerte Schiff der Phäaken, dessen
Schicksal uns Homer vermeldet. Dieser Mythe entstammt auch die
Bezeichnung Ulysses-Insel.
Odysseus erreichte, nachdem der Erderschütterer Poseidon sein Floss im
Sturme zertrümmerte, schwimmend die Gestade der Phäaken-Insel Scheria, wo er
alsbald die herrliche Nausikaa beim Ballspiel überrascht und ihre Freundschaft
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/84>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.