Der Paradeplatz und die schöne Lindenstrasse sind vielbesuchte Pro- menaden.
Stettin, welches im Jahre 1858 nur 58.000 Einwohner hatte, gegenwärtig aber bereits gegen 100.000 zählt, ist die Hauptstadt der preussischen Provinz Pommern.
Aber nicht als Regierungsstadt, sondern als Industriestadt hat sich Stettin in den letzten Jahren so rasch entwickelt. Vor Allem haben der Schiff- und Maschinenbau und die Hilfsindustrien des- selben einen ungeheuren Aufschwung genommen. Anfang 1889 lagen auf Stettiner Werften 18 Dampfer für Hamburger Rechnung im Bau, darunter die grossen Dampfer "Augusta Victoria", "Dania" und "Skandinavia" für die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Ge- sellschaft auf der Weltruf geniessenden Werfte "Vulcan" zu Bredow, welche seither auch für den Bremer Lloyd den Schnelldampfer "Spree" geliefert hat. Die "Vulcanwerfte" gehört zu den grossartigst einge- richteten Europas; seit sie besteht, kann sich Deutschlands Mercan- tilflotte allmälig von dem Zwange, grosse Dampfer in England bauen zu lassen, befreien.
Das Hafenleben ist nächst dem Landungsplatze der grossen Seeschiffe am regsten entwickelt.
Die Seeverbindung von Stettin vollzieht sich auf der Wasser- strasse nach Swinemünde, welche durch das Stettiner Haff und dessen bedeutendsten Abfluss, die Swine, führt, aber nur für Schiffe bis zu 5 m Tauchung praktikabel ist.
Grössere Schiffe müssen in Swinemünde löschen, ableichten oder die Ladung completiren. Aus diesem Grunde blühte dieses erst seit 1740 bestehende Städtchen als Vorhafen von Stettin rasch auf und zählt gegenwärtig 9000 Einwohner.
Die Mündung ist durch zwei mächtige über ein Kilometer weit in See geführte Molen aus Quadersteinen vor Versandung geschützt und gegen feindliche Angriffe wohl vertheidigt. Innerhalb der Molen sind geräumige Anlegeplätze geschaffen worden. Am östlichen Ufer erhebt sich der gewaltige, 70 m hohe Leuchtthurm, von dessen Höhe eine lohnende Aussicht über die ganze herrliche Umgebung zu ge- niessen ist.
Swinemünde, noch mehr aber das reizend am waldigen Strande der Insel Usedom liegende Heringsdorf sind geschätzte Badeorte, letzteres zählt sogar zu den elegantesten der Ostseebäder und wird jährlich von etwa 6000 Badegästen besucht.
Auch die Strandorte der Insel Wollin besitzen gut besuchte
Stettin.
Der Paradeplatz und die schöne Lindenstrasse sind vielbesuchte Pro- menaden.
Stettin, welches im Jahre 1858 nur 58.000 Einwohner hatte, gegenwärtig aber bereits gegen 100.000 zählt, ist die Hauptstadt der preussischen Provinz Pommern.
Aber nicht als Regierungsstadt, sondern als Industriestadt hat sich Stettin in den letzten Jahren so rasch entwickelt. Vor Allem haben der Schiff- und Maschinenbau und die Hilfsindustrien des- selben einen ungeheuren Aufschwung genommen. Anfang 1889 lagen auf Stettiner Werften 18 Dampfer für Hamburger Rechnung im Bau, darunter die grossen Dampfer „Augusta Victoria“, „Dania“ und „Skandinavia“ für die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Ge- sellschaft auf der Weltruf geniessenden Werfte „Vulcan“ zu Bredow, welche seither auch für den Bremer Lloyd den Schnelldampfer „Spree“ geliefert hat. Die „Vulcanwerfte“ gehört zu den grossartigst einge- richteten Europas; seit sie besteht, kann sich Deutschlands Mercan- tilflotte allmälig von dem Zwange, grosse Dampfer in England bauen zu lassen, befreien.
Das Hafenleben ist nächst dem Landungsplatze der grossen Seeschiffe am regsten entwickelt.
Die Seeverbindung von Stettin vollzieht sich auf der Wasser- strasse nach Swinemünde, welche durch das Stettiner Haff und dessen bedeutendsten Abfluss, die Swine, führt, aber nur für Schiffe bis zu 5 m Tauchung praktikabel ist.
Grössere Schiffe müssen in Swinemünde löschen, ableichten oder die Ladung completiren. Aus diesem Grunde blühte dieses erst seit 1740 bestehende Städtchen als Vorhafen von Stettin rasch auf und zählt gegenwärtig 9000 Einwohner.
Die Mündung ist durch zwei mächtige über ein Kilometer weit in See geführte Molen aus Quadersteinen vor Versandung geschützt und gegen feindliche Angriffe wohl vertheidigt. Innerhalb der Molen sind geräumige Anlegeplätze geschaffen worden. Am östlichen Ufer erhebt sich der gewaltige, 70 m hohe Leuchtthurm, von dessen Höhe eine lohnende Aussicht über die ganze herrliche Umgebung zu ge- niessen ist.
Swinemünde, noch mehr aber das reizend am waldigen Strande der Insel Usedom liegende Heringsdorf sind geschätzte Badeorte, letzteres zählt sogar zu den elegantesten der Ostseebäder und wird jährlich von etwa 6000 Badegästen besucht.
Auch die Strandorte der Insel Wollin besitzen gut besuchte
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Stettin.
Der Paradeplatz und die schöne Lindenstrasse sind vielbesuchte Pro-
menaden.
Stettin, welches im Jahre 1858 nur 58.000 Einwohner hatte,
gegenwärtig aber bereits gegen 100.000 zählt, ist die Hauptstadt
der preussischen Provinz Pommern.
Aber nicht als Regierungsstadt, sondern als Industriestadt hat
sich Stettin in den letzten Jahren so rasch entwickelt. Vor Allem
haben der Schiff- und Maschinenbau und die Hilfsindustrien des-
selben einen ungeheuren Aufschwung genommen. Anfang 1889 lagen
auf Stettiner Werften 18 Dampfer für Hamburger Rechnung im Bau,
darunter die grossen Dampfer „Augusta Victoria“, „Dania“ und
„Skandinavia“ für die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Ge-
sellschaft auf der Weltruf geniessenden Werfte „Vulcan“ zu Bredow,
welche seither auch für den Bremer Lloyd den Schnelldampfer „Spree“
geliefert hat. Die „Vulcanwerfte“ gehört zu den grossartigst einge-
richteten Europas; seit sie besteht, kann sich Deutschlands Mercan-
tilflotte allmälig von dem Zwange, grosse Dampfer in England bauen
zu lassen, befreien.
Das Hafenleben ist nächst dem Landungsplatze der grossen
Seeschiffe am regsten entwickelt.
Die Seeverbindung von Stettin vollzieht sich auf der Wasser-
strasse nach Swinemünde, welche durch das Stettiner Haff und dessen
bedeutendsten Abfluss, die Swine, führt, aber nur für Schiffe bis zu
5 m Tauchung praktikabel ist.
Grössere Schiffe müssen in Swinemünde löschen, ableichten oder
die Ladung completiren. Aus diesem Grunde blühte dieses erst seit
1740 bestehende Städtchen als Vorhafen von Stettin rasch auf und
zählt gegenwärtig 9000 Einwohner.
Die Mündung ist durch zwei mächtige über ein Kilometer weit
in See geführte Molen aus Quadersteinen vor Versandung geschützt
und gegen feindliche Angriffe wohl vertheidigt. Innerhalb der Molen
sind geräumige Anlegeplätze geschaffen worden. Am östlichen Ufer
erhebt sich der gewaltige, 70 m hohe Leuchtthurm, von dessen Höhe
eine lohnende Aussicht über die ganze herrliche Umgebung zu ge-
niessen ist.
Swinemünde, noch mehr aber das reizend am waldigen
Strande der Insel Usedom liegende Heringsdorf sind geschätzte
Badeorte, letzteres zählt sogar zu den elegantesten der Ostseebäder
und wird jährlich von etwa 6000 Badegästen besucht.
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 815. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/835>, abgerufen am 23.11.2024.
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