Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Lübeck.
Zwischen Stadt und Insel und jenseits derselben, sowie nördlich von der
Stadt liegt, wie unser Plan zeigt, der Hafen von Lübeck, in welchem
Dampfer und Segelschiffe besondere Liegeplätze angewiesen haben. Ein
reges Verkehrsleben entfaltet sich auf beiden Uferseiten; Schienenstränge
umklammern die Stadt, und der schrille Pfiff der Locomotive verkündet
laut, dass eine neue Zeit angebrochen ist mit verlockenderen Hoffnun-
gen, als das finstere Mittelalter sie jemals zu erwecken vermochte.

[Abbildung]

Lübeck.

Viel später als der Westen und Süden Deutschlands, die vielfach auf den
Resten der Römerzeit aufbauten, trat dessen Norden in den Kreis der Cultur
des Mittelalters. Als im Anfange des XII. Jahrhunderts 17 flandrische Städte die
"Vlämische Hansa" gründeten, welche als "einzige Compagnie" Grosshandel nach
England trieb, war Lübeck, das spätere Haupt der "Gemeinen deutschen Hansa"
erst eine enge, winkelige, hölzerne Stadt.

Dreimal wurde Lübeck vergeblich gegründet.

Die älteste Schöpfung, die des hochsinnigen Adalbert, Erzbischofs von
Bremen und Erziehers Kaiser Heinrich IV., an der Trave und das spätere Lübeck
an der Schwartau (1106--1139) wurden von den Feinden zerstört; die Stadt, welche
der Graf von Schauenburg 1143 auf dem Werder Buku, dem Standorte der ersten
Niederlassung errichtete, erlag schon 1157 einer vernichtenden Feuersbrunst. Voll
Verzweiflung wendeten sich ihre Bürger an Heinrich den Löwen, den genialen
Städtegründer, mit der Bitte, ihnen auf seinem unmittelbaren Gebiete den Platz
zu einer neuen Ansiedlung anzuweisen. Er liess ihnen die "Löwenstadt" an der

Die Seehäfen des Weltverkehrs I. Band. 101

Lübeck.
Zwischen Stadt und Insel und jenseits derselben, sowie nördlich von der
Stadt liegt, wie unser Plan zeigt, der Hafen von Lübeck, in welchem
Dampfer und Segelschiffe besondere Liegeplätze angewiesen haben. Ein
reges Verkehrsleben entfaltet sich auf beiden Uferseiten; Schienenstränge
umklammern die Stadt, und der schrille Pfiff der Locomotive verkündet
laut, dass eine neue Zeit angebrochen ist mit verlockenderen Hoffnun-
gen, als das finstere Mittelalter sie jemals zu erwecken vermochte.

[Abbildung]

Lübeck.

Viel später als der Westen und Süden Deutschlands, die vielfach auf den
Resten der Römerzeit aufbauten, trat dessen Norden in den Kreis der Cultur
des Mittelalters. Als im Anfange des XII. Jahrhunderts 17 flandrische Städte die
„Vlämische Hansa“ gründeten, welche als „einzige Compagnie“ Grosshandel nach
England trieb, war Lübeck, das spätere Haupt der „Gemeinen deutschen Hansa“
erst eine enge, winkelige, hölzerne Stadt.

Dreimal wurde Lübeck vergeblich gegründet.

Die älteste Schöpfung, die des hochsinnigen Adalbert, Erzbischofs von
Bremen und Erziehers Kaiser Heinrich IV., an der Trave und das spätere Lübeck
an der Schwartau (1106—1139) wurden von den Feinden zerstört; die Stadt, welche
der Graf von Schauenburg 1143 auf dem Werder Buku, dem Standorte der ersten
Niederlassung errichtete, erlag schon 1157 einer vernichtenden Feuersbrunst. Voll
Verzweiflung wendeten sich ihre Bürger an Heinrich den Löwen, den genialen
Städtegründer, mit der Bitte, ihnen auf seinem unmittelbaren Gebiete den Platz
zu einer neuen Ansiedlung anzuweisen. Er liess ihnen die „Löwenstadt“ an der

Die Seehäfen des Weltverkehrs I. Band. 101
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0821" n="801"/><fw place="top" type="header">Lübeck.</fw><lb/>
Zwischen Stadt und Insel und jenseits derselben, sowie nördlich von der<lb/>
Stadt liegt, wie unser Plan zeigt, der Hafen von Lübeck, in welchem<lb/>
Dampfer und Segelschiffe besondere Liegeplätze angewiesen haben. Ein<lb/>
reges Verkehrsleben entfaltet sich auf beiden Uferseiten; Schienenstränge<lb/>
umklammern die Stadt, und der schrille Pfiff der Locomotive verkündet<lb/>
laut, dass eine neue Zeit angebrochen ist mit verlockenderen Hoffnun-<lb/>
gen, als das finstere Mittelalter sie jemals zu erwecken vermochte.</p><lb/>
          <figure>
            <p> <hi rendition="#b">Lübeck.</hi> </p>
          </figure><lb/>
          <p>Viel später als der Westen und Süden Deutschlands, die vielfach auf den<lb/>
Resten der Römerzeit aufbauten, trat dessen Norden in den Kreis der Cultur<lb/>
des Mittelalters. Als im Anfange des XII. Jahrhunderts 17 flandrische Städte die<lb/>
&#x201E;Vlämische Hansa&#x201C; gründeten, welche als &#x201E;einzige Compagnie&#x201C; Grosshandel nach<lb/>
England trieb, war Lübeck, das spätere Haupt der &#x201E;Gemeinen deutschen Hansa&#x201C;<lb/>
erst eine enge, winkelige, hölzerne Stadt.</p><lb/>
          <p>Dreimal wurde Lübeck vergeblich gegründet.</p><lb/>
          <p>Die älteste Schöpfung, die des hochsinnigen Adalbert, Erzbischofs von<lb/>
Bremen und Erziehers Kaiser Heinrich IV., an der Trave und das spätere Lübeck<lb/>
an der Schwartau (1106&#x2014;1139) wurden von den Feinden zerstört; die Stadt, welche<lb/>
der Graf von Schauenburg 1143 auf dem Werder Buku, dem Standorte der ersten<lb/>
Niederlassung errichtete, erlag schon 1157 einer vernichtenden Feuersbrunst. Voll<lb/>
Verzweiflung wendeten sich ihre Bürger an Heinrich den Löwen, den genialen<lb/>
Städtegründer, mit der Bitte, ihnen auf seinem unmittelbaren Gebiete den Platz<lb/>
zu einer neuen Ansiedlung anzuweisen. Er liess ihnen die &#x201E;Löwenstadt&#x201C; an der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Die Seehäfen des Weltverkehrs I. Band. 101</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[801/0821] Lübeck. Zwischen Stadt und Insel und jenseits derselben, sowie nördlich von der Stadt liegt, wie unser Plan zeigt, der Hafen von Lübeck, in welchem Dampfer und Segelschiffe besondere Liegeplätze angewiesen haben. Ein reges Verkehrsleben entfaltet sich auf beiden Uferseiten; Schienenstränge umklammern die Stadt, und der schrille Pfiff der Locomotive verkündet laut, dass eine neue Zeit angebrochen ist mit verlockenderen Hoffnun- gen, als das finstere Mittelalter sie jemals zu erwecken vermochte. [Abbildung Lübeck. ] Viel später als der Westen und Süden Deutschlands, die vielfach auf den Resten der Römerzeit aufbauten, trat dessen Norden in den Kreis der Cultur des Mittelalters. Als im Anfange des XII. Jahrhunderts 17 flandrische Städte die „Vlämische Hansa“ gründeten, welche als „einzige Compagnie“ Grosshandel nach England trieb, war Lübeck, das spätere Haupt der „Gemeinen deutschen Hansa“ erst eine enge, winkelige, hölzerne Stadt. Dreimal wurde Lübeck vergeblich gegründet. Die älteste Schöpfung, die des hochsinnigen Adalbert, Erzbischofs von Bremen und Erziehers Kaiser Heinrich IV., an der Trave und das spätere Lübeck an der Schwartau (1106—1139) wurden von den Feinden zerstört; die Stadt, welche der Graf von Schauenburg 1143 auf dem Werder Buku, dem Standorte der ersten Niederlassung errichtete, erlag schon 1157 einer vernichtenden Feuersbrunst. Voll Verzweiflung wendeten sich ihre Bürger an Heinrich den Löwen, den genialen Städtegründer, mit der Bitte, ihnen auf seinem unmittelbaren Gebiete den Platz zu einer neuen Ansiedlung anzuweisen. Er liess ihnen die „Löwenstadt“ an der Die Seehäfen des Weltverkehrs I. Band. 101

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/821
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 801. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/821>, abgerufen am 16.07.2024.