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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Der atlantische Ocean.
von Havre durch hohe Hafen- und Schiffahrtsgebühren, durch hohe
Maklergebühren theurer zu stehen, als die der Concurrenzplätze Dün-
kirchen, Antwerpen und Hamburg.

Die französische Westbahn, in deren Gebiet Havre liegt, hat
hohe Frachtentarife, und eine Reihe für Havre wichtiger Einfuhrartikel
sucht die für sie günstigeren Verbindungen über Dünkirchen und
Antwerpen auf. Ueberdies sind auch die Eisenbahnverbindungen
Havres ungenügend, denn der Stadt stehen nur zwei Verbindungen
mit Paris und eine nach Amiens zur Verfügung.

Es fehlt sogar noch eine kurze Verbindung mit Dieppe, und das
südliche Ufer der Seine ist mit der Eisenbahn erst oberhalb Rouen
zu erreichen.

Etwas mehr ist in den letzten Jahren auf dem Gebiete der
Wasserstrassen geschehen, da der Canal von Tancarville, welcher
Havre nach Osten hin mit der Seine verbindet, entsprechend vertieft
wurde. Sollte der Plan, die Tiefenverhältnisse der Seine, welche jetzt
schon bis Rouen mit kleinen Seeschiffen befahren wird, für den grossen
Seeverkehr fahrbar zu machen, zur Ausführung kommen, so hätte der
Handel von Havre unter der Concurrenz von Rouen schwer zu leiden,
noch mehr aber, wenn die Franzosen wirklich daran gingen, den
Seecanal bis Paris zu verlängern, wodurch diese Stadt zum Theile
auf Kosten von Havre zu einem Marktplatze ohne Gleichen ge-
macht würde.

Am meisten hat aber Havre dadurch gelitten, dass viele deutsche
Chefs, welche halbnaturalisirt und vielfach mit Französinnen ver-
heiratet, nach dem Jahre 1871, um dem wüthenden Deutschenhasse
der Franzosen zu entgehen, ihre Comptoirs nach Antwerpen verlegten
und so ein gutes Stück französischen Handels nach Belgien ver-
pflanzten.

Aber trotz allem dem ist Havre der zweite Hafen Frankreichs.

Es ist im wesentlichen Einfuhrplatz, beziehungsweise Markt für
überseeische Producte und Ausfuhrhafen für die reich entwickelte
Industrie des Nordens und der Hauptstadt, wie auch für Nahrungs-
mittel, welche in diesem Theile Frankreichs in solchen Mengen er-
zeugt werden, dass trotz der grossen Nähe von Paris noch eine starke
Ausfuhr nach England stattfinden kann.

Im Export ist Havre im Wesentlichen nur Speditionsplatz, so dass
die Hauptelemente des hiesigen Platzes Importhandel und Schiffahrt
sind und mit letzterem im Zusammenhang die Beförderung von Rei-
senden nach England, von Auswanderern und Passagieren I. Classe,

Der atlantische Ocean.
von Hâvre durch hohe Hafen- und Schiffahrtsgebühren, durch hohe
Maklergebühren theurer zu stehen, als die der Concurrenzplätze Dün-
kirchen, Antwerpen und Hamburg.

Die französische Westbahn, in deren Gebiet Hâvre liegt, hat
hohe Frachtentarife, und eine Reihe für Hâvre wichtiger Einfuhrartikel
sucht die für sie günstigeren Verbindungen über Dünkirchen und
Antwerpen auf. Ueberdies sind auch die Eisenbahnverbindungen
Hâvres ungenügend, denn der Stadt stehen nur zwei Verbindungen
mit Paris und eine nach Amiens zur Verfügung.

Es fehlt sogar noch eine kurze Verbindung mit Dieppe, und das
südliche Ufer der Seine ist mit der Eisenbahn erst oberhalb Rouen
zu erreichen.

Etwas mehr ist in den letzten Jahren auf dem Gebiete der
Wasserstrassen geschehen, da der Canal von Tancarville, welcher
Hâvre nach Osten hin mit der Seine verbindet, entsprechend vertieft
wurde. Sollte der Plan, die Tiefenverhältnisse der Seine, welche jetzt
schon bis Rouen mit kleinen Seeschiffen befahren wird, für den grossen
Seeverkehr fahrbar zu machen, zur Ausführung kommen, so hätte der
Handel von Hâvre unter der Concurrenz von Rouen schwer zu leiden,
noch mehr aber, wenn die Franzosen wirklich daran gingen, den
Seecanal bis Paris zu verlängern, wodurch diese Stadt zum Theile
auf Kosten von Hâvre zu einem Marktplatze ohne Gleichen ge-
macht würde.

Am meisten hat aber Hâvre dadurch gelitten, dass viele deutsche
Chefs, welche halbnaturalisirt und vielfach mit Französinnen ver-
heiratet, nach dem Jahre 1871, um dem wüthenden Deutschenhasse
der Franzosen zu entgehen, ihre Comptoirs nach Antwerpen verlegten
und so ein gutes Stück französischen Handels nach Belgien ver-
pflanzten.

Aber trotz allem dem ist Hâvre der zweite Hafen Frankreichs.

Es ist im wesentlichen Einfuhrplatz, beziehungsweise Markt für
überseeische Producte und Ausfuhrhafen für die reich entwickelte
Industrie des Nordens und der Hauptstadt, wie auch für Nahrungs-
mittel, welche in diesem Theile Frankreichs in solchen Mengen er-
zeugt werden, dass trotz der grossen Nähe von Paris noch eine starke
Ausfuhr nach England stattfinden kann.

Im Export ist Hâvre im Wesentlichen nur Speditionsplatz, so dass
die Hauptelemente des hiesigen Platzes Importhandel und Schiffahrt
sind und mit letzterem im Zusammenhang die Beförderung von Rei-
senden nach England, von Auswanderern und Passagieren I. Classe,

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[610/0630] Der atlantische Ocean. von Hâvre durch hohe Hafen- und Schiffahrtsgebühren, durch hohe Maklergebühren theurer zu stehen, als die der Concurrenzplätze Dün- kirchen, Antwerpen und Hamburg. Die französische Westbahn, in deren Gebiet Hâvre liegt, hat hohe Frachtentarife, und eine Reihe für Hâvre wichtiger Einfuhrartikel sucht die für sie günstigeren Verbindungen über Dünkirchen und Antwerpen auf. Ueberdies sind auch die Eisenbahnverbindungen Hâvres ungenügend, denn der Stadt stehen nur zwei Verbindungen mit Paris und eine nach Amiens zur Verfügung. Es fehlt sogar noch eine kurze Verbindung mit Dieppe, und das südliche Ufer der Seine ist mit der Eisenbahn erst oberhalb Rouen zu erreichen. Etwas mehr ist in den letzten Jahren auf dem Gebiete der Wasserstrassen geschehen, da der Canal von Tancarville, welcher Hâvre nach Osten hin mit der Seine verbindet, entsprechend vertieft wurde. Sollte der Plan, die Tiefenverhältnisse der Seine, welche jetzt schon bis Rouen mit kleinen Seeschiffen befahren wird, für den grossen Seeverkehr fahrbar zu machen, zur Ausführung kommen, so hätte der Handel von Hâvre unter der Concurrenz von Rouen schwer zu leiden, noch mehr aber, wenn die Franzosen wirklich daran gingen, den Seecanal bis Paris zu verlängern, wodurch diese Stadt zum Theile auf Kosten von Hâvre zu einem Marktplatze ohne Gleichen ge- macht würde. Am meisten hat aber Hâvre dadurch gelitten, dass viele deutsche Chefs, welche halbnaturalisirt und vielfach mit Französinnen ver- heiratet, nach dem Jahre 1871, um dem wüthenden Deutschenhasse der Franzosen zu entgehen, ihre Comptoirs nach Antwerpen verlegten und so ein gutes Stück französischen Handels nach Belgien ver- pflanzten. Aber trotz allem dem ist Hâvre der zweite Hafen Frankreichs. Es ist im wesentlichen Einfuhrplatz, beziehungsweise Markt für überseeische Producte und Ausfuhrhafen für die reich entwickelte Industrie des Nordens und der Hauptstadt, wie auch für Nahrungs- mittel, welche in diesem Theile Frankreichs in solchen Mengen er- zeugt werden, dass trotz der grossen Nähe von Paris noch eine starke Ausfuhr nach England stattfinden kann. Im Export ist Hâvre im Wesentlichen nur Speditionsplatz, so dass die Hauptelemente des hiesigen Platzes Importhandel und Schiffahrt sind und mit letzterem im Zusammenhang die Beförderung von Rei- senden nach England, von Auswanderern und Passagieren I. Classe,

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/630>, abgerufen am 22.11.2024.