Höchst effectvoll ist das Bild der Stadt von einer der vier Brücken, welche hier den Nervion übersetzen. Steile Abhänge, mit reichem Pflanzenwuchs bedeckt, blühende Promenadengärten bilden die anziehende Umgebung der Stadt, deren einfach, aber fest gebaute Häuser hinabblicken auf den in scharfen Windungen dem Meere zu- eilenden Fluss. Dampfer qualmen und Schiffe lüften die Segel, wäh- rend Eisenbahnzüge das schwere Erz herbeibringen, damit es durch die mächtigen Krahne, welche hier in grosser Zahl vorhanden sind, rasch eingeladen werde.
So ist denn Bilbao, dem einst die Rolle einer stillen Fluss- sperre zugefallen war, zu frischem Leben erwacht und betrat mit seinem materiellen Aufschwung die Bahn einer unabsehbaren Ent- wicklung.
Die unerschöpflichen Erzlager in der Nähe des linken Flussufers waren die Wünschelruthe, welche die Stadt aus langem Schlummer erweckte und welche der Stadt eine glänzende Zukunft sichert. Bilbao, welches 1870 erst 20.000 Einwohner hatte und gegenwärtig bereits 53.000 zählt, nimmt an Ausdehnung rasch zu; neue Stadttheile mit hübschen breiten Strassen sind vornehmlich am linken Nervionufer entstanden, eine katholische Universität erhebt sich am rechten Strande und schattige Promenaden begleiten den Flusslauf. Was aber der Stadt und ihrer Umgebung so recht den Charakter eines modernen Handelsgebietes aufprägt, das ist der Reichthum an Eisenbahnen. Ausser den nach Durango und in das Ebrothal führenden Schienen- strängen, ist Bilbao durch beiderseits des Flusses laufende Linien mit dem Seehafen verbunden und fünf Bergwerksbahnen, welche die ausgedehnten Minendistricte durchziehen, münden an den Quais im Unterlaufe des Nervions.
Dort haben sich knapp am linken Ufer grosse Hüttenwerke, Fabriken und Ladestationen installirt, in welchen ein Theil des Erzes verarbeitet, der Ueberschuss aber exportirt wird: zunächst an Bilbao die Giesserei "El Nervion", dann weiter gegen El Desierto die Lade- quais und Magazine der Minen von Orconera und Luchana, dann jene der Compania Franco-Belga, woran die grossartigen Etablissements der Eisen- und Stahlfabrik der Gesellschaft Altos Hornos grenzen. Zu Füssen der Höhe von El Desierto rauchen die Hohöfen von S. Francisco, und Schienenstränge laufen zu weiten Quais; weiter gegen See hat sich die Giesserei D. Fernando Alonso und nächst derselben auf der Fläche der Playa de Lestao die Eisengewerkschaft der "Sociedad-Vizcaya", welche auch ein weitläufiges Bassin für eine
Der atlantische Ocean.
Höchst effectvoll ist das Bild der Stadt von einer der vier Brücken, welche hier den Nervion übersetzen. Steile Abhänge, mit reichem Pflanzenwuchs bedeckt, blühende Promenadengärten bilden die anziehende Umgebung der Stadt, deren einfach, aber fest gebaute Häuser hinabblicken auf den in scharfen Windungen dem Meere zu- eilenden Fluss. Dampfer qualmen und Schiffe lüften die Segel, wäh- rend Eisenbahnzüge das schwere Erz herbeibringen, damit es durch die mächtigen Krahne, welche hier in grosser Zahl vorhanden sind, rasch eingeladen werde.
So ist denn Bilbao, dem einst die Rolle einer stillen Fluss- sperre zugefallen war, zu frischem Leben erwacht und betrat mit seinem materiellen Aufschwung die Bahn einer unabsehbaren Ent- wicklung.
Die unerschöpflichen Erzlager in der Nähe des linken Flussufers waren die Wünschelruthe, welche die Stadt aus langem Schlummer erweckte und welche der Stadt eine glänzende Zukunft sichert. Bilbao, welches 1870 erst 20.000 Einwohner hatte und gegenwärtig bereits 53.000 zählt, nimmt an Ausdehnung rasch zu; neue Stadttheile mit hübschen breiten Strassen sind vornehmlich am linken Nervionufer entstanden, eine katholische Universität erhebt sich am rechten Strande und schattige Promenaden begleiten den Flusslauf. Was aber der Stadt und ihrer Umgebung so recht den Charakter eines modernen Handelsgebietes aufprägt, das ist der Reichthum an Eisenbahnen. Ausser den nach Durango und in das Ebrothal führenden Schienen- strängen, ist Bilbao durch beiderseits des Flusses laufende Linien mit dem Seehafen verbunden und fünf Bergwerksbahnen, welche die ausgedehnten Minendistricte durchziehen, münden an den Quais im Unterlaufe des Nervions.
Dort haben sich knapp am linken Ufer grosse Hüttenwerke, Fabriken und Ladestationen installirt, in welchen ein Theil des Erzes verarbeitet, der Ueberschuss aber exportirt wird: zunächst an Bilbao die Giesserei „El Nervion“, dann weiter gegen El Desierto die Lade- quais und Magazine der Minen von Orconera und Luchana, dann jene der Compania Franco-Belga, woran die grossartigen Etablissements der Eisen- und Stahlfabrik der Gesellschaft Altos Hornos grenzen. Zu Füssen der Höhe von El Desierto rauchen die Hohöfen von S. Francisco, und Schienenstränge laufen zu weiten Quais; weiter gegen See hat sich die Giesserei D. Fernando Alonso und nächst derselben auf der Fläche der Playa de Lestao die Eisengewerkschaft der „Sociedad-Vizcaya“, welche auch ein weitläufiges Bassin für eine
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Der atlantische Ocean.
Höchst effectvoll ist das Bild der Stadt von einer der vier
Brücken, welche hier den Nervion übersetzen. Steile Abhänge, mit
reichem Pflanzenwuchs bedeckt, blühende Promenadengärten bilden
die anziehende Umgebung der Stadt, deren einfach, aber fest gebaute
Häuser hinabblicken auf den in scharfen Windungen dem Meere zu-
eilenden Fluss. Dampfer qualmen und Schiffe lüften die Segel, wäh-
rend Eisenbahnzüge das schwere Erz herbeibringen, damit es durch
die mächtigen Krahne, welche hier in grosser Zahl vorhanden sind,
rasch eingeladen werde.
So ist denn Bilbao, dem einst die Rolle einer stillen Fluss-
sperre zugefallen war, zu frischem Leben erwacht und betrat mit
seinem materiellen Aufschwung die Bahn einer unabsehbaren Ent-
wicklung.
Die unerschöpflichen Erzlager in der Nähe des linken Flussufers
waren die Wünschelruthe, welche die Stadt aus langem Schlummer
erweckte und welche der Stadt eine glänzende Zukunft sichert. Bilbao,
welches 1870 erst 20.000 Einwohner hatte und gegenwärtig bereits
53.000 zählt, nimmt an Ausdehnung rasch zu; neue Stadttheile mit
hübschen breiten Strassen sind vornehmlich am linken Nervionufer
entstanden, eine katholische Universität erhebt sich am rechten Strande
und schattige Promenaden begleiten den Flusslauf. Was aber der
Stadt und ihrer Umgebung so recht den Charakter eines modernen
Handelsgebietes aufprägt, das ist der Reichthum an Eisenbahnen.
Ausser den nach Durango und in das Ebrothal führenden Schienen-
strängen, ist Bilbao durch beiderseits des Flusses laufende Linien
mit dem Seehafen verbunden und fünf Bergwerksbahnen, welche die
ausgedehnten Minendistricte durchziehen, münden an den Quais im
Unterlaufe des Nervions.
Dort haben sich knapp am linken Ufer grosse Hüttenwerke,
Fabriken und Ladestationen installirt, in welchen ein Theil des Erzes
verarbeitet, der Ueberschuss aber exportirt wird: zunächst an Bilbao
die Giesserei „El Nervion“, dann weiter gegen El Desierto die Lade-
quais und Magazine der Minen von Orconera und Luchana, dann jene
der Compania Franco-Belga, woran die grossartigen Etablissements
der Eisen- und Stahlfabrik der Gesellschaft Altos Hornos grenzen.
Zu Füssen der Höhe von El Desierto rauchen die Hohöfen von S.
Francisco, und Schienenstränge laufen zu weiten Quais; weiter gegen
See hat sich die Giesserei D. Fernando Alonso und nächst derselben
auf der Fläche der Playa de Lestao die Eisengewerkschaft der
„Sociedad-Vizcaya“, welche auch ein weitläufiges Bassin für eine
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/582>, abgerufen am 22.11.2024.
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