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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Cadiz.
droht, sah Cades seinen Handel vernichtet, seine Schätze vergeudet, und als
Alfonso X. el Sabio die Stadt am 14. September 1262 von den Mauren befreite,
war ihre Existenz nahezu völlig zerstört.

Wiederholt sah Cadiz den berühmten Genuesen Christof Colon innerhalb seinen
Mauern. Seine zweite Reise nach der neuen Welt trat er von hier aus an Bord der
Carraca Marigalante in Begleitung von 16 anderen Schiffen am 25. September
1493 an, hieher kehrte er dann am 11. Juni 1496 zurück. Der Hafen von Cadiz
sah den unsterblichen Entdecker am 20. November 1499 an Bord der Karavele
Gorda in Ketten geschlagen und von seinen beiden ebenfalls gefesselten Brüdern
Bartolomeo und Diego begleitet, von der dritten Reise zurückkehren. Hier wurden
die Gefangenen auf Befehl der Königin sogleich in Freiheit gesetzt. Auch die
vierte Reise Colon's hatte am 9. Mai 1502 Cadiz zum Ausgangsgunkt.

Die Erwerbungen der Spanier in der Neuen Welt liessen Reichthümer nach
Cadiz fliessen; der Handel und die Bevölkerungszahl der Stadt hoben sich rapid.
Diese Blüthe, der schlechte Zustand der Befestigungen von Cadiz und der Mangel
an Kriegsschiffen reizten die Engländer und Holländer zu einem Handstreich. Am
30. Juni 1596 erschien eine grosse Flotte unter Admiral Lord Effingham mit
15.000 Mann Landungstruppen unter Gl. Lord Essex und bemächtigte sich der
Stadt, die geplündert wurde. Die Expedition war so geheimnissvoll betrieben
worden, dass ausschliesslich der genannten Lords Niemand von dem Zwecke der-
selben Kenntniss hatte. Die Beute der Eroberer war enorm. Zwei andere Ueberfälle
der Engländer (1625 und 1702) schlugen indes fehl, weil schon Philipp II. die Stadt
durch starke Befestigungen gegen alle Zwischenfälle zu schützen sich beeilt hatte.

Während aller Kriege Spaniens war Cadiz eine wichtige Rolle zugefallen,
aber die glänzendste Seite seiner Geschichte fällt der heroischen Vertheidigung
der Stadt gegen die Franzosen zu, welche sie vom 6. Februar 1810 bis 25. August
1812 vergebens belagerten, und seit der Zeit spielt Cadiz eine hervorragende Rolle
im politischen Leben Spaniens.

Hier tagte seit 1808 die Centraljunta der Insurrection gegen die Fran-
zosen und hier wurde am 18. März 1812 von den dorthin berufenen Cortez jene
radicale Constitution verkündet, deren Ausführung 1823 zum Einmarsche der
Franzosen unter dem Herzog von Angouleme führte, die im Auftrage des Con-
gresses von Verona (1822) Spanien besetzten und Cadiz am 3. October nach
viermonatlicher Belagerung eroberten.

Cadiz war der Ausgangspunkt der Revolution von 1868, durch welche
Isabella II. vom Thron gestürzt wurde, und im Jahre 1873 stand die Stadt eine
Zeitlang unter der Herrschaft einer Commune.

Die Stadt ist Sitz des Weihbischofs von Sevilla und einer starken
Militär-Garnison. Die in den letzten Jahren erbauten, mit schweren
Geschützen armirten Befestigungen haben Cadiz zu einer starken Vor-
festung umgestaltet.

Einige der 26 Kirchen und Capellen enthalten sehenswerthe
Kunstobjecte. Als Bauwerke interessant sind die beiden knapp an
einander erbauten Kathedralen. "La Vieja", die alte Kathedrale, ent-
stammt dem XIII. Jahrhunderte, wurde aber während der Attaque
des Lord Essex zerstört und 1597 wieder hergestellt. Im Jahre 1720

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Cádiz.
droht, sah Cades seinen Handel vernichtet, seine Schätze vergeudet, und als
Alfonso X. el Sabio die Stadt am 14. September 1262 von den Mauren befreite,
war ihre Existenz nahezu völlig zerstört.

Wiederholt sah Cádiz den berühmten Genuesen Christof Colon innerhalb seinen
Mauern. Seine zweite Reise nach der neuen Welt trat er von hier aus an Bord der
Carraca Marigalante in Begleitung von 16 anderen Schiffen am 25. September
1493 an, hieher kehrte er dann am 11. Juni 1496 zurück. Der Hafen von Cádiz
sah den unsterblichen Entdecker am 20. November 1499 an Bord der Karavele
Gorda in Ketten geschlagen und von seinen beiden ebenfalls gefesselten Brüdern
Bartolomeo und Diego begleitet, von der dritten Reise zurückkehren. Hier wurden
die Gefangenen auf Befehl der Königin sogleich in Freiheit gesetzt. Auch die
vierte Reise Colon’s hatte am 9. Mai 1502 Cádiz zum Ausgangsgunkt.

Die Erwerbungen der Spanier in der Neuen Welt liessen Reichthümer nach
Cádiz fliessen; der Handel und die Bevölkerungszahl der Stadt hoben sich rapid.
Diese Blüthe, der schlechte Zustand der Befestigungen von Cádiz und der Mangel
an Kriegsschiffen reizten die Engländer und Holländer zu einem Handstreich. Am
30. Juni 1596 erschien eine grosse Flotte unter Admiral Lord Effingham mit
15.000 Mann Landungstruppen unter Gl. Lord Essex und bemächtigte sich der
Stadt, die geplündert wurde. Die Expedition war so geheimnissvoll betrieben
worden, dass ausschliesslich der genannten Lords Niemand von dem Zwecke der-
selben Kenntniss hatte. Die Beute der Eroberer war enorm. Zwei andere Ueberfälle
der Engländer (1625 und 1702) schlugen indes fehl, weil schon Philipp II. die Stadt
durch starke Befestigungen gegen alle Zwischenfälle zu schützen sich beeilt hatte.

Während aller Kriege Spaniens war Cádiz eine wichtige Rolle zugefallen,
aber die glänzendste Seite seiner Geschichte fällt der heroischen Vertheidigung
der Stadt gegen die Franzosen zu, welche sie vom 6. Februar 1810 bis 25. August
1812 vergebens belagerten, und seit der Zeit spielt Cádiz eine hervorragende Rolle
im politischen Leben Spaniens.

Hier tagte seit 1808 die Centraljunta der Insurrection gegen die Fran-
zosen und hier wurde am 18. März 1812 von den dorthin berufenen Cortez jene
radicale Constitution verkündet, deren Ausführung 1823 zum Einmarsche der
Franzosen unter dem Herzog von Angoulême führte, die im Auftrage des Con-
gresses von Verona (1822) Spanien besetzten und Cádiz am 3. October nach
viermonatlicher Belagerung eroberten.

Cádiz war der Ausgangspunkt der Revolution von 1868, durch welche
Isabella II. vom Thron gestürzt wurde, und im Jahre 1873 stand die Stadt eine
Zeitlang unter der Herrschaft einer Commune.

Die Stadt ist Sitz des Weihbischofs von Sevilla und einer starken
Militär-Garnison. Die in den letzten Jahren erbauten, mit schweren
Geschützen armirten Befestigungen haben Cádiz zu einer starken Vor-
festung umgestaltet.

Einige der 26 Kirchen und Capellen enthalten sehenswerthe
Kunstobjecte. Als Bauwerke interessant sind die beiden knapp an
einander erbauten Kathedralen. „La Vieja“, die alte Kathedrale, ent-
stammt dem XIII. Jahrhunderte, wurde aber während der Attaque
des Lord Essex zerstört und 1597 wieder hergestellt. Im Jahre 1720

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[499/0519] Cádiz. droht, sah Cades seinen Handel vernichtet, seine Schätze vergeudet, und als Alfonso X. el Sabio die Stadt am 14. September 1262 von den Mauren befreite, war ihre Existenz nahezu völlig zerstört. Wiederholt sah Cádiz den berühmten Genuesen Christof Colon innerhalb seinen Mauern. Seine zweite Reise nach der neuen Welt trat er von hier aus an Bord der Carraca Marigalante in Begleitung von 16 anderen Schiffen am 25. September 1493 an, hieher kehrte er dann am 11. Juni 1496 zurück. Der Hafen von Cádiz sah den unsterblichen Entdecker am 20. November 1499 an Bord der Karavele Gorda in Ketten geschlagen und von seinen beiden ebenfalls gefesselten Brüdern Bartolomeo und Diego begleitet, von der dritten Reise zurückkehren. Hier wurden die Gefangenen auf Befehl der Königin sogleich in Freiheit gesetzt. Auch die vierte Reise Colon’s hatte am 9. Mai 1502 Cádiz zum Ausgangsgunkt. Die Erwerbungen der Spanier in der Neuen Welt liessen Reichthümer nach Cádiz fliessen; der Handel und die Bevölkerungszahl der Stadt hoben sich rapid. Diese Blüthe, der schlechte Zustand der Befestigungen von Cádiz und der Mangel an Kriegsschiffen reizten die Engländer und Holländer zu einem Handstreich. Am 30. Juni 1596 erschien eine grosse Flotte unter Admiral Lord Effingham mit 15.000 Mann Landungstruppen unter Gl. Lord Essex und bemächtigte sich der Stadt, die geplündert wurde. Die Expedition war so geheimnissvoll betrieben worden, dass ausschliesslich der genannten Lords Niemand von dem Zwecke der- selben Kenntniss hatte. Die Beute der Eroberer war enorm. Zwei andere Ueberfälle der Engländer (1625 und 1702) schlugen indes fehl, weil schon Philipp II. die Stadt durch starke Befestigungen gegen alle Zwischenfälle zu schützen sich beeilt hatte. Während aller Kriege Spaniens war Cádiz eine wichtige Rolle zugefallen, aber die glänzendste Seite seiner Geschichte fällt der heroischen Vertheidigung der Stadt gegen die Franzosen zu, welche sie vom 6. Februar 1810 bis 25. August 1812 vergebens belagerten, und seit der Zeit spielt Cádiz eine hervorragende Rolle im politischen Leben Spaniens. Hier tagte seit 1808 die Centraljunta der Insurrection gegen die Fran- zosen und hier wurde am 18. März 1812 von den dorthin berufenen Cortez jene radicale Constitution verkündet, deren Ausführung 1823 zum Einmarsche der Franzosen unter dem Herzog von Angoulême führte, die im Auftrage des Con- gresses von Verona (1822) Spanien besetzten und Cádiz am 3. October nach viermonatlicher Belagerung eroberten. Cádiz war der Ausgangspunkt der Revolution von 1868, durch welche Isabella II. vom Thron gestürzt wurde, und im Jahre 1873 stand die Stadt eine Zeitlang unter der Herrschaft einer Commune. Die Stadt ist Sitz des Weihbischofs von Sevilla und einer starken Militär-Garnison. Die in den letzten Jahren erbauten, mit schweren Geschützen armirten Befestigungen haben Cádiz zu einer starken Vor- festung umgestaltet. Einige der 26 Kirchen und Capellen enthalten sehenswerthe Kunstobjecte. Als Bauwerke interessant sind die beiden knapp an einander erbauten Kathedralen. „La Vieja“, die alte Kathedrale, ent- stammt dem XIII. Jahrhunderte, wurde aber während der Attaque des Lord Essex zerstört und 1597 wieder hergestellt. Im Jahre 1720 63*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/519>, abgerufen am 22.11.2024.