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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
Und da die Catalonier bei ihrem lebhaften Streben nach Erwerb
schon seit Jahrhunderten nicht ungern auswandern, so gebieten sie
auch von überseeischen Ländern aus über einen grossen Theil des
Aussenhandels Spaniens.

Die Bürger von Barcelona, schon frühzeitig befreit von der
Herrschaft der Mauren, zogen Nutzen von der Lage ihrer Stadt an
der Grenze der christlichen und mahommedanischen Welt.

Im friedlichen Verkehre mit den seekundigen und fleissigen
Mauren von Tortosa, Valencia und Almeria entwickelten sich früh-
zeitig ihre volkswirthschaftlichen, im Kampfe mit diesen ihre kriege-
rischen Tugenden.

Die Kreuzzüge führten sie mit ihren alten Bundesgenossen, den
Provencalen und Genuesen, in die Levante, und sie errichteten dort
Gemeinden.

Damals waren in Barcelona noch wenig Gewerbe, aber die
Stadt war hauptsächlich wegen der vielen persönlichen Beziehungen
ihrer Bewohner zu den Mohammedanern im südlichen Spanien ein
wichtiger Platz für die Einfuhr orientalischer und die Ausfuhr euro-
päischer Güter. Der jüdische Reisende Benjamin von Tudela (1159--1173)
erzählt, dass zu seiner Zeit die Kaufleute aus allen Theilen der Welt
dort zusammenkamen.

Unter Jayme I. von Aragonien (1213--1276) griff Barcelona
schon selbständig in den Welthandel ein, und erlebte seine schönste
Blüthe. Nicht bevormundend, nur schützend und ordnend griff Jayme I.
ein und liess die wichtigsten Angelegenheiten in den Händen der
Bürgerschaft, in der die Kaufleute sehr wichtige Personen waren.
Unter ihm wurde Barcelona eine Fabriksstadt, und unterstützt von
der Tüchtigkeit des dortigen Handelsstandes, der Geschicklichkeit der
Handwerker und der Kühnheit der Rheder, war bald das Ziel er-
reicht, dass der Handel Barcelonas durchaus in den Händen ein-
heimischer Kaufleute sich befand, auf die heimische Industrie sich
stützte und einheimischer Beförderungsmittel sich bediente. Kein Wunder,
dass hier 1279 ein tüchtiges Handelsgesetz entstand, El Consolade del
mar de Barcelona, welches später dieselbe Geltung erlangte, wie die
Leges Rhodiae bei den Alten.

Als Erbe der Hohenstaufen blieb Jayme I. auch auf gutem Fusse
mit den Sultanen Egyptens, die Bürger Barcelonas liessen sich
nur von kaufmännischen Interessen leiten und lieferten, trotz des Ver-
botes des Königs und des päpstlichen Bannes, wiederholt Bauholz,
Theer, Waffen nach Alexandria; ja im XV. Jahrhundert waren sie

Das Mittelmeerbecken.
Und da die Catalonier bei ihrem lebhaften Streben nach Erwerb
schon seit Jahrhunderten nicht ungern auswandern, so gebieten sie
auch von überseeischen Ländern aus über einen grossen Theil des
Aussenhandels Spaniens.

Die Bürger von Barcelona, schon frühzeitig befreit von der
Herrschaft der Mauren, zogen Nutzen von der Lage ihrer Stadt an
der Grenze der christlichen und mahommedanischen Welt.

Im friedlichen Verkehre mit den seekundigen und fleissigen
Mauren von Tortosa, Valencia und Almeria entwickelten sich früh-
zeitig ihre volkswirthschaftlichen, im Kampfe mit diesen ihre kriege-
rischen Tugenden.

Die Kreuzzüge führten sie mit ihren alten Bundesgenossen, den
Provençalen und Genuesen, in die Levante, und sie errichteten dort
Gemeinden.

Damals waren in Barcelona noch wenig Gewerbe, aber die
Stadt war hauptsächlich wegen der vielen persönlichen Beziehungen
ihrer Bewohner zu den Mohammedanern im südlichen Spanien ein
wichtiger Platz für die Einfuhr orientalischer und die Ausfuhr euro-
päischer Güter. Der jüdische Reisende Benjamin von Tudela (1159—1173)
erzählt, dass zu seiner Zeit die Kaufleute aus allen Theilen der Welt
dort zusammenkamen.

Unter Jayme I. von Aragonien (1213—1276) griff Barcelona
schon selbständig in den Welthandel ein, und erlebte seine schönste
Blüthe. Nicht bevormundend, nur schützend und ordnend griff Jayme I.
ein und liess die wichtigsten Angelegenheiten in den Händen der
Bürgerschaft, in der die Kaufleute sehr wichtige Personen waren.
Unter ihm wurde Barcelona eine Fabriksstadt, und unterstützt von
der Tüchtigkeit des dortigen Handelsstandes, der Geschicklichkeit der
Handwerker und der Kühnheit der Rheder, war bald das Ziel er-
reicht, dass der Handel Barcelonas durchaus in den Händen ein-
heimischer Kaufleute sich befand, auf die heimische Industrie sich
stützte und einheimischer Beförderungsmittel sich bediente. Kein Wunder,
dass hier 1279 ein tüchtiges Handelsgesetz entstand, El Consolade del
mar de Barcelona, welches später dieselbe Geltung erlangte, wie die
Leges Rhodiae bei den Alten.

Als Erbe der Hohenstaufen blieb Jayme I. auch auf gutem Fusse
mit den Sultanen Egyptens, die Bürger Barcelonas liessen sich
nur von kaufmännischen Interessen leiten und lieferten, trotz des Ver-
botes des Königs und des päpstlichen Bannes, wiederholt Bauholz,
Theer, Waffen nach Alexandria; ja im XV. Jahrhundert waren sie

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[450/0470] Das Mittelmeerbecken. Und da die Catalonier bei ihrem lebhaften Streben nach Erwerb schon seit Jahrhunderten nicht ungern auswandern, so gebieten sie auch von überseeischen Ländern aus über einen grossen Theil des Aussenhandels Spaniens. Die Bürger von Barcelona, schon frühzeitig befreit von der Herrschaft der Mauren, zogen Nutzen von der Lage ihrer Stadt an der Grenze der christlichen und mahommedanischen Welt. Im friedlichen Verkehre mit den seekundigen und fleissigen Mauren von Tortosa, Valencia und Almeria entwickelten sich früh- zeitig ihre volkswirthschaftlichen, im Kampfe mit diesen ihre kriege- rischen Tugenden. Die Kreuzzüge führten sie mit ihren alten Bundesgenossen, den Provençalen und Genuesen, in die Levante, und sie errichteten dort Gemeinden. Damals waren in Barcelona noch wenig Gewerbe, aber die Stadt war hauptsächlich wegen der vielen persönlichen Beziehungen ihrer Bewohner zu den Mohammedanern im südlichen Spanien ein wichtiger Platz für die Einfuhr orientalischer und die Ausfuhr euro- päischer Güter. Der jüdische Reisende Benjamin von Tudela (1159—1173) erzählt, dass zu seiner Zeit die Kaufleute aus allen Theilen der Welt dort zusammenkamen. Unter Jayme I. von Aragonien (1213—1276) griff Barcelona schon selbständig in den Welthandel ein, und erlebte seine schönste Blüthe. Nicht bevormundend, nur schützend und ordnend griff Jayme I. ein und liess die wichtigsten Angelegenheiten in den Händen der Bürgerschaft, in der die Kaufleute sehr wichtige Personen waren. Unter ihm wurde Barcelona eine Fabriksstadt, und unterstützt von der Tüchtigkeit des dortigen Handelsstandes, der Geschicklichkeit der Handwerker und der Kühnheit der Rheder, war bald das Ziel er- reicht, dass der Handel Barcelonas durchaus in den Händen ein- heimischer Kaufleute sich befand, auf die heimische Industrie sich stützte und einheimischer Beförderungsmittel sich bediente. Kein Wunder, dass hier 1279 ein tüchtiges Handelsgesetz entstand, El Consolade del mar de Barcelona, welches später dieselbe Geltung erlangte, wie die Leges Rhodiae bei den Alten. Als Erbe der Hohenstaufen blieb Jayme I. auch auf gutem Fusse mit den Sultanen Egyptens, die Bürger Barcelonas liessen sich nur von kaufmännischen Interessen leiten und lieferten, trotz des Ver- botes des Königs und des päpstlichen Bannes, wiederholt Bauholz, Theer, Waffen nach Alexandria; ja im XV. Jahrhundert waren sie

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/470>, abgerufen am 22.11.2024.