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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Algier.

In unmittelbarer Nähe der Stadt gewahrt man militärische
Etablissements und auf allen Häfen fortificatorische Anlagen.

Die Umgebung der Stadt entbehrt keineswegs der Reize: schöne
Gärten, Gelände und Villen, unter welch letzteren die Sommerresi-
denz des Gouverneurs die prächtigste, locken den Fussgänger nach
dankbaren Zielen, die er zwischen den rebenberankten Hügeln der
Metidscha auf breiten Fahrstrassen und wohlgebahnten Nebenpfaden
erreichen kann.

Hat auch die Cultur der Rebe schon eine gewisse Eintönigkeit
in das Bild der Vegetation gebracht, so sieht man doch in allen
Mulden grössere Anpflanzungen exotischer Gewächse und es dürfte
kaum ein besseres Klima, besseren Boden als den algerischen für die
üppige Entfaltung des Orangenbaumes, der Banane und der Dattel-
palme geben.

Algier geniesst den Ruf eines klimatischen Curortes. Die Alles
ausgleichende See lindert die Hitze des Hochsommers, die in 28 bis
30°C. ihren Höhepunkt erreicht, und die niedrigste Durchschnitts-
temperatur im Winter beträgt noch immer + 12°C.

Nicht nur Kranke, welche den Winter unter diesem milden
Himmelsstriche zubringen wollen und hiebei nichts vom gewohnten
Comfort einzubüssen brauchen, sondern auch unzählige Touristen,
welche das Land kennen zu lernen wünschen, dessen Reize ihnen
bishin verschlossen blieben, besuchen Algier. Mittelst Eisenbahn ge-
langt man durch die schönsten Gebiete der algerischen Colonie, von
den Grenzen Marokkos bis Tunis, und verschiedene Zweige dieser
Bahn winden sich südwärts durch die Thäler des kleinen Atlas-
gebirges bis in das hinterliegende Hochplateau und die Steppen. Es
wäre nur zu wünschen, dass die persönliche Sicherheit jener Reisenden,
welche gezwungen sind, ihre Wege auf dem Rücken des prächtigen
algerischen Pferdes oder Maulthieres, ja sogar auf Kameelen zurück-
zulegen, bald bis an die südlichsten Grenzen der Colonie erzielt
werden möchte.

In Algier haben ihren Sitz der Generalgouverneur und ein Prä-
fect, ein katholischer Erzbischof und ein Grossrabbiner, das Com-
mando des 19. Armeecorps, ein Appellhof und eine Handelskammer.

Frankreich hat sich in Algier ein äusserst wichtiges Absatz-
gebiet für seine Producte und ein weites Operationsgebiet für seine
Handelsmarine geschaffen. Man kann sich dieser Thatsache nicht
verschliesssn, wenn man in Betracht zieht, dass 1831 unmittelbar
nach der Eroberung der gesammte Aussenhandel des Landes kaum

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Algier.

In unmittelbarer Nähe der Stadt gewahrt man militärische
Etablissements und auf allen Häfen fortificatorische Anlagen.

Die Umgebung der Stadt entbehrt keineswegs der Reize: schöne
Gärten, Gelände und Villen, unter welch letzteren die Sommerresi-
denz des Gouverneurs die prächtigste, locken den Fussgänger nach
dankbaren Zielen, die er zwischen den rebenberankten Hügeln der
Metidscha auf breiten Fahrstrassen und wohlgebahnten Nebenpfaden
erreichen kann.

Hat auch die Cultur der Rebe schon eine gewisse Eintönigkeit
in das Bild der Vegetation gebracht, so sieht man doch in allen
Mulden grössere Anpflanzungen exotischer Gewächse und es dürfte
kaum ein besseres Klima, besseren Boden als den algerischen für die
üppige Entfaltung des Orangenbaumes, der Banane und der Dattel-
palme geben.

Algier geniesst den Ruf eines klimatischen Curortes. Die Alles
ausgleichende See lindert die Hitze des Hochsommers, die in 28 bis
30°C. ihren Höhepunkt erreicht, und die niedrigste Durchschnitts-
temperatur im Winter beträgt noch immer + 12°C.

Nicht nur Kranke, welche den Winter unter diesem milden
Himmelsstriche zubringen wollen und hiebei nichts vom gewohnten
Comfort einzubüssen brauchen, sondern auch unzählige Touristen,
welche das Land kennen zu lernen wünschen, dessen Reize ihnen
bishin verschlossen blieben, besuchen Algier. Mittelst Eisenbahn ge-
langt man durch die schönsten Gebiete der algerischen Colonie, von
den Grenzen Marokkos bis Tunis, und verschiedene Zweige dieser
Bahn winden sich südwärts durch die Thäler des kleinen Atlas-
gebirges bis in das hinterliegende Hochplateau und die Steppen. Es
wäre nur zu wünschen, dass die persönliche Sicherheit jener Reisenden,
welche gezwungen sind, ihre Wege auf dem Rücken des prächtigen
algerischen Pferdes oder Maulthieres, ja sogar auf Kameelen zurück-
zulegen, bald bis an die südlichsten Grenzen der Colonie erzielt
werden möchte.

In Algier haben ihren Sitz der Generalgouverneur und ein Prä-
fect, ein katholischer Erzbischof und ein Grossrabbiner, das Com-
mando des 19. Armeecorps, ein Appellhof und eine Handelskammer.

Frankreich hat sich in Algier ein äusserst wichtiges Absatz-
gebiet für seine Producte und ein weites Operationsgebiet für seine
Handelsmarine geschaffen. Man kann sich dieser Thatsache nicht
verschliesssn, wenn man in Betracht zieht, dass 1831 unmittelbar
nach der Eroberung der gesammte Aussenhandel des Landes kaum

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[427/0447] Algier. In unmittelbarer Nähe der Stadt gewahrt man militärische Etablissements und auf allen Häfen fortificatorische Anlagen. Die Umgebung der Stadt entbehrt keineswegs der Reize: schöne Gärten, Gelände und Villen, unter welch letzteren die Sommerresi- denz des Gouverneurs die prächtigste, locken den Fussgänger nach dankbaren Zielen, die er zwischen den rebenberankten Hügeln der Metidscha auf breiten Fahrstrassen und wohlgebahnten Nebenpfaden erreichen kann. Hat auch die Cultur der Rebe schon eine gewisse Eintönigkeit in das Bild der Vegetation gebracht, so sieht man doch in allen Mulden grössere Anpflanzungen exotischer Gewächse und es dürfte kaum ein besseres Klima, besseren Boden als den algerischen für die üppige Entfaltung des Orangenbaumes, der Banane und der Dattel- palme geben. Algier geniesst den Ruf eines klimatischen Curortes. Die Alles ausgleichende See lindert die Hitze des Hochsommers, die in 28 bis 30°C. ihren Höhepunkt erreicht, und die niedrigste Durchschnitts- temperatur im Winter beträgt noch immer + 12°C. Nicht nur Kranke, welche den Winter unter diesem milden Himmelsstriche zubringen wollen und hiebei nichts vom gewohnten Comfort einzubüssen brauchen, sondern auch unzählige Touristen, welche das Land kennen zu lernen wünschen, dessen Reize ihnen bishin verschlossen blieben, besuchen Algier. Mittelst Eisenbahn ge- langt man durch die schönsten Gebiete der algerischen Colonie, von den Grenzen Marokkos bis Tunis, und verschiedene Zweige dieser Bahn winden sich südwärts durch die Thäler des kleinen Atlas- gebirges bis in das hinterliegende Hochplateau und die Steppen. Es wäre nur zu wünschen, dass die persönliche Sicherheit jener Reisenden, welche gezwungen sind, ihre Wege auf dem Rücken des prächtigen algerischen Pferdes oder Maulthieres, ja sogar auf Kameelen zurück- zulegen, bald bis an die südlichsten Grenzen der Colonie erzielt werden möchte. In Algier haben ihren Sitz der Generalgouverneur und ein Prä- fect, ein katholischer Erzbischof und ein Grossrabbiner, das Com- mando des 19. Armeecorps, ein Appellhof und eine Handelskammer. Frankreich hat sich in Algier ein äusserst wichtiges Absatz- gebiet für seine Producte und ein weites Operationsgebiet für seine Handelsmarine geschaffen. Man kann sich dieser Thatsache nicht verschliesssn, wenn man in Betracht zieht, dass 1831 unmittelbar nach der Eroberung der gesammte Aussenhandel des Landes kaum 54*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/447>, abgerufen am 25.11.2024.