eines Hafens solche Vortheile zu bieten vermocht als die Einbuchtung zwischen dem Cap Couronne im Westen und jenem nächst der Insel Maire im Süden.
Die hier der Küste vorgelagerten Inseln Ratoneau, Pomegues und die kleine Ile d'If sowie das vorspringende Cap Endoume schützen die Position gegen den Seegang aus Süden und Südwesten, und nur Westwinde stürmen direct zur Küste. Doch auch diese sind gegenwärtig nicht mehr im Stande, die Thätigkeit zu unterbrechen, denn Marseille besitzt gegenwärtig nicht mehr den Port vieux allein, sondern verfügt über einen der grossartigsten Kunsthäfen der Erde, ausreichend, um den ungeheueren Waarenverkehr zu bewältigen, der sich hier concentrirt. Der Port vieux war der Hafen von Massilia, dessen schmale Einfahrt durch Befestigungen vertheidigt wurde.
Westwärts von Marseille weit über das sumpfige Gebiet des Rhonedeltas (Bouches du Rhone) zieht sich eine an Haffbildungen (Etangs) reiche Flachküste um den Golfe du Lion, an welchem von bedeutenderen Hafenplätzen nur das aufblühende Cette grössere Be- achtung verdient.
Die Wassertiefe im Golfe du Lion beträgt infolge der Rhone- Ablagerungen im Durchschnitt nur etwa 80 m. Der Meeresboden fällt jedoch 12 Seemeilen südlich von Marseille von 200 m rasch ab in die gewaltigen Einsenkungen des Mittelmeeres.
Marseille bietet von See aus einen an malerischen Effecten sehr reichen und in der Gesammtheit grossartigen Anblick. An der Aus- mündung einer sanft absteigenden, von Bergen eingeschlossenen Küsten- ebene breitet sich die Stadt als ein leichtgewelltes Häusergewirre von 6 km Länge vor uns aus. Thürme, Kuppeln und Schlote ragen dort und da empor, und Grossbauten, wie die monumentale Kathedrale am Quai de la Joliette, oder die robusten fremdartigen Formen des Fort St. Jean, drängen als Beherrscher ganzer Partien im Bilde sich auf. Den Vordergrund nimmt das Gebiet des immensen Hafens ein, hinter dessen gewaltigem Wellenbrecher Schiff an Schiff sich reiht. Das qualmt, pustet und lärmt mit den Locomotiven der Quaibahn um die Wette; fleissige wohlorganisirte Arbeit wird hier geleistet in dieser gewaltigen Werkstätte des Welthandels. Unaufhörlich ist die Zufahrt der grössten Dampfer, der imposantesten Segelschiffe aus allen Punkten des Erdballs. Enorme Waarenmengen langen hier an, und staunend kann man beobachten, mit welcher Raschheit sie ausgeschifft und auf andere Routen geleitet werden.
All die grossartigen Magazine, über die der Hafen gebietet,
Das Mittelmeerbecken.
eines Hafens solche Vortheile zu bieten vermocht als die Einbuchtung zwischen dem Cap Couronne im Westen und jenem nächst der Insel Maire im Süden.
Die hier der Küste vorgelagerten Inseln Ratoneau, Pomègues und die kleine Ile d’If sowie das vorspringende Cap Endoume schützen die Position gegen den Seegang aus Süden und Südwesten, und nur Westwinde stürmen direct zur Küste. Doch auch diese sind gegenwärtig nicht mehr im Stande, die Thätigkeit zu unterbrechen, denn Marseille besitzt gegenwärtig nicht mehr den Port vieux allein, sondern verfügt über einen der grossartigsten Kunsthäfen der Erde, ausreichend, um den ungeheueren Waarenverkehr zu bewältigen, der sich hier concentrirt. Der Port vieux war der Hafen von Massilia, dessen schmale Einfahrt durch Befestigungen vertheidigt wurde.
Westwärts von Marseille weit über das sumpfige Gebiet des Rhonedeltas (Bouches du Rhône) zieht sich eine an Haffbildungen (Étangs) reiche Flachküste um den Golfe du Lion, an welchem von bedeutenderen Hafenplätzen nur das aufblühende Cette grössere Be- achtung verdient.
Die Wassertiefe im Golfe du Lion beträgt infolge der Rhône- Ablagerungen im Durchschnitt nur etwa 80 m. Der Meeresboden fällt jedoch 12 Seemeilen südlich von Marseille von 200 m rasch ab in die gewaltigen Einsenkungen des Mittelmeeres.
Marseille bietet von See aus einen an malerischen Effecten sehr reichen und in der Gesammtheit grossartigen Anblick. An der Aus- mündung einer sanft absteigenden, von Bergen eingeschlossenen Küsten- ebene breitet sich die Stadt als ein leichtgewelltes Häusergewirre von 6 km Länge vor uns aus. Thürme, Kuppeln und Schlote ragen dort und da empor, und Grossbauten, wie die monumentale Kathedrale am Quai de la Joliette, oder die robusten fremdartigen Formen des Fort St. Jean, drängen als Beherrscher ganzer Partien im Bilde sich auf. Den Vordergrund nimmt das Gebiet des immensen Hafens ein, hinter dessen gewaltigem Wellenbrecher Schiff an Schiff sich reiht. Das qualmt, pustet und lärmt mit den Locomotiven der Quaibahn um die Wette; fleissige wohlorganisirte Arbeit wird hier geleistet in dieser gewaltigen Werkstätte des Welthandels. Unaufhörlich ist die Zufahrt der grössten Dampfer, der imposantesten Segelschiffe aus allen Punkten des Erdballs. Enorme Waarenmengen langen hier an, und staunend kann man beobachten, mit welcher Raschheit sie ausgeschifft und auf andere Routen geleitet werden.
All die grossartigen Magazine, über die der Hafen gebietet,
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Das Mittelmeerbecken.
eines Hafens solche Vortheile zu bieten vermocht als die Einbuchtung
zwischen dem Cap Couronne im Westen und jenem nächst der Insel
Maire im Süden.
Die hier der Küste vorgelagerten Inseln Ratoneau, Pomègues
und die kleine Ile d’If sowie das vorspringende Cap Endoume
schützen die Position gegen den Seegang aus Süden und Südwesten,
und nur Westwinde stürmen direct zur Küste. Doch auch diese sind
gegenwärtig nicht mehr im Stande, die Thätigkeit zu unterbrechen,
denn Marseille besitzt gegenwärtig nicht mehr den Port vieux allein,
sondern verfügt über einen der grossartigsten Kunsthäfen der Erde,
ausreichend, um den ungeheueren Waarenverkehr zu bewältigen, der
sich hier concentrirt. Der Port vieux war der Hafen von Massilia,
dessen schmale Einfahrt durch Befestigungen vertheidigt wurde.
Westwärts von Marseille weit über das sumpfige Gebiet des
Rhonedeltas (Bouches du Rhône) zieht sich eine an Haffbildungen
(Étangs) reiche Flachküste um den Golfe du Lion, an welchem von
bedeutenderen Hafenplätzen nur das aufblühende Cette grössere Be-
achtung verdient.
Die Wassertiefe im Golfe du Lion beträgt infolge der Rhône-
Ablagerungen im Durchschnitt nur etwa 80 m. Der Meeresboden fällt
jedoch 12 Seemeilen südlich von Marseille von 200 m rasch ab in die
gewaltigen Einsenkungen des Mittelmeeres.
Marseille bietet von See aus einen an malerischen Effecten sehr
reichen und in der Gesammtheit grossartigen Anblick. An der Aus-
mündung einer sanft absteigenden, von Bergen eingeschlossenen Küsten-
ebene breitet sich die Stadt als ein leichtgewelltes Häusergewirre von
6 km Länge vor uns aus. Thürme, Kuppeln und Schlote ragen dort
und da empor, und Grossbauten, wie die monumentale Kathedrale am
Quai de la Joliette, oder die robusten fremdartigen Formen des Fort
St. Jean, drängen als Beherrscher ganzer Partien im Bilde sich auf.
Den Vordergrund nimmt das Gebiet des immensen Hafens ein, hinter
dessen gewaltigem Wellenbrecher Schiff an Schiff sich reiht. Das
qualmt, pustet und lärmt mit den Locomotiven der Quaibahn um die
Wette; fleissige wohlorganisirte Arbeit wird hier geleistet in dieser
gewaltigen Werkstätte des Welthandels. Unaufhörlich ist die Zufahrt
der grössten Dampfer, der imposantesten Segelschiffe aus allen Punkten
des Erdballs. Enorme Waarenmengen langen hier an, und staunend
kann man beobachten, mit welcher Raschheit sie ausgeschifft und auf
andere Routen geleitet werden.
All die grossartigen Magazine, über die der Hafen gebietet,
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/408>, abgerufen am 22.11.2024.
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