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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
thum gepriesenen Strand. Hier weilte die letzten Jahre seines Lebens
Kaiser Tiberius (Claudius Nero) und überliess sich den ärgsten
Ausschweifungen und Grausamkeiten. Hier starb auch der Tyrann
(37 n. Chr.) unter Mörderhand. Weltberühmt ist die an der Nord-
seite der Insel liegende blaue Grotte (Grotta azzura), in der ein
reizendes Naturspiel den Besucher überrascht. Die Rundsicht von der
Höhe des Mte. Solare gehört zu den grossartigsten auf dem Erden-
runde und lohnt durch hohen Naturgenuss weitaus die Mühen des
Aufstieges.

Wir erwähnten bereits der alten Griechenkolonie Kyme (Cumae), welche
um 1056 v. Chr. durch Aeoter und Chalkis auf Euböa gegründet, die Pflanzstadt
von Neapel werden sollte. Von hier aus scheint die griechische Niederlassung
Parthenope, in der Folge Palaiapolis oder Altstadt genannt, zum Unterschiede
von dem später gegründeten Neapolis oder Neustadt angelegt worden zu sein.
Die Altstadt bedeckte vermuthlich die Höhe des Pizzofalcone, während Neapolis
östlich vom heutigen Castel Capuano gegen den Hafen zu erbaut war. Erst als
hier die Römerherrschaft 326 v. Chr. begann, hörte die Unterscheidung der beiden
Städte auf, doch bewahrten sie bis in die Kaiserzeit hinein die angestammte
griechische Sprache und Sitte und erfreuten sich, treu zu Rom haltend, ihrer alten
freiheitlichen Verfassung.

Die herrliche Lage erhob die Stadt Neapel und deren Umgebung bald zum
Lieblingsaufenthalte der Grossen des Reiches, die hieher die Ueppigkeit des
römischen Lebens verpflanzten. Was die Geschichte Roms während Jahrhunderten
an illustren Namen aufzuweisen hat, lustwandelte am paradiesischen Strande des
Golfes von Neapel. Lucullus, als Besitzer von Prachtgärten auf der Höhe von
Posilipo und nächst der Altstadt, mag hier manche seiner berühmten Festlich-
keiten veranstaltet haben; Augustus, Cäsar, Tiberius und Nero, Hortensius
der berühmte Redner und der unvergleichliche Virgil lebten hier und wirkten
jeder in der Weise seiner Art.

Nach der Theilung des römischen Reiches war bald der Glanz und die
Herrlichkeit verschwunden; der goldenen Zeit folgte das Unglück.

Zuerst erschien 536 auf seinem Eroberungszuge nach Unteritalien Belizar,
der oströmische Feldherr, und erstürmte Neapel; sieben Jahre später führte Totila
die siegreichen Gothen hinein. Die Stadt litt entsetzlich.

In den folgenden Jahrhunderten gewann Neapel wieder seine Unabhängig-
keit und behauptete selbe unter einem gewählten Duca gegen die langobardischen
Fürsten. Erst der Normanne Roger (siehe Palermo) pflanzte nach Eroberung der
Stadt 1130 eine neue Herrschaft auf. Bald folgte jedoch auch hier die Regierung
der Hohenstaufen, von welcher Friedrich II. 1224 die Universität in Neapel
gründete. Karl I. von Anjou erhob letzteres zur Hauptstadt seines Reiches, das
indes durch den Abfall Siciliens (1282 sicilianische Vesper) geschwächt und in
der Folge durch Sittenlosigkeit im Königshause wie auch durch Kriege mit
Sicilien sehr herabsank.

So gelang es Karl VIII. von Frankreich, das Königreich Neapel binnen
wenigen Tagen zu erobern. Nach mancherlei Kämpfen fassten die Spanier 1503
hier Fuss und verwalteten Neapel, Sicilien und die Insel Sardinien bis 1713 durch

Das Mittelmeerbecken.
thum gepriesenen Strand. Hier weilte die letzten Jahre seines Lebens
Kaiser Tiberius (Claudius Nero) und überliess sich den ärgsten
Ausschweifungen und Grausamkeiten. Hier starb auch der Tyrann
(37 n. Chr.) unter Mörderhand. Weltberühmt ist die an der Nord-
seite der Insel liegende blaue Grotte (Grotta azzura), in der ein
reizendes Naturspiel den Besucher überrascht. Die Rundsicht von der
Höhe des Mte. Solare gehört zu den grossartigsten auf dem Erden-
runde und lohnt durch hohen Naturgenuss weitaus die Mühen des
Aufstieges.

Wir erwähnten bereits der alten Griechenkolonie Kyme (Cumae), welche
um 1056 v. Chr. durch Aeoter und Chalkis auf Euböa gegründet, die Pflanzstadt
von Neapel werden sollte. Von hier aus scheint die griechische Niederlassung
Parthenope, in der Folge Palaiapolis oder Altstadt genannt, zum Unterschiede
von dem später gegründeten Neapolis oder Neustadt angelegt worden zu sein.
Die Altstadt bedeckte vermuthlich die Höhe des Pizzofalcone, während Neapolis
östlich vom heutigen Castel Capuano gegen den Hafen zu erbaut war. Erst als
hier die Römerherrschaft 326 v. Chr. begann, hörte die Unterscheidung der beiden
Städte auf, doch bewahrten sie bis in die Kaiserzeit hinein die angestammte
griechische Sprache und Sitte und erfreuten sich, treu zu Rom haltend, ihrer alten
freiheitlichen Verfassung.

Die herrliche Lage erhob die Stadt Neapel und deren Umgebung bald zum
Lieblingsaufenthalte der Grossen des Reiches, die hieher die Ueppigkeit des
römischen Lebens verpflanzten. Was die Geschichte Roms während Jahrhunderten
an illustren Namen aufzuweisen hat, lustwandelte am paradiesischen Strande des
Golfes von Neapel. Lucullus, als Besitzer von Prachtgärten auf der Höhe von
Posilipo und nächst der Altstadt, mag hier manche seiner berühmten Festlich-
keiten veranstaltet haben; Augustus, Cäsar, Tiberius und Nero, Hortensius
der berühmte Redner und der unvergleichliche Virgil lebten hier und wirkten
jeder in der Weise seiner Art.

Nach der Theilung des römischen Reiches war bald der Glanz und die
Herrlichkeit verschwunden; der goldenen Zeit folgte das Unglück.

Zuerst erschien 536 auf seinem Eroberungszuge nach Unteritalien Belizar,
der oströmische Feldherr, und erstürmte Neapel; sieben Jahre später führte Totila
die siegreichen Gothen hinein. Die Stadt litt entsetzlich.

In den folgenden Jahrhunderten gewann Neapel wieder seine Unabhängig-
keit und behauptete selbe unter einem gewählten Duca gegen die langobardischen
Fürsten. Erst der Normanne Roger (siehe Palermo) pflanzte nach Eroberung der
Stadt 1130 eine neue Herrschaft auf. Bald folgte jedoch auch hier die Regierung
der Hohenstaufen, von welcher Friedrich II. 1224 die Universität in Neapel
gründete. Karl I. von Anjou erhob letzteres zur Hauptstadt seines Reiches, das
indes durch den Abfall Siciliens (1282 sicilianische Vesper) geschwächt und in
der Folge durch Sittenlosigkeit im Königshause wie auch durch Kriege mit
Sicilien sehr herabsank.

So gelang es Karl VIII. von Frankreich, das Königreich Neapel binnen
wenigen Tagen zu erobern. Nach mancherlei Kämpfen fassten die Spanier 1503
hier Fuss und verwalteten Neapel, Sicilien und die Insel Sardinien bis 1713 durch

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[346/0366] Das Mittelmeerbecken. thum gepriesenen Strand. Hier weilte die letzten Jahre seines Lebens Kaiser Tiberius (Claudius Nero) und überliess sich den ärgsten Ausschweifungen und Grausamkeiten. Hier starb auch der Tyrann (37 n. Chr.) unter Mörderhand. Weltberühmt ist die an der Nord- seite der Insel liegende blaue Grotte (Grotta azzura), in der ein reizendes Naturspiel den Besucher überrascht. Die Rundsicht von der Höhe des Mte. Solare gehört zu den grossartigsten auf dem Erden- runde und lohnt durch hohen Naturgenuss weitaus die Mühen des Aufstieges. Wir erwähnten bereits der alten Griechenkolonie Kyme (Cumae), welche um 1056 v. Chr. durch Aeoter und Chalkis auf Euböa gegründet, die Pflanzstadt von Neapel werden sollte. Von hier aus scheint die griechische Niederlassung Parthenope, in der Folge Palaiapolis oder Altstadt genannt, zum Unterschiede von dem später gegründeten Neapolis oder Neustadt angelegt worden zu sein. Die Altstadt bedeckte vermuthlich die Höhe des Pizzofalcone, während Neapolis östlich vom heutigen Castel Capuano gegen den Hafen zu erbaut war. Erst als hier die Römerherrschaft 326 v. Chr. begann, hörte die Unterscheidung der beiden Städte auf, doch bewahrten sie bis in die Kaiserzeit hinein die angestammte griechische Sprache und Sitte und erfreuten sich, treu zu Rom haltend, ihrer alten freiheitlichen Verfassung. Die herrliche Lage erhob die Stadt Neapel und deren Umgebung bald zum Lieblingsaufenthalte der Grossen des Reiches, die hieher die Ueppigkeit des römischen Lebens verpflanzten. Was die Geschichte Roms während Jahrhunderten an illustren Namen aufzuweisen hat, lustwandelte am paradiesischen Strande des Golfes von Neapel. Lucullus, als Besitzer von Prachtgärten auf der Höhe von Posilipo und nächst der Altstadt, mag hier manche seiner berühmten Festlich- keiten veranstaltet haben; Augustus, Cäsar, Tiberius und Nero, Hortensius der berühmte Redner und der unvergleichliche Virgil lebten hier und wirkten jeder in der Weise seiner Art. Nach der Theilung des römischen Reiches war bald der Glanz und die Herrlichkeit verschwunden; der goldenen Zeit folgte das Unglück. Zuerst erschien 536 auf seinem Eroberungszuge nach Unteritalien Belizar, der oströmische Feldherr, und erstürmte Neapel; sieben Jahre später führte Totila die siegreichen Gothen hinein. Die Stadt litt entsetzlich. In den folgenden Jahrhunderten gewann Neapel wieder seine Unabhängig- keit und behauptete selbe unter einem gewählten Duca gegen die langobardischen Fürsten. Erst der Normanne Roger (siehe Palermo) pflanzte nach Eroberung der Stadt 1130 eine neue Herrschaft auf. Bald folgte jedoch auch hier die Regierung der Hohenstaufen, von welcher Friedrich II. 1224 die Universität in Neapel gründete. Karl I. von Anjou erhob letzteres zur Hauptstadt seines Reiches, das indes durch den Abfall Siciliens (1282 sicilianische Vesper) geschwächt und in der Folge durch Sittenlosigkeit im Königshause wie auch durch Kriege mit Sicilien sehr herabsank. So gelang es Karl VIII. von Frankreich, das Königreich Neapel binnen wenigen Tagen zu erobern. Nach mancherlei Kämpfen fassten die Spanier 1503 hier Fuss und verwalteten Neapel, Sicilien und die Insel Sardinien bis 1713 durch

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/366>, abgerufen am 24.11.2024.