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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
auch seit den ältesten Zeiten Dichter und Künstler, Schöngeister und
Philosophen, und gross ist die Zahl der Werke, deren Dasein Motiven
aus dem Bannkreise des geheimnissvollen Vesuv entstammt.

Der Vesuv ist hier das dominirende Object, wie die Erinnerung
an entfesselte Gewalten des ewig drohenden Störenfrieds fast auf-
dringlich in der alten Geschichte hervortritt.

Ohne Vesuv wäre Neapel nicht mehr Neapel, mit so tiefen
Wurzeln steckt dieser Vulcan im Charakter der Landschaft. Er ist
nicht nur der physische, sondern auch so zu sagen der geistige
Mittelpunkt des ganzen Golfes.

Der erste Blick auf Neapel sollte von der Seeseite fallen, damit
er den blühenden Strand des reichgegliederten Golfes, dessen Häfen,
Inseln, schimmernde Städte und Ortschaften zu einem einzig schönen
und grossartigem Gesammtbilde umfasse.

An der Nordwestseite des Golfes tritt die fruchtbare vulcanische
Insel Ischia mit dem 792 m hohen Mte. Epomeo, einem seit 1302
erloschenen Vulcane, als letztes Glied eines die Küste begleitenden
Inselkranzes in die See hinaus. Einst von Fremden viel besucht,
ward das blühende Eiland seit dem entsetzlichen Erdbeben, welches
am 28. Juli 1883 den lieblichen Ort Casamicciola zerstörte und
7500 Menschen unter den Trümmern begrub, einige Jahre hindurch
völlig gemieden und beginnt erst neuestens wieder die Touristenwelt
anzuziehen.

In der Lichtung zwischen Ischia und dem Festlandscap Miseno
lagern die ebenfalls vulcanischen Eilande Vivara und Procida, die
einst miteinander und wahrscheinlich auch mit Ischia zusammenhingen.
Die Tuffmassen des nur durch einen flachen Terrainstreifen mit dem
Festland verbundenen Misenohügels und der nächsten Höhen schliessen
das Gebiet der von zahlreichen vulcanischen Bildungen, den phleg-
räischen Gefilden, eingefassten Bucht von Pozzuoli ein. Man zählt
hier auf einem Flächenraum von etwa drei geographischen Quadrat-
meilen 27 erloschene Krater und Kraterseen, von welch letzteren der
gegenwärtig trockengelegte See von Agnano und der kreisrunde 65 m
tiefe See von Averna, dessen düstere Umgebung im Alterthum den
Glauben erweckte, als sei hier der Eingang in die Unterwelt zu
suchen, am meisten genannt wurden.

Die Umgebung von Pozzuoli ist der eigentliche classische Boden
Neapels, hier lagen die vielbesungenen Stätten altrömischen und alt-
griechischen Lebens, voran das malerisch am Abfalle einer Höhe auf-
gebaute Puteoli, im Alterthum die bedeutendste Hauptstadt der itali-

Das Mittelmeerbecken.
auch seit den ältesten Zeiten Dichter und Künstler, Schöngeister und
Philosophen, und gross ist die Zahl der Werke, deren Dasein Motiven
aus dem Bannkreise des geheimnissvollen Vesuv entstammt.

Der Vesuv ist hier das dominirende Object, wie die Erinnerung
an entfesselte Gewalten des ewig drohenden Störenfrieds fast auf-
dringlich in der alten Geschichte hervortritt.

Ohne Vesuv wäre Neapel nicht mehr Neapel, mit so tiefen
Wurzeln steckt dieser Vulcan im Charakter der Landschaft. Er ist
nicht nur der physische, sondern auch so zu sagen der geistige
Mittelpunkt des ganzen Golfes.

Der erste Blick auf Neapel sollte von der Seeseite fallen, damit
er den blühenden Strand des reichgegliederten Golfes, dessen Häfen,
Inseln, schimmernde Städte und Ortschaften zu einem einzig schönen
und grossartigem Gesammtbilde umfasse.

An der Nordwestseite des Golfes tritt die fruchtbare vulcanische
Insel Ischia mit dem 792 m hohen Mte. Epomeo, einem seit 1302
erloschenen Vulcane, als letztes Glied eines die Küste begleitenden
Inselkranzes in die See hinaus. Einst von Fremden viel besucht,
ward das blühende Eiland seit dem entsetzlichen Erdbeben, welches
am 28. Juli 1883 den lieblichen Ort Casamicciola zerstörte und
7500 Menschen unter den Trümmern begrub, einige Jahre hindurch
völlig gemieden und beginnt erst neuestens wieder die Touristenwelt
anzuziehen.

In der Lichtung zwischen Ischia und dem Festlandscap Miseno
lagern die ebenfalls vulcanischen Eilande Vivara und Procida, die
einst miteinander und wahrscheinlich auch mit Ischia zusammenhingen.
Die Tuffmassen des nur durch einen flachen Terrainstreifen mit dem
Festland verbundenen Misenohügels und der nächsten Höhen schliessen
das Gebiet der von zahlreichen vulcanischen Bildungen, den phleg-
räischen Gefilden, eingefassten Bucht von Pozzuoli ein. Man zählt
hier auf einem Flächenraum von etwa drei geographischen Quadrat-
meilen 27 erloschene Krater und Kraterseen, von welch letzteren der
gegenwärtig trockengelegte See von Agnano und der kreisrunde 65 m
tiefe See von Averna, dessen düstere Umgebung im Alterthum den
Glauben erweckte, als sei hier der Eingang in die Unterwelt zu
suchen, am meisten genannt wurden.

Die Umgebung von Pozzuoli ist der eigentliche classische Boden
Neapels, hier lagen die vielbesungenen Stätten altrömischen und alt-
griechischen Lebens, voran das malerisch am Abfalle einer Höhe auf-
gebaute Puteoli, im Alterthum die bedeutendste Hauptstadt der itali-

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[342/0362] Das Mittelmeerbecken. auch seit den ältesten Zeiten Dichter und Künstler, Schöngeister und Philosophen, und gross ist die Zahl der Werke, deren Dasein Motiven aus dem Bannkreise des geheimnissvollen Vesuv entstammt. Der Vesuv ist hier das dominirende Object, wie die Erinnerung an entfesselte Gewalten des ewig drohenden Störenfrieds fast auf- dringlich in der alten Geschichte hervortritt. Ohne Vesuv wäre Neapel nicht mehr Neapel, mit so tiefen Wurzeln steckt dieser Vulcan im Charakter der Landschaft. Er ist nicht nur der physische, sondern auch so zu sagen der geistige Mittelpunkt des ganzen Golfes. Der erste Blick auf Neapel sollte von der Seeseite fallen, damit er den blühenden Strand des reichgegliederten Golfes, dessen Häfen, Inseln, schimmernde Städte und Ortschaften zu einem einzig schönen und grossartigem Gesammtbilde umfasse. An der Nordwestseite des Golfes tritt die fruchtbare vulcanische Insel Ischia mit dem 792 m hohen Mte. Epomeo, einem seit 1302 erloschenen Vulcane, als letztes Glied eines die Küste begleitenden Inselkranzes in die See hinaus. Einst von Fremden viel besucht, ward das blühende Eiland seit dem entsetzlichen Erdbeben, welches am 28. Juli 1883 den lieblichen Ort Casamicciola zerstörte und 7500 Menschen unter den Trümmern begrub, einige Jahre hindurch völlig gemieden und beginnt erst neuestens wieder die Touristenwelt anzuziehen. In der Lichtung zwischen Ischia und dem Festlandscap Miseno lagern die ebenfalls vulcanischen Eilande Vivara und Procida, die einst miteinander und wahrscheinlich auch mit Ischia zusammenhingen. Die Tuffmassen des nur durch einen flachen Terrainstreifen mit dem Festland verbundenen Misenohügels und der nächsten Höhen schliessen das Gebiet der von zahlreichen vulcanischen Bildungen, den phleg- räischen Gefilden, eingefassten Bucht von Pozzuoli ein. Man zählt hier auf einem Flächenraum von etwa drei geographischen Quadrat- meilen 27 erloschene Krater und Kraterseen, von welch letzteren der gegenwärtig trockengelegte See von Agnano und der kreisrunde 65 m tiefe See von Averna, dessen düstere Umgebung im Alterthum den Glauben erweckte, als sei hier der Eingang in die Unterwelt zu suchen, am meisten genannt wurden. Die Umgebung von Pozzuoli ist der eigentliche classische Boden Neapels, hier lagen die vielbesungenen Stätten altrömischen und alt- griechischen Lebens, voran das malerisch am Abfalle einer Höhe auf- gebaute Puteoli, im Alterthum die bedeutendste Hauptstadt der itali-

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/362>, abgerufen am 24.11.2024.