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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
kommen auch grosse Quantitäten amerikanischer Waare über Marseille, endlich in
der Lieferung von Fez, in welcher Fabrication Tunis selbst eine hervorragende
Stelle einnimmt. Glaswaaren aus Haida und Gablonz halten ihren Platz
neben den theureren französischen Producten. Oesterreich-Ungarn behauptet das
Feld in Möbeln aus gebogenem Holze und in Schuhwaaren; in fertigen Kleidern
ist es der Hauptconcurrent Frankreichs. Bitterwasser aus Ungarn bildet heute
schon einen ansehnlichen Importartikel von Tunis.

Bijouterien liefert Deutschland, Gold- und Silberfäden für Stickereien
Lyon. In die Lieferung von Ultramarin muss sich Deutschland mit belgischen
und französischen Fabriken theilen und in die von Goldleisten mit Italien.

England liefert den ganzen Bedarf an Steinkohlen, den grössten Theil aller
Metall- und Eisenwaaren mit Belgien zusammen und billige Baumwollenartikel,
Italien Wein, Oel, Papier, Quincailleriewaaren, Vieh und mit Frankreich und Eng-
land zusammen Colonialwaaren, besonders Kaffee, Frankreich ausser den schon
erwähnten Artikeln Häute, Leder, Seidenwaaren, Bijouterien, Wein, Seife und
Lichter aus Marseille, auch Ziegelsteine und Röhren und lebendes Vieh.

Von anderen Ländern kommt noch Russland für Getreide und Petroleum
und Amerika in Betreff der Petroleumeinfuhr in Betracht.

Wie viel genau auf die einzelnen Länder entfällt, weiss man nicht, der
englische Consularbericht rechnet, wie das immer die Engländer thun, die Ein-
fuhr in engl. Pfund um und schätzt dieselbe

für 1887 auf 1,108.716 engl. L.
" 1888 " 1,368.187 " "

Davon entfielen in letzterem Jahre auf Frankreich 430.000 engl. L., auf
England und Malta 260.000 engl. L.; diesen folgen nach der Grösse der Einfuhr
Deutschland, Belgien, Oesterreich-Ungarn und die Schweiz.

Der Export geht hauptsächlich nach Italien, das etwa die Hälfte desselben
aufnimmt, nach Frankreich, England und Algier mit ungefähr je einem Achtel der
Gesammtausfuhr, der Rest nach Malta, Tripolis, Egypten, Türkei, Spanien und
Griechenland.

Von den Ausfuhrproducten steht in erster Reihe Olivenöl, von welchem
mehr als drei Viertel nach Frankreich, der Rest nach Italien und England gehen.
Würden auf Oliven und Olivenöl, bis sie nach Marseille kommen, nicht 40 % Lasten
ruhen, die Pflanzungen wären weit grösser. Seit 1889 producirt man viel mehr
feines Oel als früher. Noch 1887 war Weizen der wichtigste Artikel der Ausfuhr,
an ihn reihte sich Gerste. Ausgeführt wurden ferner in guten Jahren Hülsen-
früchte, Datteln nach Algier und nach Italien. Ansehnlich ist die Ausfuhr von
Esparto (Halfa), die nach England gerichtet ist, dann die von Schwämmen,
welche an der Küste südlich von Sfax 1400 Eingeborene, 500 Sicilianer und
400 Griechen beschäftigt. Eine Londoner und zwei Pariser Firmen haben in Sfax
ihre Agenten und kaufen den ganzen Ertrag auf.

Für Wolle ist der Hauptmarkt Frankreich, ein bedeutender Theil der-
selben wird von den Beduinenfrauen auf Handstühlen zu Stoffen für die Burnusse
der Nomaden, zu Decken und Teppichen verarbeitet. Diese Gewebe gehen nach
Egypten, Algier und Tripolis (Werth 1 Million Francs). Die 1611 aus Toledo
vertriebenen Moriscos haben diese Industrie ins Land gebracht.

Seit Tunis unter dem Protectorate Frankreichs steht, ist auch viel für die

Das Mittelmeerbecken.
kommen auch grosse Quantitäten amerikanischer Waare über Marseille, endlich in
der Lieferung von Fez, in welcher Fabrication Tunis selbst eine hervorragende
Stelle einnimmt. Glaswaaren aus Haida und Gablonz halten ihren Platz
neben den theureren französischen Producten. Oesterreich-Ungarn behauptet das
Feld in Möbeln aus gebogenem Holze und in Schuhwaaren; in fertigen Kleidern
ist es der Hauptconcurrent Frankreichs. Bitterwasser aus Ungarn bildet heute
schon einen ansehnlichen Importartikel von Tunis.

Bijouterien liefert Deutschland, Gold- und Silberfäden für Stickereien
Lyon. In die Lieferung von Ultramarin muss sich Deutschland mit belgischen
und französischen Fabriken theilen und in die von Goldleisten mit Italien.

England liefert den ganzen Bedarf an Steinkohlen, den grössten Theil aller
Metall- und Eisenwaaren mit Belgien zusammen und billige Baumwollenartikel,
Italien Wein, Oel, Papier, Quincailleriewaaren, Vieh und mit Frankreich und Eng-
land zusammen Colonialwaaren, besonders Kaffee, Frankreich ausser den schon
erwähnten Artikeln Häute, Leder, Seidenwaaren, Bijouterien, Wein, Seife und
Lichter aus Marseille, auch Ziegelsteine und Röhren und lebendes Vieh.

Von anderen Ländern kommt noch Russland für Getreide und Petroleum
und Amerika in Betreff der Petroleumeinfuhr in Betracht.

Wie viel genau auf die einzelnen Länder entfällt, weiss man nicht, der
englische Consularbericht rechnet, wie das immer die Engländer thun, die Ein-
fuhr in engl. Pfund um und schätzt dieselbe

für 1887 auf 1,108.716 engl. L.
„ 1888 „ 1,368.187 „ „

Davon entfielen in letzterem Jahre auf Frankreich 430.000 engl. L., auf
England und Malta 260.000 engl. L.; diesen folgen nach der Grösse der Einfuhr
Deutschland, Belgien, Oesterreich-Ungarn und die Schweiz.

Der Export geht hauptsächlich nach Italien, das etwa die Hälfte desselben
aufnimmt, nach Frankreich, England und Algier mit ungefähr je einem Achtel der
Gesammtausfuhr, der Rest nach Malta, Tripolis, Egypten, Türkei, Spanien und
Griechenland.

Von den Ausfuhrproducten steht in erster Reihe Olivenöl, von welchem
mehr als drei Viertel nach Frankreich, der Rest nach Italien und England gehen.
Würden auf Oliven und Olivenöl, bis sie nach Marseille kommen, nicht 40 % Lasten
ruhen, die Pflanzungen wären weit grösser. Seit 1889 producirt man viel mehr
feines Oel als früher. Noch 1887 war Weizen der wichtigste Artikel der Ausfuhr,
an ihn reihte sich Gerste. Ausgeführt wurden ferner in guten Jahren Hülsen-
früchte, Datteln nach Algier und nach Italien. Ansehnlich ist die Ausfuhr von
Esparto (Halfa), die nach England gerichtet ist, dann die von Schwämmen,
welche an der Küste südlich von Sfax 1400 Eingeborene, 500 Sicilianer und
400 Griechen beschäftigt. Eine Londoner und zwei Pariser Firmen haben in Sfax
ihre Agenten und kaufen den ganzen Ertrag auf.

Für Wolle ist der Hauptmarkt Frankreich, ein bedeutender Theil der-
selben wird von den Beduinenfrauen auf Handstühlen zu Stoffen für die Burnusse
der Nomaden, zu Decken und Teppichen verarbeitet. Diese Gewebe gehen nach
Egypten, Algier und Tripolis (Werth 1 Million Francs). Die 1611 aus Toledo
vertriebenen Moriscos haben diese Industrie ins Land gebracht.

Seit Tunis unter dem Protectorate Frankreichs steht, ist auch viel für die

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[308/0328] Das Mittelmeerbecken. kommen auch grosse Quantitäten amerikanischer Waare über Marseille, endlich in der Lieferung von Fez, in welcher Fabrication Tunis selbst eine hervorragende Stelle einnimmt. Glaswaaren aus Haida und Gablonz halten ihren Platz neben den theureren französischen Producten. Oesterreich-Ungarn behauptet das Feld in Möbeln aus gebogenem Holze und in Schuhwaaren; in fertigen Kleidern ist es der Hauptconcurrent Frankreichs. Bitterwasser aus Ungarn bildet heute schon einen ansehnlichen Importartikel von Tunis. Bijouterien liefert Deutschland, Gold- und Silberfäden für Stickereien Lyon. In die Lieferung von Ultramarin muss sich Deutschland mit belgischen und französischen Fabriken theilen und in die von Goldleisten mit Italien. England liefert den ganzen Bedarf an Steinkohlen, den grössten Theil aller Metall- und Eisenwaaren mit Belgien zusammen und billige Baumwollenartikel, Italien Wein, Oel, Papier, Quincailleriewaaren, Vieh und mit Frankreich und Eng- land zusammen Colonialwaaren, besonders Kaffee, Frankreich ausser den schon erwähnten Artikeln Häute, Leder, Seidenwaaren, Bijouterien, Wein, Seife und Lichter aus Marseille, auch Ziegelsteine und Röhren und lebendes Vieh. Von anderen Ländern kommt noch Russland für Getreide und Petroleum und Amerika in Betreff der Petroleumeinfuhr in Betracht. Wie viel genau auf die einzelnen Länder entfällt, weiss man nicht, der englische Consularbericht rechnet, wie das immer die Engländer thun, die Ein- fuhr in engl. Pfund um und schätzt dieselbe für 1887 auf 1,108.716 engl. L. „ 1888 „ 1,368.187 „ „ Davon entfielen in letzterem Jahre auf Frankreich 430.000 engl. L., auf England und Malta 260.000 engl. L.; diesen folgen nach der Grösse der Einfuhr Deutschland, Belgien, Oesterreich-Ungarn und die Schweiz. Der Export geht hauptsächlich nach Italien, das etwa die Hälfte desselben aufnimmt, nach Frankreich, England und Algier mit ungefähr je einem Achtel der Gesammtausfuhr, der Rest nach Malta, Tripolis, Egypten, Türkei, Spanien und Griechenland. Von den Ausfuhrproducten steht in erster Reihe Olivenöl, von welchem mehr als drei Viertel nach Frankreich, der Rest nach Italien und England gehen. Würden auf Oliven und Olivenöl, bis sie nach Marseille kommen, nicht 40 % Lasten ruhen, die Pflanzungen wären weit grösser. Seit 1889 producirt man viel mehr feines Oel als früher. Noch 1887 war Weizen der wichtigste Artikel der Ausfuhr, an ihn reihte sich Gerste. Ausgeführt wurden ferner in guten Jahren Hülsen- früchte, Datteln nach Algier und nach Italien. Ansehnlich ist die Ausfuhr von Esparto (Halfa), die nach England gerichtet ist, dann die von Schwämmen, welche an der Küste südlich von Sfax 1400 Eingeborene, 500 Sicilianer und 400 Griechen beschäftigt. Eine Londoner und zwei Pariser Firmen haben in Sfax ihre Agenten und kaufen den ganzen Ertrag auf. Für Wolle ist der Hauptmarkt Frankreich, ein bedeutender Theil der- selben wird von den Beduinenfrauen auf Handstühlen zu Stoffen für die Burnusse der Nomaden, zu Decken und Teppichen verarbeitet. Diese Gewebe gehen nach Egypten, Algier und Tripolis (Werth 1 Million Francs). Die 1611 aus Toledo vertriebenen Moriscos haben diese Industrie ins Land gebracht. Seit Tunis unter dem Protectorate Frankreichs steht, ist auch viel für die

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/328>, abgerufen am 24.11.2024.