wo überhaupt eine grosse Bewegung herrscht, malerisch entwickelt. Dort sieht man reich beladene Kameel-Karawanen bedächtigen Schrittes anlangen oder rasten. Sie bringen die prächtigen Bodenproducte der fruchtbaren Thäler von Cap Bon, Soliman und Hammamet, Töpfer- waaren aus Naboul, Bausteine aus den werthvollen Brüchen von Kedel, die geschätzten Weine von Batic, Birkassa und aus dem Thale von Mornag, sowie andere Erzeugnisse der Hausindustrie. Der Segen eines prächtigen milden Klimas liegt über Stadt und Land und ein schöner blauer Himmel wölbt gnädig sich darüber. Um zu Kraft und Reich- thum zu gelangen, fehlen dem Lande nur zwei Dinge: Menschen und Wasser. Beide waren vorhanden, wurden aber verwüstet.
Gegenwärtig wird die Stadt durch die restaurirte alte carthagische Wasserleitung mit Trinkwasser versorgt. Derselbe Aquäduct speist auch Goletta und La Marsa. Die Leitung hat von Monte Zaguan bis Tunis eine Länge von 102 km und nach Goletta 124 km. Eine Besonder- heit von Tunis sind die Häuserterrassen, welche eine zweite, sozusagen obere Stadt bilden und eigene Communicationen besitzen. Auf kühlen Plätzchen regt sich dort nach des Tages Arbeit und Hitze das geheim- nissvolle Nachtleben der Stadt.
Fesselnd und eines Besuches werth ist das Judenquartier, das eine grosse Synagoge in der Zarkun-Strasse besitzt, welche letztere besonders am Sabbath-Nachmittage ein höchst lebhaft bewegtes Bild darbietet. An und für sich durch hübsche Gesichtszüge ausge- zeichnet, erscheint die junge jüdische Frauenwelt hier in eigenthüm- lichen, meist hellfarbigen und werthvollen Costumen auf der Strasse. Die Tracht der Jüdinnen ist fürwahr reizend und verführerisch; seidene Höschen, hübsche Stiefletten, kurze Blousen mit gestickten Tulleärmeln, am Haupte ein spitzes geziertes Bonnet, das Alles in lebhaften Farben gehalten und vom Temperament der Trägerin bewegt, steht den jugendlichen Gestalten prächtig.
Unter den Moscheen von Tunis ist die Djama ez Zituna (Oliven- Moschee), in Medina gelegen, die grösste. Durch eine schöne Colonnade ausgezeichnet, enthält sie die Gräber der Beys.
Im Westen der Stadt führt eine schöne Fahrstrasse aus dem Thore Bab-el-Khadra nach Bardo (3 km), einem weiten Gebäude- complex mit dem Palais des Beys. Reizender als dieses Gebäude ist das nächstgelegene Palais Kassar Said, inmitten herrlicher Gärten und Orangerien gelegen, die tausende edelster Orangenbäume auf einer Fläche von mehreren Hektaren enthalten. Auf derselben Strasse erreicht man nach weiteren 6 km die schöne Villenstadt La Manuba, einen
Das Mittelmeerbecken.
wo überhaupt eine grosse Bewegung herrscht, malerisch entwickelt. Dort sieht man reich beladene Kameel-Karawanen bedächtigen Schrittes anlangen oder rasten. Sie bringen die prächtigen Bodenproducte der fruchtbaren Thäler von Cap Bon, Soliman und Hammamet, Töpfer- waaren aus Naboul, Bausteine aus den werthvollen Brüchen von Kedel, die geschätzten Weine von Batic, Birkassa und aus dem Thale von Mornag, sowie andere Erzeugnisse der Hausindustrie. Der Segen eines prächtigen milden Klimas liegt über Stadt und Land und ein schöner blauer Himmel wölbt gnädig sich darüber. Um zu Kraft und Reich- thum zu gelangen, fehlen dem Lande nur zwei Dinge: Menschen und Wasser. Beide waren vorhanden, wurden aber verwüstet.
Gegenwärtig wird die Stadt durch die restaurirte alte carthagische Wasserleitung mit Trinkwasser versorgt. Derselbe Aquäduct speist auch Goletta und La Marsa. Die Leitung hat von Monte Zaguan bis Tunis eine Länge von 102 km und nach Goletta 124 km. Eine Besonder- heit von Tunis sind die Häuserterrassen, welche eine zweite, sozusagen obere Stadt bilden und eigene Communicationen besitzen. Auf kühlen Plätzchen regt sich dort nach des Tages Arbeit und Hitze das geheim- nissvolle Nachtleben der Stadt.
Fesselnd und eines Besuches werth ist das Judenquartier, das eine grosse Synagoge in der Zarkun-Strasse besitzt, welche letztere besonders am Sabbath-Nachmittage ein höchst lebhaft bewegtes Bild darbietet. An und für sich durch hübsche Gesichtszüge ausge- zeichnet, erscheint die junge jüdische Frauenwelt hier in eigenthüm- lichen, meist hellfarbigen und werthvollen Costumen auf der Strasse. Die Tracht der Jüdinnen ist fürwahr reizend und verführerisch; seidene Höschen, hübsche Stiefletten, kurze Blousen mit gestickten Tulleärmeln, am Haupte ein spitzes geziertes Bonnet, das Alles in lebhaften Farben gehalten und vom Temperament der Trägerin bewegt, steht den jugendlichen Gestalten prächtig.
Unter den Moscheen von Tunis ist die Djama ez Zituna (Oliven- Moschee), in Medina gelegen, die grösste. Durch eine schöne Colonnade ausgezeichnet, enthält sie die Gräber der Beys.
Im Westen der Stadt führt eine schöne Fahrstrasse aus dem Thore Bab-el-Khadra nach Bardo (3 km), einem weiten Gebäude- complex mit dem Palais des Beys. Reizender als dieses Gebäude ist das nächstgelegene Palais Kassar Said, inmitten herrlicher Gärten und Orangerien gelegen, die tausende edelster Orangenbäume auf einer Fläche von mehreren Hektaren enthalten. Auf derselben Strasse erreicht man nach weiteren 6 km die schöne Villenstadt La Manuba, einen
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Das Mittelmeerbecken.
wo überhaupt eine grosse Bewegung herrscht, malerisch entwickelt.
Dort sieht man reich beladene Kameel-Karawanen bedächtigen Schrittes
anlangen oder rasten. Sie bringen die prächtigen Bodenproducte der
fruchtbaren Thäler von Cap Bon, Soliman und Hammamet, Töpfer-
waaren aus Naboul, Bausteine aus den werthvollen Brüchen von Kedel,
die geschätzten Weine von Batic, Birkassa und aus dem Thale von
Mornag, sowie andere Erzeugnisse der Hausindustrie. Der Segen eines
prächtigen milden Klimas liegt über Stadt und Land und ein schöner
blauer Himmel wölbt gnädig sich darüber. Um zu Kraft und Reich-
thum zu gelangen, fehlen dem Lande nur zwei Dinge: Menschen und
Wasser. Beide waren vorhanden, wurden aber verwüstet.
Gegenwärtig wird die Stadt durch die restaurirte alte carthagische
Wasserleitung mit Trinkwasser versorgt. Derselbe Aquäduct speist
auch Goletta und La Marsa. Die Leitung hat von Monte Zaguan bis
Tunis eine Länge von 102 km und nach Goletta 124 km. Eine Besonder-
heit von Tunis sind die Häuserterrassen, welche eine zweite, sozusagen
obere Stadt bilden und eigene Communicationen besitzen. Auf kühlen
Plätzchen regt sich dort nach des Tages Arbeit und Hitze das geheim-
nissvolle Nachtleben der Stadt.
Fesselnd und eines Besuches werth ist das Judenquartier, das
eine grosse Synagoge in der Zarkun-Strasse besitzt, welche letztere
besonders am Sabbath-Nachmittage ein höchst lebhaft bewegtes
Bild darbietet. An und für sich durch hübsche Gesichtszüge ausge-
zeichnet, erscheint die junge jüdische Frauenwelt hier in eigenthüm-
lichen, meist hellfarbigen und werthvollen Costumen auf der Strasse.
Die Tracht der Jüdinnen ist fürwahr reizend und verführerisch; seidene
Höschen, hübsche Stiefletten, kurze Blousen mit gestickten Tulleärmeln,
am Haupte ein spitzes geziertes Bonnet, das Alles in lebhaften Farben
gehalten und vom Temperament der Trägerin bewegt, steht den
jugendlichen Gestalten prächtig.
Unter den Moscheen von Tunis ist die Djama ez Zituna (Oliven-
Moschee), in Medina gelegen, die grösste. Durch eine schöne Colonnade
ausgezeichnet, enthält sie die Gräber der Beys.
Im Westen der Stadt führt eine schöne Fahrstrasse aus dem
Thore Bab-el-Khadra nach Bardo (3 km), einem weiten Gebäude-
complex mit dem Palais des Beys. Reizender als dieses Gebäude ist
das nächstgelegene Palais Kassar Said, inmitten herrlicher Gärten und
Orangerien gelegen, die tausende edelster Orangenbäume auf einer
Fläche von mehreren Hektaren enthalten. Auf derselben Strasse erreicht
man nach weiteren 6 km die schöne Villenstadt La Manuba, einen
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/322>, abgerufen am 24.11.2024.
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