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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Tunis.
Tunis, er handhabt die Rechte Frankreichs, ist den Truppen- und Seecommandanten
vorgesetzt und entscheidet in allen die Europäer betreffenden Angelegenheiten.
Desgleichen werden die Finanzen, das Post-, Schul- und Bauwesen durch fran-
zösische Beamte verwaltet. Von Frankreich bestellte Gerichte sind ein Tribunal
erster Instanz, abhängig vom Appellhof in Algier, und sechs Friedensgerichte.

Die von den Franzosen sehr geschickt durchgeführte unblutige Annexion
dieses werthvollen Theiles von Nord-Afrika liess aber einen Stachel im Herzen
Italiens zurück, weil eben dieses Reich durch die grosse Auswanderung, die sich
seit Jahren in Tunis niedergelassen, Ansprüche "ersessen" zu haben glaubte.

Das Gebiet von Tunis umfasst eine Fläche von 116.000 km2 und
zählt ungefähr 2,000.000 Einwohner, von welchen, nach Charles
Lallemand (Tunis et ses environs 1890), 1·2 Millionen Mauren und
Araber, 700.000 Berber, 50.000 Juden und 50.000 Europäer sind.

Wie unser Plan zeigt, lagert die Stadt Tunis auf einer Landenge,
welche die beiden Seen Bahira und Sebkha el Sedjoumi von einander
scheidet. Der letztgenannte pflegt im Sommer auszutrocknen.

Den höchsten Punkt der Stadt nimmt die alte, aus der Zeit
Karl V. stammende, gegenwärtig im Umbau begriffene Citadelle Kasbah
ein; sie bildet das Centralwerk einer Linie von Forts, welche sämmtlich
auf Hügeln erbaut die Stadt umgeben und die vorbeiführende Eisenbahn
bestreichen. Das die Stadt beherrschende Fort Ben Hassan ist das
südlichste derselben. Fort des Andalouses im Westen flog 1887 in
die Luft, wird aber wieder hergestellt werden.

Innerhalb der starken Umfassungsmauern, durch welche viele gut
vertheidigte Thore führen, unterscheidet man drei Quartiere, und zwar
im Norden Bab as Suika, im Centrum La Medina und im Süden Bab
al Dschazira. Die Frankenstadt entstand am Bahira-See. Dort liegt
in der breiten Romstrasse der Bahnhof. Die Avenue de France führt
zum Thor Bab-el-Bahar und die mit schönen Alleen gezierte Avenue
de la Marine, die besuchteste Promenade der Stadt, geleitet uns zum
Zollamte und zur Landungsstelle der nach Goletta verkehrenden Fahr-
zeuge. An der Marina-Allee liegen die Kathedrale und ihr gegenüber
das Palais der französischen Residentschaft. Tunis ist eine Stadt voll
orientalischen Lebens, reich an Farbe und Reiz.

Von grossem Interesse ist auch hier der Besuch des Bazars, der
im Viertel Medina liegt, aber eine Stadt für sich bildet, in der für die
einzelnen Waarengattungen besondere Abtheilungen "Zugs" (französisch
Souks) bestehen. Schöne Stoffe, Teppiche, Geschmeide, Parfums,
Blumen, besonders herrlich im Winter, dann Früchte und Gemüse
fesseln hier den Beschauer.

Das Volks- und Karawanentreiben ist zumeist an den Thoren,

Tunis.
Tunis, er handhabt die Rechte Frankreichs, ist den Truppen- und Seecommandanten
vorgesetzt und entscheidet in allen die Europäer betreffenden Angelegenheiten.
Desgleichen werden die Finanzen, das Post-, Schul- und Bauwesen durch fran-
zösische Beamte verwaltet. Von Frankreich bestellte Gerichte sind ein Tribunal
erster Instanz, abhängig vom Appellhof in Algier, und sechs Friedensgerichte.

Die von den Franzosen sehr geschickt durchgeführte unblutige Annexion
dieses werthvollen Theiles von Nord-Afrika liess aber einen Stachel im Herzen
Italiens zurück, weil eben dieses Reich durch die grosse Auswanderung, die sich
seit Jahren in Tunis niedergelassen, Ansprüche „ersessen“ zu haben glaubte.

Das Gebiet von Tunis umfasst eine Fläche von 116.000 km2 und
zählt ungefähr 2,000.000 Einwohner, von welchen, nach Charles
Lallemand (Tunis et ses environs 1890), 1·2 Millionen Mauren und
Araber, 700.000 Berber, 50.000 Juden und 50.000 Europäer sind.

Wie unser Plan zeigt, lagert die Stadt Tunis auf einer Landenge,
welche die beiden Seen Bahira und Sebkha el Sedjoumi von einander
scheidet. Der letztgenannte pflegt im Sommer auszutrocknen.

Den höchsten Punkt der Stadt nimmt die alte, aus der Zeit
Karl V. stammende, gegenwärtig im Umbau begriffene Citadelle Kasbah
ein; sie bildet das Centralwerk einer Linie von Forts, welche sämmtlich
auf Hügeln erbaut die Stadt umgeben und die vorbeiführende Eisenbahn
bestreichen. Das die Stadt beherrschende Fort Ben Hassan ist das
südlichste derselben. Fort des Andalouses im Westen flog 1887 in
die Luft, wird aber wieder hergestellt werden.

Innerhalb der starken Umfassungsmauern, durch welche viele gut
vertheidigte Thore führen, unterscheidet man drei Quartiere, und zwar
im Norden Bab as Suïka, im Centrum La Medina und im Süden Bab
al Dschazira. Die Frankenstadt entstand am Bahira-See. Dort liegt
in der breiten Romstrasse der Bahnhof. Die Avenue de France führt
zum Thor Bab-el-Bahar und die mit schönen Alleen gezierte Avenue
de la Marine, die besuchteste Promenade der Stadt, geleitet uns zum
Zollamte und zur Landungsstelle der nach Goletta verkehrenden Fahr-
zeuge. An der Marina-Allee liegen die Kathedrale und ihr gegenüber
das Palais der französischen Residentschaft. Tunis ist eine Stadt voll
orientalischen Lebens, reich an Farbe und Reiz.

Von grossem Interesse ist auch hier der Besuch des Bazars, der
im Viertel Medina liegt, aber eine Stadt für sich bildet, in der für die
einzelnen Waarengattungen besondere Abtheilungen „Zugs“ (französisch
Souks) bestehen. Schöne Stoffe, Teppiche, Geschmeide, Parfums,
Blumen, besonders herrlich im Winter, dann Früchte und Gemüse
fesseln hier den Beschauer.

Das Volks- und Karawanentreiben ist zumeist an den Thoren,

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[301/0321] Tunis. Tunis, er handhabt die Rechte Frankreichs, ist den Truppen- und Seecommandanten vorgesetzt und entscheidet in allen die Europäer betreffenden Angelegenheiten. Desgleichen werden die Finanzen, das Post-, Schul- und Bauwesen durch fran- zösische Beamte verwaltet. Von Frankreich bestellte Gerichte sind ein Tribunal erster Instanz, abhängig vom Appellhof in Algier, und sechs Friedensgerichte. Die von den Franzosen sehr geschickt durchgeführte unblutige Annexion dieses werthvollen Theiles von Nord-Afrika liess aber einen Stachel im Herzen Italiens zurück, weil eben dieses Reich durch die grosse Auswanderung, die sich seit Jahren in Tunis niedergelassen, Ansprüche „ersessen“ zu haben glaubte. Das Gebiet von Tunis umfasst eine Fläche von 116.000 km2 und zählt ungefähr 2,000.000 Einwohner, von welchen, nach Charles Lallemand (Tunis et ses environs 1890), 1·2 Millionen Mauren und Araber, 700.000 Berber, 50.000 Juden und 50.000 Europäer sind. Wie unser Plan zeigt, lagert die Stadt Tunis auf einer Landenge, welche die beiden Seen Bahira und Sebkha el Sedjoumi von einander scheidet. Der letztgenannte pflegt im Sommer auszutrocknen. Den höchsten Punkt der Stadt nimmt die alte, aus der Zeit Karl V. stammende, gegenwärtig im Umbau begriffene Citadelle Kasbah ein; sie bildet das Centralwerk einer Linie von Forts, welche sämmtlich auf Hügeln erbaut die Stadt umgeben und die vorbeiführende Eisenbahn bestreichen. Das die Stadt beherrschende Fort Ben Hassan ist das südlichste derselben. Fort des Andalouses im Westen flog 1887 in die Luft, wird aber wieder hergestellt werden. Innerhalb der starken Umfassungsmauern, durch welche viele gut vertheidigte Thore führen, unterscheidet man drei Quartiere, und zwar im Norden Bab as Suïka, im Centrum La Medina und im Süden Bab al Dschazira. Die Frankenstadt entstand am Bahira-See. Dort liegt in der breiten Romstrasse der Bahnhof. Die Avenue de France führt zum Thor Bab-el-Bahar und die mit schönen Alleen gezierte Avenue de la Marine, die besuchteste Promenade der Stadt, geleitet uns zum Zollamte und zur Landungsstelle der nach Goletta verkehrenden Fahr- zeuge. An der Marina-Allee liegen die Kathedrale und ihr gegenüber das Palais der französischen Residentschaft. Tunis ist eine Stadt voll orientalischen Lebens, reich an Farbe und Reiz. Von grossem Interesse ist auch hier der Besuch des Bazars, der im Viertel Medina liegt, aber eine Stadt für sich bildet, in der für die einzelnen Waarengattungen besondere Abtheilungen „Zugs“ (französisch Souks) bestehen. Schöne Stoffe, Teppiche, Geschmeide, Parfums, Blumen, besonders herrlich im Winter, dann Früchte und Gemüse fesseln hier den Beschauer. Das Volks- und Karawanentreiben ist zumeist an den Thoren,

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/321>, abgerufen am 24.11.2024.