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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Beirut.

"Jetzt hatten wir die Passhöhe erreicht und befanden uns
1780 m über der Meeresfläche. Von hier überblickten wir den zurück-
gelegten Weg. Nach einer starken Wendung zwischen schön geformten
Felsen entrollte sich unserem erstaunten Blick ein neues wunderbares
Bild. Zu unseren Füssen liegt das fruchtbare breite Thal der Bekaa,
begrenzt von den Gebirgszügen des Anti-Libanon, überragt von der
grandiosen Gebirgsmasse des schneebedeckten Hermon. Zwischen nie-
deren Gebüschen, kleinen Laubwäldern rollen wir den grünen Fluren
des Thales entgegen, welches uns in dieser Steinwüste wie eine Oase er-
scheint und das wir um 5 Uhr Nachmittags erreichen. Die Zelte, welche
uns zum Nachtlager dienen sollten, waren schon aufgeschlagen. Nun ver-
liessen wir nach vielen Stunden die Wagen und begaben uns in das Lager.

"Wir hofften, uns in den Zelten erholen zu können, fanden
aber darin die Temperatur so hoch, dass wir es vorzogen, im Freien
zu verweilen. Mein Zeichenbuch war rasch zur Hand. Im Schatten
eines Zeltes mich bequem einrichtend, begann ich die malerischen
Punkte der schönen Gegend aufzunehmen. Eingeschlossen zwischen
den in prächtigsten Farbentönen prangenden Felswänden der mäch-
tigen Gebirgszüge, die in die tiefe Bläue des Himmels hineinleuchten,
bot die mit dem saftigen Grün frisch keimender Saat geschmückte
Ebene ein eigenartiges, überaus fesselndes Bild dar.

"Die Herren benützten den schönen Abend, um eine Streifung
in die nächste Nähe zu machen, wobei Rudolf einen Geier erlegte.
Wir Damen unterhielten uns während dieser Zeit, dem Treiben um
unsere Zelte zuzusehen; von den umliegenden Ortschaften hatten sich
einige Araber mit ihren Familien angesammelt. Wir fühlten uns voll-
kommen sicher, da unsere Escorte, die Tscherkessen, welche zur
Wache aufgestellt waren, uns vor jeder Zudringlichkeit schützten. Es
sind meist hohe schöne Männergestalten, vollkommen bewaffnet; zum
grossen Theile stammen diese Leute, die in Syrien sich angesiedelt
haben, aus der Dobrudscha und aus Bulgarien.

"Sobald die Sonne hinter den Bergen im Westen verschwunden
war, tauchten die Reflexe ihrer Strahlen die Bergspitzen in so dunkles
Roth, wie ich es bei dem Alpenglühen in unseren Heimatsgegenden
nie so intensiv gesehen hatte. Die Dämmerung und die rasch zuneh-
mende Kühle zwangen uns, den Schutz der gut eingerichteten Zelte
aufzusuchen, in welchen wir bald das Diner einnahmen, wobei es sehr
lustig zuging. Die Zusammenstellung des Menu war für die dortigen
Verhältnisse und die grosse Entfernung von jeder Stadt ganz bewun-
derungswürdig. Howard hatte das Unglaublichste geleistet. Wir liessen

Beirut.

„Jetzt hatten wir die Passhöhe erreicht und befanden uns
1780 m über der Meeresfläche. Von hier überblickten wir den zurück-
gelegten Weg. Nach einer starken Wendung zwischen schön geformten
Felsen entrollte sich unserem erstaunten Blick ein neues wunderbares
Bild. Zu unseren Füssen liegt das fruchtbare breite Thal der Bekaa,
begrenzt von den Gebirgszügen des Anti-Libanon, überragt von der
grandiosen Gebirgsmasse des schneebedeckten Hermon. Zwischen nie-
deren Gebüschen, kleinen Laubwäldern rollen wir den grünen Fluren
des Thales entgegen, welches uns in dieser Steinwüste wie eine Oase er-
scheint und das wir um 5 Uhr Nachmittags erreichen. Die Zelte, welche
uns zum Nachtlager dienen sollten, waren schon aufgeschlagen. Nun ver-
liessen wir nach vielen Stunden die Wagen und begaben uns in das Lager.

„Wir hofften, uns in den Zelten erholen zu können, fanden
aber darin die Temperatur so hoch, dass wir es vorzogen, im Freien
zu verweilen. Mein Zeichenbuch war rasch zur Hand. Im Schatten
eines Zeltes mich bequem einrichtend, begann ich die malerischen
Punkte der schönen Gegend aufzunehmen. Eingeschlossen zwischen
den in prächtigsten Farbentönen prangenden Felswänden der mäch-
tigen Gebirgszüge, die in die tiefe Bläue des Himmels hineinleuchten,
bot die mit dem saftigen Grün frisch keimender Saat geschmückte
Ebene ein eigenartiges, überaus fesselndes Bild dar.

„Die Herren benützten den schönen Abend, um eine Streifung
in die nächste Nähe zu machen, wobei Rudolf einen Geier erlegte.
Wir Damen unterhielten uns während dieser Zeit, dem Treiben um
unsere Zelte zuzusehen; von den umliegenden Ortschaften hatten sich
einige Araber mit ihren Familien angesammelt. Wir fühlten uns voll-
kommen sicher, da unsere Escorte, die Tscherkessen, welche zur
Wache aufgestellt waren, uns vor jeder Zudringlichkeit schützten. Es
sind meist hohe schöne Männergestalten, vollkommen bewaffnet; zum
grossen Theile stammen diese Leute, die in Syrien sich angesiedelt
haben, aus der Dobrudscha und aus Bulgarien.

„Sobald die Sonne hinter den Bergen im Westen verschwunden
war, tauchten die Reflexe ihrer Strahlen die Bergspitzen in so dunkles
Roth, wie ich es bei dem Alpenglühen in unseren Heimatsgegenden
nie so intensiv gesehen hatte. Die Dämmerung und die rasch zuneh-
mende Kühle zwangen uns, den Schutz der gut eingerichteten Zelte
aufzusuchen, in welchen wir bald das Diner einnahmen, wobei es sehr
lustig zuging. Die Zusammenstellung des Menu war für die dortigen
Verhältnisse und die grosse Entfernung von jeder Stadt ganz bewun-
derungswürdig. Howard hatte das Unglaublichste geleistet. Wir liessen

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[237/0257] Beirut. „Jetzt hatten wir die Passhöhe erreicht und befanden uns 1780 m über der Meeresfläche. Von hier überblickten wir den zurück- gelegten Weg. Nach einer starken Wendung zwischen schön geformten Felsen entrollte sich unserem erstaunten Blick ein neues wunderbares Bild. Zu unseren Füssen liegt das fruchtbare breite Thal der Bekaa, begrenzt von den Gebirgszügen des Anti-Libanon, überragt von der grandiosen Gebirgsmasse des schneebedeckten Hermon. Zwischen nie- deren Gebüschen, kleinen Laubwäldern rollen wir den grünen Fluren des Thales entgegen, welches uns in dieser Steinwüste wie eine Oase er- scheint und das wir um 5 Uhr Nachmittags erreichen. Die Zelte, welche uns zum Nachtlager dienen sollten, waren schon aufgeschlagen. Nun ver- liessen wir nach vielen Stunden die Wagen und begaben uns in das Lager. „Wir hofften, uns in den Zelten erholen zu können, fanden aber darin die Temperatur so hoch, dass wir es vorzogen, im Freien zu verweilen. Mein Zeichenbuch war rasch zur Hand. Im Schatten eines Zeltes mich bequem einrichtend, begann ich die malerischen Punkte der schönen Gegend aufzunehmen. Eingeschlossen zwischen den in prächtigsten Farbentönen prangenden Felswänden der mäch- tigen Gebirgszüge, die in die tiefe Bläue des Himmels hineinleuchten, bot die mit dem saftigen Grün frisch keimender Saat geschmückte Ebene ein eigenartiges, überaus fesselndes Bild dar. „Die Herren benützten den schönen Abend, um eine Streifung in die nächste Nähe zu machen, wobei Rudolf einen Geier erlegte. Wir Damen unterhielten uns während dieser Zeit, dem Treiben um unsere Zelte zuzusehen; von den umliegenden Ortschaften hatten sich einige Araber mit ihren Familien angesammelt. Wir fühlten uns voll- kommen sicher, da unsere Escorte, die Tscherkessen, welche zur Wache aufgestellt waren, uns vor jeder Zudringlichkeit schützten. Es sind meist hohe schöne Männergestalten, vollkommen bewaffnet; zum grossen Theile stammen diese Leute, die in Syrien sich angesiedelt haben, aus der Dobrudscha und aus Bulgarien. „Sobald die Sonne hinter den Bergen im Westen verschwunden war, tauchten die Reflexe ihrer Strahlen die Bergspitzen in so dunkles Roth, wie ich es bei dem Alpenglühen in unseren Heimatsgegenden nie so intensiv gesehen hatte. Die Dämmerung und die rasch zuneh- mende Kühle zwangen uns, den Schutz der gut eingerichteten Zelte aufzusuchen, in welchen wir bald das Diner einnahmen, wobei es sehr lustig zuging. Die Zusammenstellung des Menu war für die dortigen Verhältnisse und die grosse Entfernung von jeder Stadt ganz bewun- derungswürdig. Howard hatte das Unglaublichste geleistet. Wir liessen

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/257>, abgerufen am 22.11.2024.