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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.


Nicht bloss die Länder und Staaten, auch die Meere haben ihre
Geschichte. Und wie es bevorzugte Festlandsräume gibt, denen
sozusagen eine providentielle Mission für die Entwicklung der
Menschheit zutheil geworden ist, so kann man auch von ge-
wissen Meeren sagen, dass sie auserwählt worden sind, die
Gesittung der Menschen zu wecken, zu erhöhen, zu stützen, von
Anbeginn der geschichtlichen Ueberlieferung durch alle Wechselfälle
der Zeiten, bis zum gegenwärtigen Augenblicke und wohl auch in
alle Zukunft. Jener Meerestheil nun, dem im vorderster Reihe der
Name eines Culturmeeres, einer Wiege des Völkerverkehres, eines
Trägers geschichtlicher Erinnerungen, eines Werthbesitzes der Gegen-
wart, eines Menschheitserbes der Zukunft gebührt, ist das Mittelmeer,
die markanteste Individualität unter allen Salzwasserräumen mit der
feinst ausgearbeiteten und verständlichsten aller Physiognomien.

Unwillkürlich reproduciren wir mit der Vorstellung dieses
Meeres, seiner Buchten, Strassen und fein gegliederten Festlands-
küsten die Vorstellung seiner Hinterländer. Allmälig tritt das Natur-
bild immer mehr in den Hintergrund, wird zum Schauplatze stre-
bender Menschen, zum Cultur- und Geschichtsbilde.

Die Geschichte des Mittelmeeres beginnt mit den nautischen
Thatversuchen der Phönikier. Wie dieses hamito-semitische Volk
selbst auf dem Landwege an die seewärts gekehrten Abhänge des
cedernreichen Libanon gelangt war, so fand es die Küsten des Mittel-
meeres -- die Festlandsinseln mit eingerechnet -- gleichfalls schon

Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 1

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Das Mittelmeerbecken.


Nicht bloss die Länder und Staaten, auch die Meere haben ihre
Geschichte. Und wie es bevorzugte Festlandsräume gibt, denen
sozusagen eine providentielle Mission für die Entwicklung der
Menschheit zutheil geworden ist, so kann man auch von ge-
wissen Meeren sagen, dass sie auserwählt worden sind, die
Gesittung der Menschen zu wecken, zu erhöhen, zu stützen, von
Anbeginn der geschichtlichen Ueberlieferung durch alle Wechselfälle
der Zeiten, bis zum gegenwärtigen Augenblicke und wohl auch in
alle Zukunft. Jener Meerestheil nun, dem im vorderster Reihe der
Name eines Culturmeeres, einer Wiege des Völkerverkehres, eines
Trägers geschichtlicher Erinnerungen, eines Werthbesitzes der Gegen-
wart, eines Menschheitserbes der Zukunft gebührt, ist das Mittelmeer,
die markanteste Individualität unter allen Salzwasserräumen mit der
feinst ausgearbeiteten und verständlichsten aller Physiognomien.

Unwillkürlich reproduciren wir mit der Vorstellung dieses
Meeres, seiner Buchten, Strassen und fein gegliederten Festlands-
küsten die Vorstellung seiner Hinterländer. Allmälig tritt das Natur-
bild immer mehr in den Hintergrund, wird zum Schauplatze stre-
bender Menschen, zum Cultur- und Geschichtsbilde.

Die Geschichte des Mittelmeeres beginnt mit den nautischen
Thatversuchen der Phönikier. Wie dieses hamito-semitische Volk
selbst auf dem Landwege an die seewärts gekehrten Abhänge des
cedernreichen Libanon gelangt war, so fand es die Küsten des Mittel-
meeres — die Festlandsinseln mit eingerechnet — gleichfalls schon

Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 1
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[[1]/0021] [Abbildung] Das Mittelmeerbecken. Nicht bloss die Länder und Staaten, auch die Meere haben ihre Geschichte. Und wie es bevorzugte Festlandsräume gibt, denen sozusagen eine providentielle Mission für die Entwicklung der Menschheit zutheil geworden ist, so kann man auch von ge- wissen Meeren sagen, dass sie auserwählt worden sind, die Gesittung der Menschen zu wecken, zu erhöhen, zu stützen, von Anbeginn der geschichtlichen Ueberlieferung durch alle Wechselfälle der Zeiten, bis zum gegenwärtigen Augenblicke und wohl auch in alle Zukunft. Jener Meerestheil nun, dem im vorderster Reihe der Name eines Culturmeeres, einer Wiege des Völkerverkehres, eines Trägers geschichtlicher Erinnerungen, eines Werthbesitzes der Gegen- wart, eines Menschheitserbes der Zukunft gebührt, ist das Mittelmeer, die markanteste Individualität unter allen Salzwasserräumen mit der feinst ausgearbeiteten und verständlichsten aller Physiognomien. Unwillkürlich reproduciren wir mit der Vorstellung dieses Meeres, seiner Buchten, Strassen und fein gegliederten Festlands- küsten die Vorstellung seiner Hinterländer. Allmälig tritt das Natur- bild immer mehr in den Hintergrund, wird zum Schauplatze stre- bender Menschen, zum Cultur- und Geschichtsbilde. Die Geschichte des Mittelmeeres beginnt mit den nautischen Thatversuchen der Phönikier. Wie dieses hamito-semitische Volk selbst auf dem Landwege an die seewärts gekehrten Abhänge des cedernreichen Libanon gelangt war, so fand es die Küsten des Mittel- meeres — die Festlandsinseln mit eingerechnet — gleichfalls schon Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 1

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/21>, abgerufen am 23.11.2024.