Soda aus England und auf Fichtenbrettchen, welche vornehmlich aus Galatz und auch aus Odessa kommen und zum grössten Theile öster- reichischen Ursprungs sind. Nicht weniger als 6000 Arbeiter stellen täglich 30.000 bis 35.000 Holzkisten und die doppelte Zahl von Petroleum-Blechdosen her (zwei Dosen für jede Kiste); von diesen entfällt fast die Hälfte auf die Rothschild'sche Fabrik allein. Die exclusive Wirtschaftspolitik vermochte die junge Blüthe Batums nicht zu knicken, Batum verwandelte sich vielmehr in einen der ersten Petroleumhäfen der Erde.
Das rasche Aufwachsen der Stadt und der zahlreichen dem Petroleumhandel dienenden Etablissements ist staunenswerth. West- wärts der Stadt breitet sich das von vielen Schienensträngen durch- zogene Gebiet des Petroleumgeschäftes aus, das den Eindruck eines riesigen Laboratoriums bietet. Unzählige eiserne Reservoirs, die von der Ferne wie hübsche Zuckertorten aussehen, Wohnhäuser, Fabriken, Maschinenschoppen und zahllose eiserne Schlote bezeichnen ein ganzes Königreich fleissiger Arbeit und Thätigkeit.
Die kaukasische Petroleumproduction mit all ihren Schicksalen und Schwankungen ist längst nicht mehr eine Sache, welche Russland speciell interessirt, sie ist von höchster Bedeutung für ganz Europa und für das früher den Handel dieses so wichtigen Leuchtstoffes monopolisirende Nordamerika ge- worden, darum scheint es gewiss angezeigt, hier einige Worte über die kaukasi- schen Petroleumminen einzuflechten.
Von der Gegend bei Lüneburg in Hannover zieht sich nach Südosten durch Galizien, Rumänien, die Krim, den Kaukasus und jenseits des Caspischen Meeres weit nach Innerasien ein Streifen petroleumführenden Terrains, dessen ergiebigste Gebiete an den beiden Enden des Kaukasus liegen. Bisher ist die Hauptthätigkeit auf die flache Halbinsel Apscheron concentrirt, welche ostwärts von dem Hafen Baku weit ins Caspische Meer hinausragt. Einst berühmt durch die heiligen Feuer von Baku, ist die "schwarze Stadt" bei Baku der einzige ernstliche Concurrent der Union in Petroleum. Die Eröffnung der transkaukasischen Bahn im Mai 1883 von Baku über Tiflis nach Poti mit der später gebauten Abzweigung nach Batum erweckte die schönsten Hoffnungen. Baku blieb nicht mehr auf Russland als Absatzgebiet beschränkt, sondern konnte auch auf den europäischen und indischen Märkten in Wettbewerb treten. Die Production von Rohnaphtha, welche 1880 4 Millionen q betrug, stieg 1885 auf 16 Millionen q, 1888 auf 27 Millionen q, 1889 soll sie gegen das Vorjahr wieder um 4 % gestiegen sein; den Anstoss zu dem Aufschwung des letzten Jahres gab die Firma "Caspische und Schwarze Meer-Naphtha-Productions- und Handelsgesellschaft" (Rothschild Freres, Paris), welche sowohl in Baku als auch in Batum Zweigniederlassungen gründete, in der Absicht, gleich der "Standard Oil Company" in Amerika, den grössten Theil der Petroleumproduction Russlands in die Hand zu bekommen. Die Gesellschaft hat durch Anschaffung von eigenen Cisternenwaggons die Transport- fähigkeit des kaukasischen Petroleums bereits wesentlich erhöht. Die Errichtung
24*
Batum.
Soda aus England und auf Fichtenbrettchen, welche vornehmlich aus Galatz und auch aus Odessa kommen und zum grössten Theile öster- reichischen Ursprungs sind. Nicht weniger als 6000 Arbeiter stellen täglich 30.000 bis 35.000 Holzkisten und die doppelte Zahl von Petroleum-Blechdosen her (zwei Dosen für jede Kiste); von diesen entfällt fast die Hälfte auf die Rothschild’sche Fabrik allein. Die exclusive Wirtschaftspolitik vermochte die junge Blüthe Batums nicht zu knicken, Batum verwandelte sich vielmehr in einen der ersten Petroleumhäfen der Erde.
Das rasche Aufwachsen der Stadt und der zahlreichen dem Petroleumhandel dienenden Etablissements ist staunenswerth. West- wärts der Stadt breitet sich das von vielen Schienensträngen durch- zogene Gebiet des Petroleumgeschäftes aus, das den Eindruck eines riesigen Laboratoriums bietet. Unzählige eiserne Reservoirs, die von der Ferne wie hübsche Zuckertorten aussehen, Wohnhäuser, Fabriken, Maschinenschoppen und zahllose eiserne Schlote bezeichnen ein ganzes Königreich fleissiger Arbeit und Thätigkeit.
Die kaukasische Petroleumproduction mit all ihren Schicksalen und Schwankungen ist längst nicht mehr eine Sache, welche Russland speciell interessirt, sie ist von höchster Bedeutung für ganz Europa und für das früher den Handel dieses so wichtigen Leuchtstoffes monopolisirende Nordamerika ge- worden, darum scheint es gewiss angezeigt, hier einige Worte über die kaukasi- schen Petroleumminen einzuflechten.
Von der Gegend bei Lüneburg in Hannover zieht sich nach Südosten durch Galizien, Rumänien, die Krim, den Kaukasus und jenseits des Caspischen Meeres weit nach Innerasien ein Streifen petroleumführenden Terrains, dessen ergiebigste Gebiete an den beiden Enden des Kaukasus liegen. Bisher ist die Hauptthätigkeit auf die flache Halbinsel Apscheron concentrirt, welche ostwärts von dem Hafen Baku weit ins Caspische Meer hinausragt. Einst berühmt durch die heiligen Feuer von Baku, ist die „schwarze Stadt“ bei Baku der einzige ernstliche Concurrent der Union in Petroleum. Die Eröffnung der transkaukasischen Bahn im Mai 1883 von Baku über Tiflis nach Poti mit der später gebauten Abzweigung nach Batum erweckte die schönsten Hoffnungen. Baku blieb nicht mehr auf Russland als Absatzgebiet beschränkt, sondern konnte auch auf den europäischen und indischen Märkten in Wettbewerb treten. Die Production von Rohnaphtha, welche 1880 4 Millionen q betrug, stieg 1885 auf 16 Millionen q, 1888 auf 27 Millionen q, 1889 soll sie gegen das Vorjahr wieder um 4 % gestiegen sein; den Anstoss zu dem Aufschwung des letzten Jahres gab die Firma „Caspische und Schwarze Meer-Naphtha-Productions- und Handelsgesellschaft“ (Rothschild Frères, Paris), welche sowohl in Baku als auch in Batum Zweigniederlassungen gründete, in der Absicht, gleich der „Standard Oil Company“ in Amerika, den grössten Theil der Petroleumproduction Russlands in die Hand zu bekommen. Die Gesellschaft hat durch Anschaffung von eigenen Cisternenwaggons die Transport- fähigkeit des kaukasischen Petroleums bereits wesentlich erhöht. Die Errichtung
24*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0207"n="187"/><fwplace="top"type="header">Batum.</fw><lb/>
Soda aus England und auf Fichtenbrettchen, welche vornehmlich aus<lb/>
Galatz und auch aus Odessa kommen und zum grössten Theile öster-<lb/>
reichischen Ursprungs sind. Nicht weniger als 6000 Arbeiter stellen<lb/>
täglich 30.000 bis 35.000 Holzkisten und die doppelte Zahl von<lb/>
Petroleum-Blechdosen her (zwei Dosen für jede Kiste); von diesen<lb/>
entfällt fast die Hälfte auf die Rothschild’sche Fabrik allein. Die<lb/>
exclusive Wirtschaftspolitik vermochte die junge Blüthe Batums<lb/>
nicht zu knicken, Batum verwandelte sich vielmehr in einen der<lb/>
ersten Petroleumhäfen der Erde.</p><lb/><p>Das rasche Aufwachsen der Stadt und der zahlreichen dem<lb/>
Petroleumhandel dienenden Etablissements ist staunenswerth. West-<lb/>
wärts der Stadt breitet sich das von vielen Schienensträngen durch-<lb/>
zogene Gebiet des Petroleumgeschäftes aus, das den Eindruck eines<lb/>
riesigen Laboratoriums bietet. Unzählige eiserne Reservoirs, die von<lb/>
der Ferne wie hübsche Zuckertorten aussehen, Wohnhäuser, Fabriken,<lb/>
Maschinenschoppen und zahllose eiserne Schlote bezeichnen ein ganzes<lb/>
Königreich fleissiger Arbeit und Thätigkeit.</p><lb/><p>Die kaukasische Petroleumproduction mit all ihren Schicksalen und<lb/>
Schwankungen ist längst nicht mehr eine Sache, welche Russland speciell<lb/>
interessirt, sie ist von höchster Bedeutung für ganz Europa und für das früher<lb/>
den Handel dieses so wichtigen Leuchtstoffes monopolisirende Nordamerika ge-<lb/>
worden, darum scheint es gewiss angezeigt, hier einige Worte über die kaukasi-<lb/>
schen Petroleumminen einzuflechten.</p><lb/><p>Von der Gegend bei Lüneburg in Hannover zieht sich nach Südosten durch<lb/>
Galizien, Rumänien, die Krim, den Kaukasus und jenseits des Caspischen Meeres<lb/>
weit nach Innerasien ein Streifen petroleumführenden Terrains, dessen ergiebigste<lb/>
Gebiete an den beiden Enden des Kaukasus liegen. Bisher ist die Hauptthätigkeit<lb/>
auf die flache Halbinsel Apscheron concentrirt, welche ostwärts von dem Hafen<lb/>
Baku weit ins Caspische Meer hinausragt. Einst berühmt durch die heiligen Feuer<lb/>
von Baku, ist die „schwarze Stadt“ bei Baku der einzige ernstliche Concurrent<lb/>
der Union in Petroleum. Die Eröffnung der transkaukasischen Bahn im Mai 1883<lb/>
von Baku über Tiflis nach Poti mit der später gebauten Abzweigung nach Batum<lb/>
erweckte die schönsten Hoffnungen. Baku blieb nicht mehr auf Russland als<lb/>
Absatzgebiet beschränkt, sondern konnte auch auf den europäischen und indischen<lb/>
Märkten in Wettbewerb treten. Die Production von Rohnaphtha, welche 1880<lb/>
4 Millionen <hirendition="#i">q</hi> betrug, stieg 1885 auf 16 Millionen <hirendition="#i">q</hi>, 1888 auf 27 Millionen <hirendition="#i">q</hi>,<lb/>
1889 soll sie gegen das Vorjahr wieder um 4 % gestiegen sein; den Anstoss<lb/>
zu dem Aufschwung des letzten Jahres gab die Firma „Caspische und Schwarze<lb/>
Meer-Naphtha-Productions- und Handelsgesellschaft“ (Rothschild Frères, Paris),<lb/>
welche sowohl in Baku als auch in Batum Zweigniederlassungen gründete, in<lb/>
der Absicht, gleich der „Standard Oil Company“ in Amerika, den grössten<lb/>
Theil der Petroleumproduction Russlands in die Hand zu bekommen. Die<lb/>
Gesellschaft hat durch Anschaffung von eigenen Cisternenwaggons die Transport-<lb/>
fähigkeit des kaukasischen Petroleums bereits wesentlich erhöht. Die Errichtung<lb/><fwplace="bottom"type="sig">24*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[187/0207]
Batum.
Soda aus England und auf Fichtenbrettchen, welche vornehmlich aus
Galatz und auch aus Odessa kommen und zum grössten Theile öster-
reichischen Ursprungs sind. Nicht weniger als 6000 Arbeiter stellen
täglich 30.000 bis 35.000 Holzkisten und die doppelte Zahl von
Petroleum-Blechdosen her (zwei Dosen für jede Kiste); von diesen
entfällt fast die Hälfte auf die Rothschild’sche Fabrik allein. Die
exclusive Wirtschaftspolitik vermochte die junge Blüthe Batums
nicht zu knicken, Batum verwandelte sich vielmehr in einen der
ersten Petroleumhäfen der Erde.
Das rasche Aufwachsen der Stadt und der zahlreichen dem
Petroleumhandel dienenden Etablissements ist staunenswerth. West-
wärts der Stadt breitet sich das von vielen Schienensträngen durch-
zogene Gebiet des Petroleumgeschäftes aus, das den Eindruck eines
riesigen Laboratoriums bietet. Unzählige eiserne Reservoirs, die von
der Ferne wie hübsche Zuckertorten aussehen, Wohnhäuser, Fabriken,
Maschinenschoppen und zahllose eiserne Schlote bezeichnen ein ganzes
Königreich fleissiger Arbeit und Thätigkeit.
Die kaukasische Petroleumproduction mit all ihren Schicksalen und
Schwankungen ist längst nicht mehr eine Sache, welche Russland speciell
interessirt, sie ist von höchster Bedeutung für ganz Europa und für das früher
den Handel dieses so wichtigen Leuchtstoffes monopolisirende Nordamerika ge-
worden, darum scheint es gewiss angezeigt, hier einige Worte über die kaukasi-
schen Petroleumminen einzuflechten.
Von der Gegend bei Lüneburg in Hannover zieht sich nach Südosten durch
Galizien, Rumänien, die Krim, den Kaukasus und jenseits des Caspischen Meeres
weit nach Innerasien ein Streifen petroleumführenden Terrains, dessen ergiebigste
Gebiete an den beiden Enden des Kaukasus liegen. Bisher ist die Hauptthätigkeit
auf die flache Halbinsel Apscheron concentrirt, welche ostwärts von dem Hafen
Baku weit ins Caspische Meer hinausragt. Einst berühmt durch die heiligen Feuer
von Baku, ist die „schwarze Stadt“ bei Baku der einzige ernstliche Concurrent
der Union in Petroleum. Die Eröffnung der transkaukasischen Bahn im Mai 1883
von Baku über Tiflis nach Poti mit der später gebauten Abzweigung nach Batum
erweckte die schönsten Hoffnungen. Baku blieb nicht mehr auf Russland als
Absatzgebiet beschränkt, sondern konnte auch auf den europäischen und indischen
Märkten in Wettbewerb treten. Die Production von Rohnaphtha, welche 1880
4 Millionen q betrug, stieg 1885 auf 16 Millionen q, 1888 auf 27 Millionen q,
1889 soll sie gegen das Vorjahr wieder um 4 % gestiegen sein; den Anstoss
zu dem Aufschwung des letzten Jahres gab die Firma „Caspische und Schwarze
Meer-Naphtha-Productions- und Handelsgesellschaft“ (Rothschild Frères, Paris),
welche sowohl in Baku als auch in Batum Zweigniederlassungen gründete, in
der Absicht, gleich der „Standard Oil Company“ in Amerika, den grössten
Theil der Petroleumproduction Russlands in die Hand zu bekommen. Die
Gesellschaft hat durch Anschaffung von eigenen Cisternenwaggons die Transport-
fähigkeit des kaukasischen Petroleums bereits wesentlich erhöht. Die Errichtung
24*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/207>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.