Bevor wir zur Darstellung der Donauhäfen schreiten, sei hier Küstendsches, eines Handelsplatzes, gedacht, der, obgleich nicht un- mittelbar an der Wasserstrasse der Donau gelegen, doch vermöge seiner Beziehungen und seiner Lage nächst dem Delta des Stromes zu den Donauhäfen im weiteren Sinne gerechnet werden darf.
Küstendsche (das antike Constantia), liegt in der seit 1878 rumänischen Dobrudscha und ist eine im Aufblühen begriffene Küsten- stadt. Nächst derselben tritt der sogenannte Trajanswall, das ver- fallene Bollwerk der alten Römer gegen die Einfälle der nordischen Barbaren, an die See. Der Ort besitzt ein Hafenbassin mit 6 m Wasser- tiefe. Hier besteht eine Lootsenstation für jene Schiffe, welche auf der Fahrt nach Sulina oder Odessa einen Piloten aufzunehmen wünschen.
Die Rumänen, welche sich als Nachkommen der romanisirten Daker betrachten, haben den türkischen Namen des Ortes fallen ge- lassen und nennen ihn Constanta. Er ist der Endpunkt einer Eisen- bahn, die in Cernavoda an der Donau beginnt und 64 km lang ist. Leider fehlt noch eine Verbindung mit dem links von der Donau lie- genden Fetesti, der letzten Station eines Bahnflügels von Bukarest her; das viele Kilometer breite Ueberschwemmungsgebiet der Donau macht den von den Rumänen projectirten Bau verbindender Brücken über den Arm Borcia und das Hauptbett der Donau zu einer der schwierigsten Unternehmungen. In den Wintermonaten, wenn das Eis der Flüsse nicht fest ist, bleibt oft durch längere Zeit die Post von Bukarest aus, dann fehlt auch die Versorgung des Handels von Con- stanta von der Donau her. Den Bau dieser nothwendigen Brücke hat die rumänische Regierung im Jänner 1890 vergeben. Es muss be- merkt werden, dass von hier auch donauaufwärts über Cernavoda Handel getrieben wird.
Rumänien thut viel für Constanta, seinen einzigen von der Con- trole der europäischen Mächte freien Hafen. So wurde 1887 in dem 21/2 km entfernten Dorfe Anadolkiöi der Bau eines Viehmarktes be- gonnen, für den die Kammern eine Million Lei bewilligt haben, um dadurch die Viehausfuhr der Dobrudscha zu heben. Geleise verbinden den Markt mit der Eisenbahn. Die Rumänen setzen grosse Hoffnun- gen auf diesen Markt, der zugleich als Kontumazanstalt dienen wird. Man hofft, mit der Zeit von hier aus zunächst den Markt von Con- stantinopel zu erobern, der bisher meist aus Russland versorgt wird.
Der wichtigste Exportartikel ist Getreide, und zwar Mais, Gerste und Weizen. Aus dem Donaugebiete wurden auf der Bahn 1888 805.124 q, 1887 478.048 q Getreide für den Transit zugeführt, aus dem Hafen unmittelbar 1888 614.750 q, 1887 525.998 q exportirt.
Das Mittelmeerbecken.
Bevor wir zur Darstellung der Donauhäfen schreiten, sei hier Küstendsches, eines Handelsplatzes, gedacht, der, obgleich nicht un- mittelbar an der Wasserstrasse der Donau gelegen, doch vermöge seiner Beziehungen und seiner Lage nächst dem Delta des Stromes zu den Donauhäfen im weiteren Sinne gerechnet werden darf.
Küstendsche (das antike Constantia), liegt in der seit 1878 rumänischen Dobrudscha und ist eine im Aufblühen begriffene Küsten- stadt. Nächst derselben tritt der sogenannte Trajanswall, das ver- fallene Bollwerk der alten Römer gegen die Einfälle der nordischen Barbaren, an die See. Der Ort besitzt ein Hafenbassin mit 6 m Wasser- tiefe. Hier besteht eine Lootsenstation für jene Schiffe, welche auf der Fahrt nach Sulina oder Odessa einen Piloten aufzunehmen wünschen.
Die Rumänen, welche sich als Nachkommen der romanisirten Daker betrachten, haben den türkischen Namen des Ortes fallen ge- lassen und nennen ihn Constanța. Er ist der Endpunkt einer Eisen- bahn, die in Cernavoda an der Donau beginnt und 64 km lang ist. Leider fehlt noch eine Verbindung mit dem links von der Donau lie- genden Feteşti, der letzten Station eines Bahnflügels von Bukarest her; das viele Kilometer breite Ueberschwemmungsgebiet der Donau macht den von den Rumänen projectirten Bau verbindender Brücken über den Arm Borcia und das Hauptbett der Donau zu einer der schwierigsten Unternehmungen. In den Wintermonaten, wenn das Eis der Flüsse nicht fest ist, bleibt oft durch längere Zeit die Post von Bukarest aus, dann fehlt auch die Versorgung des Handels von Con- stanța von der Donau her. Den Bau dieser nothwendigen Brücke hat die rumänische Regierung im Jänner 1890 vergeben. Es muss be- merkt werden, dass von hier auch donauaufwärts über Cernavoda Handel getrieben wird.
Rumänien thut viel für Constanța, seinen einzigen von der Con- trole der europäischen Mächte freien Hafen. So wurde 1887 in dem 2½ km entfernten Dorfe Anadolkiöi der Bau eines Viehmarktes be- gonnen, für den die Kammern eine Million Leï bewilligt haben, um dadurch die Viehausfuhr der Dobrudscha zu heben. Geleise verbinden den Markt mit der Eisenbahn. Die Rumänen setzen grosse Hoffnun- gen auf diesen Markt, der zugleich als Kontumazanstalt dienen wird. Man hofft, mit der Zeit von hier aus zunächst den Markt von Con- stantinopel zu erobern, der bisher meist aus Russland versorgt wird.
Der wichtigste Exportartikel ist Getreide, und zwar Mais, Gerste und Weizen. Aus dem Donaugebiete wurden auf der Bahn 1888 805.124 q, 1887 478.048 q Getreide für den Transit zugeführt, aus dem Hafen unmittelbar 1888 614.750 q, 1887 525.998 q exportirt.
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Das Mittelmeerbecken.
Bevor wir zur Darstellung der Donauhäfen schreiten, sei hier
Küstendsches, eines Handelsplatzes, gedacht, der, obgleich nicht un-
mittelbar an der Wasserstrasse der Donau gelegen, doch vermöge
seiner Beziehungen und seiner Lage nächst dem Delta des Stromes
zu den Donauhäfen im weiteren Sinne gerechnet werden darf.
Küstendsche (das antike Constantia), liegt in der seit 1878
rumänischen Dobrudscha und ist eine im Aufblühen begriffene Küsten-
stadt. Nächst derselben tritt der sogenannte Trajanswall, das ver-
fallene Bollwerk der alten Römer gegen die Einfälle der nordischen
Barbaren, an die See. Der Ort besitzt ein Hafenbassin mit 6 m Wasser-
tiefe. Hier besteht eine Lootsenstation für jene Schiffe, welche auf der
Fahrt nach Sulina oder Odessa einen Piloten aufzunehmen wünschen.
Die Rumänen, welche sich als Nachkommen der romanisirten
Daker betrachten, haben den türkischen Namen des Ortes fallen ge-
lassen und nennen ihn Constanța. Er ist der Endpunkt einer Eisen-
bahn, die in Cernavoda an der Donau beginnt und 64 km lang ist.
Leider fehlt noch eine Verbindung mit dem links von der Donau lie-
genden Feteşti, der letzten Station eines Bahnflügels von Bukarest
her; das viele Kilometer breite Ueberschwemmungsgebiet der Donau
macht den von den Rumänen projectirten Bau verbindender Brücken
über den Arm Borcia und das Hauptbett der Donau zu einer der
schwierigsten Unternehmungen. In den Wintermonaten, wenn das Eis
der Flüsse nicht fest ist, bleibt oft durch längere Zeit die Post von
Bukarest aus, dann fehlt auch die Versorgung des Handels von Con-
stanța von der Donau her. Den Bau dieser nothwendigen Brücke hat
die rumänische Regierung im Jänner 1890 vergeben. Es muss be-
merkt werden, dass von hier auch donauaufwärts über Cernavoda
Handel getrieben wird.
Rumänien thut viel für Constanța, seinen einzigen von der Con-
trole der europäischen Mächte freien Hafen. So wurde 1887 in dem
2½ km entfernten Dorfe Anadolkiöi der Bau eines Viehmarktes be-
gonnen, für den die Kammern eine Million Leï bewilligt haben, um
dadurch die Viehausfuhr der Dobrudscha zu heben. Geleise verbinden
den Markt mit der Eisenbahn. Die Rumänen setzen grosse Hoffnun-
gen auf diesen Markt, der zugleich als Kontumazanstalt dienen wird.
Man hofft, mit der Zeit von hier aus zunächst den Markt von Con-
stantinopel zu erobern, der bisher meist aus Russland versorgt wird.
Der wichtigste Exportartikel ist Getreide, und zwar Mais, Gerste und
Weizen. Aus dem Donaugebiete wurden auf der Bahn 1888 805.124 q, 1887
478.048 q Getreide für den Transit zugeführt, aus dem Hafen unmittelbar 1888
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/164>, abgerufen am 25.11.2024.
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