Sprache immer weitere Verbreitung zu geben. Den Bulgaren in jeder Beziehung bei weitem überlegen ist das griechische Element, welches in commercieller und socialer Beziehung in Varna die erste Stelle einnimmt. Die Griechen besitzen seit langem in Varna gute Schulen, sowohl für Mädchen als auch für Knaben; ebenso unterhalten sie ein gutes Spital. Die Türken sind infolge von Auswanderung in Abnahme begriffen, wenn auch ihre Zahl noch immer eine recht ansehnliche ist. Sie wohnen in einem getrennten Stadttheil, welcher die türkischen Eigenthümlichkeiten noch gänzlich bewahrt hat und an manchen Punkten eine Localfarbe trägt, wie dieselbe prägnanter selbst in den entlegensten Strassen Stambuls nicht gefunden werden kann. Ausser- dem gibt es noch Zigeuner, Armenier, krimische Tartaren und Juden, letztere in spanischen, rumänischen, polnischen und persischen Varia- tionen. Hiezu tritt noch die europäische Colonie, deren Hauptvertreter ausser den Griechen Oesterreicher und Russen sind. Italiener, Fran- zosen, Engländer und Deutsche gibt es nur sehr wenige.
Ueber die Griechen wäre noch zu erwähnen, dass Varna auf der Ostseite der Balkanhalbinsel beinahe der nördlichste Punkt ist, wo Griechen in compacten Massen wohnen. Als nördlichster Punkt gilt das circa eine Stunde von Varna entfernte Städtchen Kavarna. Man kann also sagen, dass die ganze Küste der Hämushalbinsel von Durazzo im Westen bis nach Kavarna im Osten in überwiegender Zahl von Griechen bewohnt ist.
So lange die Verkehrsmittel Bulgariens nicht eine völlige Um- gestaltung erfahren, wird Varna der wichtigste Handelsplatz und der erste Hafen des Landes bleiben. So bewegten sich 1888 47 % der Einfuhr und 37 % der Ausfuhr Bulgariens über Varna.
Bulgarien ist ein Ackerbaustaat, daher sind die Getreidegat- tungen Weizen und Mais die wichtigsten Ausfuhrartikel des Hafens. Neben den Eisenbahnwaggons bringen jeden Monat hunderte, ja tausende von Ochsenkarren Getreide naeh Varna. Um endlich der Concurrenz der Wagen zu begegnen, hat man Ende 1888 auf der Bahn Rustschuk-Varna die Getreidefrachten erheblich herabgesetzt.
Die Ausfuhr geht nach England, nach Marseille, Genua und Constantinopel. 1887 579.109 q im Werthe von 9,449.265 Francs, 1888 555.777 q im Werthe von 10,503.389 Francs.
In Varna hat eine Mühlenindustrie ihren Sitz, welche Mehl untergeord- neter Qualität (1888 10.468 q) nach Constantinopel, Kleinasien und dem griechi- schen Archipel ausführt. Es leidet unter der Concurrenz des besseren rumänischen und russischen Mehles. Aus dem Pflanzenreiche werden ferner Tabak und Holz ausgeführt.
Das Mittelmeerbecken.
Sprache immer weitere Verbreitung zu geben. Den Bulgaren in jeder Beziehung bei weitem überlegen ist das griechische Element, welches in commercieller und socialer Beziehung in Varna die erste Stelle einnimmt. Die Griechen besitzen seit langem in Varna gute Schulen, sowohl für Mädchen als auch für Knaben; ebenso unterhalten sie ein gutes Spital. Die Türken sind infolge von Auswanderung in Abnahme begriffen, wenn auch ihre Zahl noch immer eine recht ansehnliche ist. Sie wohnen in einem getrennten Stadttheil, welcher die türkischen Eigenthümlichkeiten noch gänzlich bewahrt hat und an manchen Punkten eine Localfarbe trägt, wie dieselbe prägnanter selbst in den entlegensten Strassen Stambuls nicht gefunden werden kann. Ausser- dem gibt es noch Zigeuner, Armenier, krimische Tartaren und Juden, letztere in spanischen, rumänischen, polnischen und persischen Varia- tionen. Hiezu tritt noch die europäische Colonie, deren Hauptvertreter ausser den Griechen Oesterreicher und Russen sind. Italiener, Fran- zosen, Engländer und Deutsche gibt es nur sehr wenige.
Ueber die Griechen wäre noch zu erwähnen, dass Varna auf der Ostseite der Balkanhalbinsel beinahe der nördlichste Punkt ist, wo Griechen in compacten Massen wohnen. Als nördlichster Punkt gilt das circa eine Stunde von Varna entfernte Städtchen Kavarna. Man kann also sagen, dass die ganze Küste der Hämushalbinsel von Durazzo im Westen bis nach Kavarna im Osten in überwiegender Zahl von Griechen bewohnt ist.
So lange die Verkehrsmittel Bulgariens nicht eine völlige Um- gestaltung erfahren, wird Varna der wichtigste Handelsplatz und der erste Hafen des Landes bleiben. So bewegten sich 1888 47 % der Einfuhr und 37 % der Ausfuhr Bulgariens über Varna.
Bulgarien ist ein Ackerbaustaat, daher sind die Getreidegat- tungen Weizen und Mais die wichtigsten Ausfuhrartikel des Hafens. Neben den Eisenbahnwaggons bringen jeden Monat hunderte, ja tausende von Ochsenkarren Getreide naeh Varna. Um endlich der Concurrenz der Wagen zu begegnen, hat man Ende 1888 auf der Bahn Rustschuk-Varna die Getreidefrachten erheblich herabgesetzt.
Die Ausfuhr geht nach England, nach Marseille, Genua und Constantinopel. 1887 579.109 q im Werthe von 9,449.265 Francs, 1888 555.777 q im Werthe von 10,503.389 Francs.
In Varna hat eine Mühlenindustrie ihren Sitz, welche Mehl untergeord- neter Qualität (1888 10.468 q) nach Constantinopel, Kleinasien und dem griechi- schen Archipel ausführt. Es leidet unter der Concurrenz des besseren rumänischen und russischen Mehles. Aus dem Pflanzenreiche werden ferner Tabak und Holz ausgeführt.
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Das Mittelmeerbecken.
Sprache immer weitere Verbreitung zu geben. Den Bulgaren in jeder
Beziehung bei weitem überlegen ist das griechische Element, welches
in commercieller und socialer Beziehung in Varna die erste Stelle
einnimmt. Die Griechen besitzen seit langem in Varna gute Schulen,
sowohl für Mädchen als auch für Knaben; ebenso unterhalten sie ein
gutes Spital. Die Türken sind infolge von Auswanderung in Abnahme
begriffen, wenn auch ihre Zahl noch immer eine recht ansehnliche
ist. Sie wohnen in einem getrennten Stadttheil, welcher die türkischen
Eigenthümlichkeiten noch gänzlich bewahrt hat und an manchen
Punkten eine Localfarbe trägt, wie dieselbe prägnanter selbst in den
entlegensten Strassen Stambuls nicht gefunden werden kann. Ausser-
dem gibt es noch Zigeuner, Armenier, krimische Tartaren und Juden,
letztere in spanischen, rumänischen, polnischen und persischen Varia-
tionen. Hiezu tritt noch die europäische Colonie, deren Hauptvertreter
ausser den Griechen Oesterreicher und Russen sind. Italiener, Fran-
zosen, Engländer und Deutsche gibt es nur sehr wenige.
Ueber die Griechen wäre noch zu erwähnen, dass Varna auf
der Ostseite der Balkanhalbinsel beinahe der nördlichste Punkt ist,
wo Griechen in compacten Massen wohnen. Als nördlichster Punkt
gilt das circa eine Stunde von Varna entfernte Städtchen Kavarna.
Man kann also sagen, dass die ganze Küste der Hämushalbinsel von
Durazzo im Westen bis nach Kavarna im Osten in überwiegender Zahl
von Griechen bewohnt ist.
So lange die Verkehrsmittel Bulgariens nicht eine völlige Um-
gestaltung erfahren, wird Varna der wichtigste Handelsplatz und der
erste Hafen des Landes bleiben. So bewegten sich 1888 47 % der
Einfuhr und 37 % der Ausfuhr Bulgariens über Varna.
Bulgarien ist ein Ackerbaustaat, daher sind die Getreidegat-
tungen Weizen und Mais die wichtigsten Ausfuhrartikel des Hafens.
Neben den Eisenbahnwaggons bringen jeden Monat hunderte, ja
tausende von Ochsenkarren Getreide naeh Varna. Um endlich der
Concurrenz der Wagen zu begegnen, hat man Ende 1888 auf der
Bahn Rustschuk-Varna die Getreidefrachten erheblich herabgesetzt.
Die Ausfuhr geht nach England, nach Marseille, Genua und Constantinopel.
1887 579.109 q im Werthe von 9,449.265 Francs, 1888 555.777 q im Werthe von
10,503.389 Francs.
In Varna hat eine Mühlenindustrie ihren Sitz, welche Mehl untergeord-
neter Qualität (1888 10.468 q) nach Constantinopel, Kleinasien und dem griechi-
schen Archipel ausführt. Es leidet unter der Concurrenz des besseren rumänischen
und russischen Mehles. Aus dem Pflanzenreiche werden ferner Tabak und Holz
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/160>, abgerufen am 22.11.2024.
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